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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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49. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. November 1981 i.S. T. gegen Direktion der Psychiatrischen Klinik Münsingen und Kantonale Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen des Kantons Bern (Berufung) | |
Regeste |
Fürsorgerische Freiheitsentziehung. |
2. Voraussetzungen für die Bestellung eines Rechtsbeistandes. Der Umstand, dass die zu versorgende Person an einem geistigen Gebrechen leidet und dass die Versorgung tief in seine Rechte eingreift, macht für sich allein die Bestellung eines Rechtsbeistandes noch nicht erforderlich (E. 2, 3). | |
Sachverhalt | |
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt T. die Aufhebung des Entscheids der Rekurskommission. Er macht geltend, die Abweisung des Gesuchs um Beiordnung eines Anwalts verstosse gegen Art. 4 BV.
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Die Rekurskommission beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht nimmt die staatsrechtliche Beschwerde als Berufung entgegen, weist diese aber ab.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Nach dem neuen Art. 44 lit. f OG ist bei fürsorgerischer Freiheitsentziehung die Berufung zulässig. Mit der Berufung kann nach Art. 43 OG nur die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden. Das Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung wird zwar grundsätzlich durch das kantonale Recht geordnet; doch enthalten Art. 397e und 397f ZGB gewisse Vorbehalte. Insbesondere sieht Art. 397f Abs. 2 ZGB vor, dass der Richter im Verfahren vor Gericht der betroffenen Person wenn nötig einen Rechtsbeistand zu bestellen habe. Ähnlich wie Art. 158 oder 374 ZGB stellen die Verfahrensbestimmungen in Art. 397e und 397f ZGB Bundesrecht dar, dessen Verletzung mit der Berufung gemäss ![]() | 5 |
2. Der Berufungskläger leidet an einem geistigen Gebrechen, das an sich geeignet ist, seine Verteidigungsmöglichkeit zu beeinträchtigen. Auch greift die Zurückbehaltung in der Anstalt zweifellos tief in seine Rechte ein. Daraus allein folgt jedoch noch nicht, dass ihm ein Rechtsbeistand beigegeben werden musste. Die fürsorgerische Freiheitsentziehung stellt stets eine schwerwiegende Massnahme dar, die vom Betroffenen in ähnlicher Weise empfunden wird wie eine Freiheitsstrafe oder eine im Rahmen eines Strafverfahrens angeordnete freiheitsentziehende Massnahme, und bei den Personen, die aus einem der in Art. 397a Abs. 1 ZGB genannten Grund fürsorgebedürftig sind, dürfte die Beeinträchtigung der Fähigkeit, sich im Verfahren vor dem Richter wirksam gegen die Freiheitsentziehung zu wehren, wohl die Regel sein. Dennoch hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die Verbeiständung für das Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung obligatorisch zu erklären. Der Bundesrat hat dies in der Botschaft damit begründet, der Schwerpunkt des Versorgungsverfahrens liege auf dem Offizialprinzip, so dass besondere Rechtskenntnisse auf Seiten des zu Versorgenden nicht nötig seien. Es wäre wenig befriedigend, wenn die Einweisungsinstanz, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit pflichtgemäss eine fürsorgerische Freiheitsentziehung anzuordnen habe, sich selber jedesmal einen "Gegenanwalt" ernennen müsste. Ob der Betroffene einem von der Einweisungsinstanz ernannten Beistand vertrauen würde, wäre ohnehin fraglich. Ihm sei genügender Rechtsschutz gewährleistet, wenn er über die ihm zur Verführung stehenden Rechtsmittel unterrichtet werde, jede ihm nahestehende Person die gerichtliche Beurteilung verlangen könne ![]() | 6 |
Der Hinweis auf die Offizialmaxime vermag freilich nicht voll zu überzeugen. Auch das Strafverfahren wird von der Offizialmaxime beherrscht, und dennoch besteht nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung unter gewissen Voraussetzungen unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV ein Anspruch auf Beigabe eines amtlichen Verteidigers (BGE 103 Ia 5 /6 E. 2, BGE 102 Ia 88 ff., BGE 101 Ia 91 /92 E. 3e, BGE 100 Ia 187; entgegen BGE 63 I 211 /212). Gleich verhält es sich, wenn ein Zivilprozess im Offizialverfahren durchgeführt wird; auch dann ist die Beigabe eines Offizialanwalts nicht zum vornherein ausgeschlossen (BGE 104 Ia 72 ff.). Die Bundesversammlung ist jedoch der Betrachtungsweise des Bundesrats gefolgt. Anlässlich der parlamentarischen Beratung stellte Nationalrat Braunschweig nämlich den Antrag, die Worte "wenn nötig" in Art. 397f Abs. 2 ZGB zu streichen, was zur Folge gehabt hätte, dass dem Betroffenen im Verfahren vor Gericht in jedem Fall ein Rechtsbeistand hätte bestellt werden müssen. Der Antrag wurde indessen abgelehnt (Amtl. Bull. 1978 N S. 765-768). Damit steht fest, dass der Gesetzgeber die Gewährleistung des Rechtsschutzes des Betroffenen bei der fürsorgerischen Freiheitsentziehung in erster Linie im Verfahren selbst erblickte und dass er eine obligatorische Verbeiständung trotz der Schwere des Eingriffs und der häufig vorhandenen geistigen Schwäche des Betroffenen bewusst nicht vorsah. Daraus folgt umgekehrt, dass der Hinweis auf den Geisteszustand des zu Versorgenden noch nicht genügt, um eine amtliche Verbeiständung zu rechtfertigen, sondern dass es dazu noch weiterer Gründe bedarf. Würde man anders entscheiden, so müsste gerade in den schwersten Fällen psychischer Erkrankung, wenn die Notwendigkeit einer Versorgung ausser jedem Zweifel steht, jedesmal ein Rechtsbeistand bestellt werden, was auf eine blosse Formalität hinausliefe und nicht der Sinn des Gesetzes sein kann.
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3. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie von der Bestellung eines Rechtsbeistandes abgesehen hat. Dass im gerichtlichen Verfahren besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bestanden hätten, behauptet der Berufungskläger selbst nicht. Er bestreitet auch nicht, dass er in der Lage war, in der Verhandlung vor der ![]() | 8 |
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