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44. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Juni 1982 i.S. L. gegen W. (Berufung) | |
Regeste |
Rechtliche Wirkungen des Konkubinats. | |
Sachverhalt | |
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C.- Die Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingelegt mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage gänzlich, eventuell nur im Fr. 10'000.-- übersteigenden Betrag abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Beklagte hält dem entgegen, dass die Anwendung von Auftragsrecht den bestehenden persönlichen Beziehungen der Parteien nicht gerecht werde, und sie wendet sich unter Hinweis auf Art. 8 ZGB namentlich dagegen, dass sie die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen habe. Als durch nichts belegt und aktenwidrig rügt sie die vorinstanzliche Erwägung, offensichtlich habe der Ausstellung einer Generalvollmacht der Wille der Parteien zugrunde gelegen, dass die Beklagte den Lohn für den Kläger entgegennehme, daraus seine Verpflichtungen erfülle und den Rest ihm aushändige oder zu seinen Gunsten anlege.
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In Übereinstimmung mit dem Bezirksgericht ist deshalb ein Konkubinat der Parteien bis Ende 1976 zu bejahen.
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a) Die angebliche Gefährdung der Ehe durch das Konkubinat hat vereinzelt in Lehre und Rechtsprechung zur These geführt, ein eheähnliches Zusammenleben unter Ablehnung der Heirat verdiene überhaupt keinen Rechtsschutz (GROSSEN, Le ménage de fait ![]() | 11 |
Diese pauschale Verweisung in einen rechtsleeren Raum ist indes zu verwerfen (HENRI BRON, Les conséquences juridiques de l'union libre notamment à l'égard des tiers, Diss. Lausanne 1940, S. 75 ff.; COHEN, Les prétentions patrimoniales à la fin de l'union libre, in SJ 102/1980, S. 338; STRÄTZ, Rechtsfragen des Konkubinats im Überblick, in Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, 27/1980, S. 304; FINGER, Wohngemeinschaft, Partnerschaft, Lebensgemeinschaft, in Juristenzeitung, 36/1981, S. 497). Wenn die Partner für ihre Gemeinschaft die Ehe ablehnen, besagt dies keineswegs, dass sie überhaupt alle Rechtsfolgen ihres Zusammenlebens ausschliessen wollen. Ohne nähere Prüfung allein im vermeintlichen Interesse des Instituts der Ehe den Partnern eines Konkubinats schlechterdings jeden Rechtsschutz zu versagen, käme einer Kapitulation der Rechtsordnung gegenüber einer verbreiteten Erscheinungsform unserer Gesellschaft gleich. Eine solche Haltung wäre auch unvereinbar mit Entscheidungen, nach denen in verschiedenen Rechtsbereichen der Tatsache des Konkubinats bereits Rechnung getragen wird (BGE 106 II 3, BGE 106 III 16 f., 105 II 244 E. II und 249 E. 4, BGE 104 II 155 E. 1, BGE 85 II 381 f.).
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Die geschilderte Kontroverse lässt sich im übrigen erheblich mildern, wenn eine rechtliche Ordnung des Konkubinats nicht pauschal bejaht oder verworfen wird. Es steht ausser Frage, dass der persönliche, nicht der vertragsrechtliche Charakter solcher Beziehungen überwiegt. Wo wie wohl meist auf präzise vertragliche Absprachen über die Ausgestaltung des Zusammenlebens verzichtet wird, liegt ein Vertrauensverhältnis vor, das nach dem mutmasslichen Willen der Partner nicht von Rechtsregeln bestimmt sein soll. Insoweit lässt sich Abstinenz der Rechtsordnung vertreten, steht doch den Beteiligten jederzeit und unentziehbar das Recht zu, das Konkubinat zu beenden. Anders kann es sich jedoch verhalten, wenn nach Auflösung der Gemeinschaft gemeinsame Anschaffungen oder Ersparnisse oder aber Schulden vorhanden sind, über die befunden werden muss. Nichts erlaubt den Schluss, dass die Partner von vornherein auch für den Fall der Auflösung der Beziehung den Rückgriff auf Rechtsnormen ausschliessen wollten. Zwar wird die freiwillige Übereinkunft auch ![]() | 13 |
b) Weil vorliegend allein die vermögensrechtliche Auseinandersetzung nach der Auflösung des Konkubinats zur Beurteilung steht, ist auch auf das in der Lehre etwa vertretene Argument nicht weiter einzugehen, das Konkubinat verdiene aufgrund von Art. 20 Abs. 1 OR keinen Rechtsschutz. Denn die Sittenwidrigkeit des Konkubinats sowie seine Widerrechtlichkeit können jedenfalls dann nicht eingewendet werden, wenn es gar nicht um Aufnahme, Aufrechterhaltung oder Ausgestaltung des Zusammenlebens geht, sondern ausschliesslich um die rechtliche Auseinandersetzung nach der Auflösung (HAUSHEER, in ZBJV 116/1980, S. 102 f.). Anzuknüpfen ist dabei an die Überlegungen, die das Bundesgericht bei der Beurteilung letztwilliger Zuwendungen an einen Konkubinats- oder Ehebruchpartner angestellt hat. Solche Zuwendungen werden nur dann im Sinne von Art. 519 Ziff. 3 ZGB als unwirksam betrachtet, wenn sie ein sittenwidriges, namentlich ein ehebrecherisches Verhalten zu fördern bestimmt sind (BGE 85 II 381, 93 II 165). Was für Leistungen gilt, die immerhin noch als Belohnung einer ausserehelichen Beziehung betrachtet werden könnten, muss erst recht für die finanzielle Liquidation eines Konkubinats gelten, wo dieser Aspekt völlig zurücktritt.
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a) Beim Zusammenleben von zwei Personen muss in jedem einzelnen Fall näher geprüft werden, ob und inwieweit die konkreten Umstände die Anwendung der Regeln über die einfache Gesellschaft erlauben. Es sind Konkubinatsverhältnisse denkbar, in denen die Partner sich in jeder Beziehung eine derart starke Selbständigkeit bewahren, dass für die Annahme einer einfachen ![]() | 16 |
b) Vorliegend hatten die Parteien die Wohnung in Gebenstorf gemeinsam gemietet, und sie führten zusammen einen Haushalt, für dessen Kosten sie beide aufkamen, wobei der Kläger namentlich an die Wohnungs- und Einrichtungskosten, aber auch an andere Auslagen beitrug. Entsprechend gesteht er denn auch der Beklagten aus den Lohngeldern Fr. 15'000.-- und DM 5'000.-- "unter irgendwelchen Titeln" zu. Diese Umstände erlauben den Schluss, dass zwischen den Parteien eine einfache Gesellschaft bestanden hat. Es entspricht dabei dem Vertrauensverhältnis im Konkubinat, dass auf nähere Vereinbarungen bezüglich der laufenden beiderseitigen Leistungen und wohl auch auf Rechtsschutz etwa im Sinne einer subsidiären Beitragsparität nach Art. 531 Abs. 2 OR verzichtet wurde. Insoweit würde in der Tat das Gesellschaftsrecht keine befriedigende Lösung bringen. Das steht vorliegend aber nicht zur Beurteilung, geht es doch ausschliesslich um die Auseinandersetzung nach der Auflösung der Gemeinschaft. Selbst wenn anzunehmen ist, dass zwei Partner die beiderseitigen Leistungen während des Zusammenlebens als rechtlich nicht erzwingbar betrachten, darf wie dargelegt ein solcher Wille nicht auch für die Auseinandersetzung nach dem Ende der Beziehung unterstellt werden.
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5. Wie bereits angedeutet, schliesst das Vorliegen einer einfachen Gesellschaft nicht aus, dass hinsichtlich der Lohngelder des ![]() | 18 |
Es ist keineswegs aussergewöhnlich, dass im Rahmen einer einfachen Gesellschaft Leistungen erbracht werden, die für sich allein durchaus einem besonderen zweiseitigen Vertragstypus zuzuordnen wären (SIEGWART, N. 61 Vorbem. zu Art. 530-551 OR). So kann ein Geldbeitrag eines Gesellschafters für sich betrachtet Darlehen oder Schenkung sein, eine Dienstleistung auf Arbeitsvertrag oder Auftrag schliessen lassen. Nur eine Gesamtwürdigung der Situation, nicht eine isolierte Betrachtung, führt zu einer befriedigenden Lösung (SIEGWART, N. 2 f. Vorbem. zu Art. 530-551 OR; VON STEIGER, in Schweizerisches Privatrecht, VIII/1, S. 327).
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Nach dem angefochtenen Urteil waren aus den der Beklagten ausbezahlten Lohngeldern des Klägers die ihn betreffenden Verpflichtungen zu erfüllen. Dies ist eine verbindliche Feststellung, erfasst aber auch die Beiträge des Klägers an den gemeinsamen Haushalt, wie das die Vorinstanz in anderem Zusammenhang selbst annimmt. So betrafen die Zahlungen an die gemeinsame Wohnungsmiete und -einrichtung offensichtlich nicht ein Geschäft des Klägers allein, sondern ein gemeinschaftliches Anliegen. Das Argument der Fremdnützigkeit, das nach dem vorinstanzlichen Urteil für Auftragsrecht spricht, überzeugt daher von vornherein nicht. Abgesehen davon liegt es auf der Hand, dass diese Inkassovereinbarung nur aufgrund des bestehenden Konkubinats zustande gekommen ist. Die Erteilung einer Generalvollmacht an die Beklagte erscheint geradezu als Mittel, um die Fortführung des Konkubinatsverhältnisses während der Auslandabwesenheit des Klägers zu gewährleisten. Sie lässt sich zwanglos nach den Regeln über die Geschäftsführung durch einen Gesellschafter beurteilen. Nach Ansicht des Obergerichts führt dies zum gleichen Resultat, nämlich ebenfalls zur Anwendung von Auftragsrecht. Art. 540 Abs. 1 OR bestimmt dies zwar grundsätzlich, jedoch unter ausdrücklichem Vorbehalt anders lautender Bestimmungen. Art. 538 Abs. 3 OR hält denn auch fest, dass der geschäftsführende Gesellschafter nur dann nach den Bestimmungen über den Auftrag ![]() | 20 |
Es zeigt sich auch in anderer Hinsicht, dass die Inkassovereinbarung nicht derart vom Konkubinatsverhältnis der Parteien getrennt werden kann, wie dies im kantonalen Verfahren geschehen ist. Laut angefochtenem Urteil hat der Kläger gemäss seiner eigenen Darstellung nämlich schon bei den Wochenendbesuchen bei der Beklagten festgestellt, dass von seinen Lohnbetreffnissen kein Geld übrig war. Trotzdem hat er nie Auskunft oder gar Rechenschaft über die getätigten Ausgaben verlangt. Nach der Auflösung der Beziehung Ende 1976 hat er bis Februar 1979 ebenfalls nichts wesentliches unternommen, um gegen die Beklagte vorzugehen. Dieses Verhalten des Klägers rechtfertigte nach Ansicht des Bezirksgerichts sogar die Annahme eines schenkungsweisen Verzichts auf Ablieferung des Überschusses. Das Obergericht verwirft diesen Schluss nur deshalb, weil es nicht zu erkennen vermag, weshalb der Kläger der ebenfalls erwerbstätigen Beklagten den Rest seines Lohnes hätte schenken sollen. Auch das schliesst aber nicht aus, dass der Kläger selbst zumindest davon ausging, dass sein Lohn das Schicksal anderer Leistungen an die Gemeinschaft teilen sollte.
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Es ergibt sich somit, dass die Inkassovereinbarung nicht auf einem selbständigen Mandat beruht hat, sondern im Rahmen der einfachen Gesellschaft erfolgt ist.
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a) Was vorliegend von der gemeinsamen Tätigkeit der Parteien verbleibt, ist ein Verlust. Dieser entspricht nicht etwa dem prozessual streitigen Fehlbetrag von Fr. 30'000.--. Nach dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht mehr feststellen, ob die Beklagte diesen Betrag für sich verwendet oder ob sie das Geld, wie sie behauptet, jeweils in das Stubenbuffet gelegt und der Kläger es dort behändigt hat. Verlust im Sinne der Liquidationsvorschriften ist jedoch nicht, ![]() | 24 |
b) Eine weitergehende Forderung kann dem Kläger nur als Schadenersatz aus Verantwortlichkeit zustehen, der ebenfalls im Rahmen der Liquidation geltend gemacht werden kann (SIEGWART, N. 4 zu Art. 548-550 OR). Die Beklagte haftet dem Kläger als Gesellschafterin für das Mass an Sorgfalt, das sie in ihren eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, unterliegt dagegen wie erwähnt nicht der strengeren Haftung eines besonders entschädigten Geschäftsführers (Art. 538 Abs. 1 und 3 OR). Im übrigen beurteilt sich die erforderliche Sorgfalt nach den konkreten Verhältnissen, namentlich auch nach der persönlichen Struktur der Gesellschaft (VON STEIGER, a.a.O., S. 390).
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Nach den sorgfältigen Abwägungen der Vorinstanz ist indes weder bewiesen noch beweisbar, welche der Parteien für den Fehlbetrag von Fr. 30'000.-- verantwortlich ist. Dieser Beweisnotstand, der sich auftragsrechtlich gegen die Beklagte ausgewirkt hat, muss sich gesellschaftsrechtlich gegen den Kläger richten (Art. 8 ZGB). Entfällt Auftragsrecht, so kann die Beklagte auch nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass sie keine Buchhaltung geführt und sich die Bezüge des Klägers nicht hat quittieren lassen. Dass derartiges angesichts der persönlichen Beziehungen und der einfachen Verhältnisse der Parteien gar nicht zu erwarten war, hat schon das Bezirksgericht zu Recht festgestellt.
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Anders verhält es sich mit der Verantwortlichkeit der Beklagten dafür, dass die Steuerschuld des Klägers nicht bezahlt worden ist. Nach den Feststellungen des Bezirksgerichts, auf die das Obergericht sinngemäss verweist, hat die Beklagte trotz Erhalt der ![]() | 27 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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