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59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Juni 1982 i.S. Reller AG und Brescianini Söhne gegen Einwohnergemeinde Spreitenbach (Berufung) | |
Regeste |
Forderung eines Unterakkordanten gegen eine Gemeinde für Arbeiten an einem Schulhaus auf deren Grundstück im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Generalunternehmers. |
2. Ersatzanspruch des Unterakkordanten gestützt auf Art. 41 OR? (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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In der Folge schloss die Horta mit den zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Bauunternehmungen Reller AG und Brescianini einen Werkvertrag für die Baumeisterarbeiten im Betrage von Fr. 1'261'142.55 ab, nachdem die Gemeinde Spreitenbach ein Abgebot dieser Unternehmer vom ursprünglich verlangten Werklohn erwirkt hatte.
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B.- Mit Eingabe vom 14. Januar 1976 reichten die Firmen Reller AG und Brescianini Söhne beim Bezirksgericht Baden gegen die Einwohnergemeinde Spreitenbach Klage ein, mit dem Begehren, diese sei zu verpflichten, ihnen Fr. 241'979.90 nebst 5% Zins ab 13. Juli 1975 zu bezahlen. In der Replik wurde die geforderte Summe unter Hinweis auf eine nachträglich eingegangene Zahlung auf Fr. 144'520.-- reduziert.
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Das Bezirksgericht Baden (I. Abteilung) wies die Klage mit Urteil vom 2. Juli 1980 ab.
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C.- Die Kläger reichten gegen das bezirksgerichtliche Urteil Appellation an das Obergericht des Kantons Aargau ein. Sie hielten darin am Antrag auf Gutheissung der Klage vollumfänglich fest und stellten eine Reihe von Beweisanträgen.
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Am 29. Oktober 1981 wies das Obergericht (2. Zivilabteilung) die Appellation ab.
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D.- Gegen diesen Entscheid haben die Kläger sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Mit der Berufung stellen sie den Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Beklagte sei zu verpflichten, ihnen Fr. 144'520.-- nebst 5% Zins seit 13. Juli 1975 zu bezahlen; eventuell sei die Sache zu allfälliger Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung. Das Obergericht hat auf Bemerkungen zur Berufung verzichtet.
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E.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen worden, soweit darauf einzutreten war.
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Aus den Erwägungen: | |
1. In der Berufungsschrift wird vorab geltend gemacht, die ![]() | 11 |
In BGE 103 II 238 f. E. 5 hat es das Bundesgericht in einem vergleichbaren Fall abgelehnt, eine Gesetzeslücke anzunehmen, die auf dem Wege der Rechtsprechung ausgefüllt werden könnte. Es handelte sich um eine Baute auf einem Grundstück der Eidgenossenschaft, das zum Verwaltungsvermögen gehörte und auf dem deshalb kein Bauhandwerkerpfandrecht eingetragen werden konnte (PTT-Anlage auf dem Chasseral, die unter anderem verschiedenen Zwecken der Telephonie und des Fernsehens dient und deren Ausführung einem später zahlungsunfähig gewordenen Generalunternehmer übertragen worden war). Das Bundesgericht führte aus, dass die mit der Klage geforderte subsidiäre Haftpflicht des Staates für die ungedeckte Werklohnforderung sich aus dem öffentlichen Recht ableiten lassen müsste, dass das öffentliche Recht des Bundes jedoch keine Grundlage dafür biete und dass eine solche Haftung auch nicht in das System des schweizerischen Zivilrechts passen würde; letzteres kenne eine ausservertragliche Haftung grundsätzlich nur für widerrechtliche Schädigungen und ungerechtfertigte Bereicherungen. Da es sich im vorliegenden Fall um ein Bauwerk auf einem Grundstück handelt, das zum Verwaltungsvermögen einer Gemeinde gehört, müsste sich die Grundlage für die Haftung der Beklagten eigentlich aus dem kantonalen öffentlichen Recht ergeben. In der Berufung wird nicht geltend gemacht, dass das aargauische Recht eine entsprechende Regelung enthalte. Das Bundesgericht wäre im übrigen auch nicht in der Lage, im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Anwendung kantonalen Rechts zu überprüfen.
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Auf die in BGE 103 II 238 f. vertretene Auffassung zurückzukommen und durch Annahme einer Gesetzeslücke im ![]() | 13 |
2. In zweiter Linie wird geltend gemacht, die Pflicht der Beklagten zur Bezahlung des Restguthabens der Kläger ergebe sich aus der Verletzung von sogenannten Schutzpflichten, die auf Grund von Art. 2 ZGB auch ohne direkte Vertragsbeziehungen ![]() | 14 |
a) Die Berufung geht davon aus, dass zwischen der Beklagten und den Klägern kein Vertragsverhältnis zustande gekommen sei. Damit steht auch nach Auffassung der Kläger fest, dass die eingeklagte Forderung nicht aus der Verletzung einer von der Beklagten vertraglich übernommenen Pflicht abgeleitet werden kann. Als Rechtsgrundlage für die Forderung kommt daher nur eine Ersatzpflicht aus ausservertraglicher Schädigung in Betracht. Wenn vom dogmatisch schwer einzuordnenden Fall der culpa in contrahendo (vgl. dazu BGE 101 II 268 f. E. 4) zunächst einmal abgesehen wird, könnte sich eine Schadenersatzpflicht der Beklagten somit nur ergeben, wenn die Voraussetzungen des Art. 41 OR erfüllt wären. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung wird schadenersatzpflichtig, wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit ![]() | 15 |
b) Art. 41 Abs. 1 OR kommt hier als Grundlage für eine Schadenersatzpflicht schon deshalb nicht in Frage, weil es an der Voraussetzung der Widerrechtlichkeit des Verhaltens der Beklagten fehlt. Die Beklagte hat nicht gegen eine allgemeine gesetzliche Pflicht verstossen und insbesondere kein absolutes Recht der Kläger wie das Eigentum oder das Persönlichkeitsrecht verletzt, wenn sie beim Abschluss und bei der Abwicklung des Generalunternehmervertrages mit der Horta nicht besser dafür sorgte, dass die Forderungen der Kläger von der Horta auch wirklich bezahlt würden. Als Rechtsnorm, aus der sich eine besondere Schutzpflicht der Beklagten ergeben haben soll, wird in der Berufung einzig Art. 2 ZGB genannt. Der Grundsatz des Handelns nach Treu und Glauben knüpft jedoch, wie sich aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 ZGB ergibt, an bereits bestehende Rechte und Pflichten einer Person an: "Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln." Wo jemand weder nach Vertrag noch nach Gesetz zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist, kann eine solche Pflicht höchstens in eng umgrenzten Ausnahmefällen selbständig aus Art. 2 ZGB abgeleitet werden. Es würde jedenfalls zu weit führen, dem Besteller eines Werks gestützt auf Art. 2 ZGB allgemein die Pflicht auferlegen zu wollen, beim Abschluss und bei der Abwicklung eines Generalunternehmervertrages geeignete Vorkehren dafür zu treffen, dass die vom Generalunternehmer zu bezahlenden Handwerker für ihre Werklohnforderungen auch wirklich befriedigt werden. Eine solche Pflicht könnte höchstens dort in Erwägung gezogen werden, wo mit der Zahlungsunfähigkeit des Generalunternehmers auf Grund konkreter Anhaltspunkte von Anfang an gerechnet werden muss. Davon kann hier indessen keine Rede sein. Auch die Kläger machen nicht geltend, dass die Beklagte Anlass gehabt habe, der Horta bei Abschluss des Generalunternehmervertrages zu misstrauen, oder dass sie von Verdachtsgründen Kenntnis gehabt habe, die sie den Klägern in einer gegen Treu und Glauben verstossenden Weise verschwiegen habe. Unter diesen Umständen war es aber allein Sache der Kläger, sich der Horta gegenüber Sicherheiten auszubedingen, um sich vor Verlusten zu schützen. Die von jedem Vertragsschliessenden ![]() | 16 |
Auch was den Vorwurf der Kläger betrifft, sie hätten sich auf den Anschein verlassen, dass die Verwendung der Zahlungen der Beklagten an die Horta zur Befriedigung der Bauhandwerker durch den Generalunternehmervertrag gesichert sei, fehlt es am Nachweis eines gegen Art. 2 ZGB verstossenden Verhaltens der zuständigen Organe der Beklagten. Es trifft nicht zu, dass diese durch entsprechende Handlungen oder Unterlassungen in treuwidriger Weise einen solchen Anschein erweckt hätten. Dafür genügt insbesondere nicht, dass im Generalunternehmervertrag ein besonderes Konto der Horta für die Überweisungen der Beklagten und eine Bankbürgschaft zur Sicherung der Verpflichtungen der Horta gegenüber der Beklagten vorgesehen waren. Im übrigen wird nicht geltend gemacht, dass der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Spreitenbach den Klägern nach den ersten Anzeichen der schlechten finanziellen Lage der Horta falsche Angaben über die Sicherung der Bauhandwerkerforderungen gemacht habe. Auf allfällige Beschwichtigungsversuche anderer Leute, die nicht befugt waren, die Beklagte zu vertreten, durften sich die Kläger ohnehin nicht verlassen.
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c) Einen weiteren Anwendungsbereich als Art. 41 Abs. 1 OR weist Abs. 2 dieser Bestimmung insoweit auf, als die Ersatzpflicht bereits durch ein gegen die guten Sitten verstossendes Verhalten ausgelöst wird. Die in der Berufung gegenüber der Beklagten erhobenen Vorwürfe gehen denn auch eher in diese Richtung. Art. 41 Abs. 2 OR erlaubt die Ausdehnung der sich aus Abs. 1 ergebenden Schadenersatzpflicht auf Fälle, wo zwar keine Widerrechtlichkeit vorliegt, das Rechtsgefühl aber dennoch eine Ersatzpflicht verlangt, so z.B. bei der Verleitung zum Vertragsbruch unter besonders stossenden Bedingungen, bei der Schädigung durch unterlassene Warnung vor einer Gefahr oder bei der unaufgeforderten Erteilung eines falschen Rates (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, I. Bd., S. 416 f.; DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, S. 76/77). Ob ein Fall wie der vorliegende diese Voraussetzung erfüllen würde, kann offen bleiben, da die Ersatzpflicht nach Art. 41 Abs. 2 OR nur bei absichtlicher Schädigung eintritt. Davon kann aber hier keine Rede sein. Eine Schädigungsabsicht der Beklagten wird denn auch von den Klägern nicht geltend gemacht. Art. 41 Abs. 2 ![]() | 18 |
d) Die Kläger berufen sich ferner auf culpa in contrahendo als Ausgangspunkt für die Bejahung einer besonderen Schutzpflicht der Beklagten ihnen gegenüber. Das Bundesgericht anerkennt in seiner Rechtsprechung grundsätzlich eine gegenseitige Aufklärungspflicht von Parteien, die in Vertragsverhandlungen eintreten (vgl. BGE 105 II 79 f. E. 2a; BGE 102 II 84). Diese sich aus Art. 2 ZGB ergebende Aufklärungspflicht ist aber sachlich nicht unbegrenzt und wurde bisher nur im Verhältnis künftiger Vertragspartner untereinander bejaht. Selbst wenn in Übereinstimmung mit der in der Berufung vertretenen Auffassung angenommen werden wollte, die Beklagte hätte nach Treu und Glauben eine Aufklärungspflicht auch gegenüber den Klägern als Vertragspartnern der Horta gehabt, weil sie mit ihnen direkte Kontakte gehabt habe, liesse sich daraus keine Schadenersatzpflicht der Beklagten herleiten. Die Beklagte hat den Klägern nichts verschwiegen, was diese hätten wissen müssen, selber aber nicht in Erfahrung bringen konnten. Die Kläger hatten auch keinen Grund anzunehmen, dass die Beklagte im Generalunternehmervertrag mit der Horta für eine Sicherung der Werklohnforderungen der Bauhandwerker sorgen werde. Nur wenn von einer solchen Sicherung vorerst die Rede gewesen, im Vertrag mit der Horta dann aber ohne Benachrichtigung der Kläger davon abgesehen worden wäre, könnte sich die Frage einer Schadenersatzpflicht der Beklagten im Sinne einer culpa in contrahendo stellen. Die Kläger bringen jedoch selber nicht vor, dass ihnen von seiten der Beklagten irgendwelche Zusicherungen hinsichtlich der Ausgestaltung des Generalunternehmervertrages mit der Horta, insbesondere in bezug auf die Sicherung ihrer Werklohnforderungen, gemacht worden seien. Unter diesen Umständen kann eine Schadenersatzpflicht der Beklagten im Sinne der Haftung für culpa in contrahendo nicht in Frage kommen. Soweit die Kläger aber nicht nur eine Aufklärungspflicht, sondern eine darüber hinausgehende Schutzpflicht der Beklagten geltend machen, würde die Rechtsprechung zur culpa in contrahendo hiefür ohnehin keine Grundlage bieten.
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