BGE 108 II 216 | |||
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46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. August 1982 i.S. Joseph Müller AG Zürich gegen Abbott AG (Berufung) | |
Regeste |
Art. 3 Abs. 2 und 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG. Nichtigkeit einer Eintragung; Passivlegitimation. |
2. Eine aus dem englischen Wort "LESS" (= weniger) bestehende und für pharmazeutische Produkte bestimmte Marke hat beschreibenden Charakter und kann nicht geschützt werden (E. 2). | |
Sachverhalt | |
A.- Josef Müller liess am 28. Dezember 1949 die Wortmarke "LESS" in das schweizerische Register eintragen und sie am 31. Oktober 1969 unter Nr. 242 534 erneuern. Die Marke ist für den Gebrauch auf pharmazeutischen Produkten bestimmt; sie wird insbesondere für eine Rheumasalbe verwendet, die von der Joseph Müller AG vertrieben wird.
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B.- Im Dezember 1980 klagte die Joseph Müller AG gegen die Abbott AG mit den Begehren, die CH-Marke 300 556 "EES" ungültig zu erklären, sie im Register löschen zu lassen und der Beklagten den Gebrauch des Zeichens für pharmazeutische Produkte bei Strafe zu verbieten.
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Die Beklagte widersetzte sich diesen Begehren und erhob Widerklage mit den Anträgen, die Nichtigkeit der Marke "LESS" festzustellen und deren Löschung anzuordnen.
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Mit Urteil vom 19. März 1982 wies das Kantonsgericht des Kantons Zug die Klage ab und stellte in Gutheissung der Widerklage fest, dass die Marke Nr. 242 534 "LESS" nichtig und deshalb im Register zu löschen sei.
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C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingereicht mit den Anträgen, es aufzuheben, ihre Rechtsbegehren gutzuheissen und auf die Widerklage nicht einzutreten.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Das Kantonsgericht stellt gestützt auf Angaben der Klageschrift fest, die Klägerin habe die Marke "LESS" 1949 eintragen und 1969 erneuern lassen. Entgegen der Annahme der Beklagten ist das Bundesgericht an diese Feststellung nicht gebunden, lauten die bei den Akten liegenden Registerauszüge doch auf Josef Müller persönlich. Es handelt sich um ein offensichtliches Versehen, das gemäss Art. 63 Abs. 2 OG zu berichtigen ist.
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Der Registereintrag muss indes nicht mit dem materiellen Recht an der Marke übereinstimmen (BGE 99 Ib 341, BGE 83 II 333). Er schliesst namentlich nicht aus, dass die Marke mit dem Geschäftsbetrieb auf die Klägerin übertragen worden ist, was formlos und auch ohne Registereintrag geschehen kann (TROLLER, Immaterialgüterrecht II. S. 932 und 976 sowie I. S. 602 ff.). Die Klägerin hat sich im kantonalen Verfahren denn auch wiederholt und unwidersprochen als Inhaberin der Marke ausgegeben und geht selbst im Berufungsverfahren davon aus.
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Wenn der Registereintrag und die Berechtigung zum Gebrauch der Marke in dieser Weise auseinanderfallen, rechtfertigt es sich, die Nichtigkeitsklage gegen den Benützer der Marke ebenfalls zuzulassen, wie dies TROLLER (a.a.O. II. S. 1163 und I. S. 601) in Analogie zu Art. 33 PatG befürwortet. Dem entspricht auch die Rechtslage bei der Aktivlegitimation für die Markenverletzungsklage (Art. 27 Ziff. 1 MSchG; TROLLER, a.a.O. II. S. 1153). Die Klägerin schweigt sich darüber aus, weshalb sie ihre Passivlegitimation für die Widerklage bestreitet, aber an ihrer Aktivlegitimation zur Hauptklage festhält, die erste Legitimation materiellrechtlich also anders beurteilt wissen will als die zweite. Eine solche Unterscheidung entbehrt jedoch der Rechtfertigung und ist daher zu vermeiden, zumal nach ständiger Rechtsprechung jedermann, der ein schutzwürdiges Interesse hat, sich klage- oder einredeweise auf die Nichtigkeit einer Marke berufen kann (BGE 99 II 112 E. 5 mit Hinweisen).
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b) Die Einrede der fehlenden Passivlegitimation müsste übrigens als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden, weil sie nicht nur den eigenen Vorbringen der Klägerin im kantonalen Verfahren, sondern auch dem Umstand widerspricht, dass die Klägerin selbst, nicht Josef Müller, mit ihrer Klage den Markenschutz beansprucht. So oder anders werden zudem keine persönlichen Interessen des Josef Müller am Bestand der Marke verletzt, weil Müller alleiniger Verwaltungsrat der Klägerin ist und an der vorinstanzlichen Hauptverhandlung als solcher teilgenommen hat, sich die Art der Prozessführung durch die Klägerin also ohnehin entgegenhalten lassen muss.
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2. Das Kantonsgericht geht zutreffend davon aus, dass als Gemeingut anzusehende Zeichen den gesetzlichen Schutz nicht geniessen und dass Marken, die dem widersprechen, nichtig sind (Art. 3 Abs. 2 und 14 Ziff. 2 MSchG; BGE 103 II 342 f.). Beizupflichten ist ihm auch darin, dass das namentlich gilt für Hinweise auf Eigenschaften, die Beschaffenheit oder den Zweck des Erzeugnisses, für welches die Marke bestimmt ist (BGE 106 II 246, 103 II 343). Die Klägerin wendet dagegen mit Recht nichts ein.
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a) Die Vorinstanz findet, die Marke "LESS" sei keine Phantasiebezeichnung, sondern bestehe aus einem englischen Wort, das mit "weniger" zu übersetzen sei. Dass jeder Käufer der damit versehenen Rheumasalbe das wisse oder leicht erkenne, sei nicht erforderlich; ein grosser Teil der schweizerischen Käufer werde dank seiner Englischkenntnisse die Bezeichnung "LESS" für eine solche Salbe sofort mit der Vorstellung "weniger Schmerzen" verbinden. Diese Vorstellung werde durch die entsprechenden Hinweise im Zettel, welcher der Packung beiliege, noch gefördert und komme daher einer verkappten Werbung für besondere Eigenschaften der Ware gleich. Was in BGE 103 II 342 zur Marke "more" (= mehr) gesagt worden sei, müsse auch für das Zeichen "LESS" gelten.
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Die Klägerin hält daran fest, dass das englische Wort "less" für den schweizerischen Sprachraum eine reine Phantasiebezeichnung sei, zumal es nach der Rechtsprechung auf den Eindruck des Durchschnittskäufers ankomme. Was zur Marke "more" ausgeführt worden sei, lasse sich nicht auf "less" übertragen, da dieses Wort bei angelernten Englischkenntnissen weniger geläufig sei. Weshalb für "less" im vornherein etwas anderes gelten soll als für "more", ist indes nicht zu ersehen. Die Rechtsprechung setzt ja bei der schweizerischen Kundschaft beträchtliche Englischkenntnisse voraus; in diesem Sinne hat das Bundesgericht z.B. Wörter wie "foam", "discotable", "top set", "ever fresh" und "Clip" als Sachbezeichnungen bzw. als beschreibender Natur gewürdigt und daher als Marken abgelehnt (BGE 104 Ib 66, BGE 99 Ib 24, BGE 97 I 82, BGE 91 I 358, BGE 80 II 176). Richtig ist dagegen, dass das Wort "more" für sich allein, gleichviel ob es auf die Qualität oder die Wirkung einer Ware bezogen wird, eher für die Werbung taugt als der Ausdruck "less", wozu es schon einer gedanklichen Verbindung mit "weniger Schmerzen" oder dergleichen bedarf. Entscheidend ist daher, ob beim Durchschnittskäufer eine solche Verbindung entstehen kann, wenn "less" als Marke einer Rheumasalbe verwendet wird.
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Das Kantonsgericht bejaht diese Frage. Die Klägerin erblickt darin eine willkürliche, durch nichts erhärtete und mit keiner Erfahrung unterstellbare Annahme. Sie behauptet, ihre eigenen Umfragen hätten das Gegenteil ergeben, und beanstandet, dass darüber nicht Beweis erhoben worden ist. Die Beklagte meint hingegen, es handle sich um eine tatsächliche Feststellung, die das Bundesgericht binde. Sie irrt. Die Annahme des Kantonsgerichts stützt sich nicht auf Beweiserhebung über die Auffassung eines bestimmten Abnehmerkreises, sondern ausschliesslich auf die allgemeine Lebenserfahrung; sie kann daher vom Bundesgericht frei überprüft werden (BGE 107 II 274/75 mit Hinweisen).
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b) Die Klägerin beruft sich auf das Urteil des Supreme Court of Victoria (Australien) vom 31. Juli 1979, wonach "less" für sich allein keine Beziehung zum Charakter oder zur Qualität einer Ware herstelle. Die Beklagte stützt sich dagegen auf den letztinstanzlichen Entscheid des High Court of Australia vom 9. August 1980, der dieses Urteil aufgehoben und das Wort "less" für ein pharmazeutisches Produkt als beschreibend von der Eintragung ausgeschlossen hat. Daraus kann für die hier streitige Marke nichts Entscheidendes abgeleitet werden. Zu bemerken ist immerhin, dass die letzte Instanz das Wort vor allem auf das vom Produkt benötigte Quantum bezogen wissen wollte. Wie nahe eine solche oder andere Beziehung liegt, hängt aber nicht von der verwendeten Sprache ab.
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Die Klägerin will berücksichtigt wissen, dass ihre Marke auch für andere pharmazeutische Produkte bestimmt und eingetragen sei; das Kantonsgericht gehe über diese entscheidende Tatsache willkürlich hinweg, wenn es sich auf die Rheumasalbe beschränke und gar noch den Beipackzettel in Betracht ziehe; davon abgesehen handle es sich um eine Rheuma-Heilsalbe, nicht um ein Anti-Schmerzmittel. Das eine wie das andere ist unerheblich. Eine Bezeichnung ist schon dann Gemeingut, wenn sie für einen Teil der beanspruchten Waren beschreibenden Charakter hat. Und dass es um eine Heilsalbe geht, ändert nichts am Eindruck auf die Käufer, die zwischen Heilung und Schmerzen zweifellos keinen Unterschied machen.
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c) Die Auffassung des Kantonsgerichts, das Zeichen "LESS" bestehe aus einem Begriff des Gemeingebrauchs und dürfe deshalb nicht als Marke eingetragen werden, ist somit im Ergebnis nicht zu beanstanden. Sie entspricht ständiger Rechtsprechung, wonach fremdsprachige Ausdrücke oder Wortbestandteile eine Marke ebenfalls zum Gemeingut machen können (BGE 103 II 343 mit Hinweisen). Wer den Sinn des englischen Wortes "less" erkennt, wird aber als Käufer einer Rheumasalbe sofort nach einer Beziehung zur Ware suchen und ohne besondere Gedankenarbeit auf weniger Schmerzen schliessen, mag die Umsetzung in eine Eigenschaft des Erzeugnisses auch nicht so offensichtlich sein wie bei "more" oder ähnlichen Beispielen.
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