![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
50. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. März 1981 i.S. Keller gegen Wismer und Mitbeteiligte (Berufung) | |
Regeste |
Bäuerliches Erbrecht; ungeteilte Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes zum Ertragswert. Art. 620 Abs. 2 ZGB. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
![]() | 2 |
Das Kantonsgericht hiess mit Urteil vom 30. Juni 1978 die Klage gut und wies die Widerklage ab. Es wies den Nachlass von Lydia Schwyn-Waldvogel den Erben nach den Regeln des allgemeinen Erbrechts zu und ordnete die öffentliche Versteigerung der Erbschaftssachen durch die Vormundschaftsbehörde an.
| 3 |
Eine von der Beklagten Margrit Keller-Schwyn gegen dieses Urteil erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen am 16. Juli 1980 ab.
| 4 |
C.- Die Beklagte Margrit Keller-Schwyn führt beim Bundesgericht Berufung und beantragt, es sei ihr der Nachlass von Lydia Schwyn-Waldvogel gemäss bäuerlichem Erbrecht als Einheit im Sinne von Art. 620 ZGB zuzuteilen.
| 5 |
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
| 6 |
Aus den Erwägungen: | |
7 | |
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Rechtsprechung und Lehre zutreffend ausgeführt, dass diese Bestimmung dazu beitragen will, einen gesunden und leistungsfähigen Bauernstand zu erhalten, bestehende landwirtschaftliche Betriebe vor der Zersplitterung und den sesshaften Bauern vor Überschuldung zu bewahren (BGE 95 II 395 /96 und BGE 92 II 224 mit Hinweisen; TUOR/PICENONI, N. 12 der Vorbemerkungen zu Art. 620 ff. ZGB; STUDER, Die Integralzuweisung landwirtschaftlicher Gewerbe nach der Revision des bäuerlichen Zivilrechts von 1972, Diss. Fribourg 1975, S. 44 ff.; BOREL, Das bäuerliche Erbrecht, 1954, S. 13 f.; HOTZ, Bäuerliches Grundeigentum, ZSR 98 (1979) II S. 198/99; PIDOUX, ![]() | 8 |
a) Beide kantonalen Instanzen haben den Anspruch der Beklagten auf ungeteilte Zuweisung der Nachlassgrundstücke mit der Begründung abgewiesen, diese würden keine ausreichende landwirtschaftliche Existenz bieten.
| 9 |
4. Die am 15. Februar 1973 in Kraft getretene Neufassung des Art. 620 Abs. 2 ZGB sieht nun allerdings vor, dass bei der Beurteilung, ob eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz gegeben sei, auch Anteile an Liegenschaften und für längere Dauer mitbewirtschaftete Liegenschaften berücksichtigt werden können. Entgegen der früheren Praxis (BGE 81 II 108; TUOR/PICENONI, N. 8 zu Art. 620 ZGB; STUDER, a.a.O., S. 76 f.) muss sich die ausreichende Existenz damit nicht mehr allein aus dem in der Erbschaft befindlichen landwirtschaftlichen Gewerbe ergeben. Bei der Neufassung dieser Bestimmung wurde in erster Linie an den Fall gedacht, dass der Erblasser seit langem und noch für lange Zeit eine Liegenschaft zu seinem Gewerbe hinzugepachtet hatte (BGE 104 II 257). Diesem Fall ist aber auch jener gleichzustellen, in dem der Ansprecher Eigen- oder Pachtland während längerer Zeit mitbewirtschaftet hat. Es entspricht dem Sinn und Zweck des bäuerlichen Erbrechts, auch dieses Land bei der Beurteilung der Frage, ob eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz gegeben sei, mitzuberücksichtigen. Bereits in BGE 104 II 257 hatte das Bundesgericht die Gleichbehandlung des möglichen Übernehmers mit dem Erblasser bei Anwendung von Art. 620 Abs. 2 ZGB befürwortet (vgl. auch BGE 76 II 127). Diese Lösung entspricht auch der neueren Lehrmeinung (STUDER, a.a.O., S. 89/90 und 121; HOTZ, a.a.O., S. 195). Diese verlangt noch zusätzlich, dass allfälliges Eigen- oder Pachtland des Ansprechers von diesem bereits vor dem Tode des Erblassers erworben bzw. gepachtet und bewirtschaftet wurde und dass diese Bewirtschaftung weiterhin auf längere Zeit möglich ist (STUDER, a.a.O., S. 88 f.; TUOR/SCHNYDER, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 9. Aufl., S. 476). Ferner wird in der Lehre übereinstimmend vorausgesetzt, dass diese Grundstücke zusammen mit den Liegenschaften des Erblassers als wirtschaftliche Einheit bewirtschaftet wurden, sie somit bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers insgesamt, d.h. mit den Nachlassliegenschaften, eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz im Sinne ![]() | 10 |
Wird Art. 620 Abs. 2 ZGB im dargelegten Sinne ausgelegt, so kann Eigen- und Pachtland des ansprechenden Erben, das dieser schon vor dem Tode des Erblassers bewirtschaftet hat, aber nicht zusammen mit dessen Gewerbe, bei der Beurteilung der Frage, ob die Nachlassliegenschaft eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz zu bieten vermöge, keine Berücksichtigung finden. Agrarpolitische Gründe würden zwar nicht dagegen sprechen, auch diesen Fall Art. 620 Abs. 2 ZGB zu unterstellen. In wirtschaftlicher Hinsicht würde er sich jedenfalls dann nicht vom oben genannten unterscheiden, wenn das Eigen- oder Pachtland des Erben zusammen mit der Nachlassliegenschaft für die Zukunft eine ausreichende Existenz böte und zudem zu einer wirtschaftlichen Einheit verbunden werden könnte. Das träfe dann zu, wenn sich das Gewerbe von einem Zentrum aus mit denselben Arbeitskräften und ohne unverhältnismässigen Aufwand rationell bewirtschaften liesse (STUDER, a.a.O., S. 111 ff., insbes. S. 114/115). Indessen sprechen sowohl der Wortlaut von Art. 620 Abs. 2 ZGB, vor allem auch in der französischen und italienischen Fassung (les biens-fonds exploités pendant une longue période avec l'entreprise agricole, beni immobili per lungo tempo e congiuntamente amministrati), als auch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung gegen ![]() | 11 |
Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte von Art. 620 Abs. 2 ZGB ist somit zu schliessen, dass Liegenschaften des Bewerbers nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie bereits vor dem Tode des Erblassers mit dessen Gewerbe gemeinsam als wirtschaftliche Einheit bewirtschaftet wurden und dies für längere Zeit auch noch der Fall sein wird. Nur unter dieser Voraussetzung kommt dem agrarpolitischen Zweck, welcher dem bäuerlichen Erbrecht zugrunde liegt, gegenüber dem allgemeinen Erbrecht und dem darin statuierten Anspruch auf Gleichbehandlung aller Erben der Vorrang zu.
| 12 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |