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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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71. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. September 1982 i.S. X. gegen Y. (Berufung) | |
Regeste |
Regelung des Kinderbesuchsrechtes bei der Ehescheidung; Erziehungsbeistandschaft (Art. 156, 308 ZGB). | |
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1. Zur Begründung des Begehrens um Anordnung einer vormundschaftlichen Erziehungsaufsicht im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZGB wird im wesentlichen ausgeführt, die Ausübung des Besuchsrechtes sei mit Schwierigkeiten verbunden, weil die Klägerin die Kinder gegen den Beklagten beeinflusse. Die geforderte Erziehungsaufsicht könne dazu beitragen, eine gesunde Beziehung ![]() | 1 |
Soweit die Schwierigkeiten bei der Ausübung des Besuchsrechtes mit der angeblich negativen Beeinflussung der Kinder durch die Klägerin begründet werden, verkennt der Beklagte, dass das Bundesgericht seinem Entscheid den Sachverhalt zugrunde zu legen hat, der von der letzten kantonalen Instanz festgestellt worden ist. Das angefochtene Urteil enthält nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die Kinder gegen den Vater beeinflusst hätte. Den Feststellungen der Vorinstanz kann lediglich entnommen werden, dass gelegentlich Schwierigkeiten mit dem Besuchsrecht auftauchten. Worin diese bestanden und worauf sie zurückzuführen waren, wird nicht näher dargelegt. Die Vorinstanz hat die Anordnung einer Erziehungsaufsicht mit der Begründung abgelehnt, der Umstand allein, dass sich bei der Ausübung des Besuchsrechtes Schwierigkeiten ergeben könnten, rechtfertige die Anordnung einer Erziehungsaufsicht nicht. Eine Minderheit des Obergerichts hätte den Kindern der Parteien einen Erziehungsbeistand im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZGB beigeben wollen, in der Meinung, dass durch diese Massnahme die Ausübung des Besuchsrechtes, das mit Problemen und Auseinandersetzungen zwischen den Parteien verbunden sei, wirksam gewährleistet wäre.
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In der Berufungsantwort wird nicht bestritten, dass sich bei der Ausübung des Besuchsrechtes Schwierigkeiten ergeben hätten. Es wird anerkannt, dass insbesondere die beiden älteren Söhne eine gewisse Abneigung gegen den Vater an den Tag legten. Diese Erscheinung wird jedoch auf das eigene Verhalten des Beklagten zurückgeführt. Im übrigen wird erklärt, dass sich die Klägerin zur allfälligen Errichtung einer Erziehungsbeistandschaft zwecks Überwachung des Rechts auf persönlichen Verkehr nicht negativ einstellen würde.
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Bei der Erziehungsbeistandschaft im Sinne von Art. 308 ZGB handelt es sich um eine neue Massnahme, die anlässlich der Revision des Kindesrechts eingeführt wurde. Sie geht über die Erziehungsaufsicht, für die heute in Art. 307 Abs. 3 ZGB eine gesetzliche Grundlage besteht, insofern hinaus, als der Erziehungsbeistand nicht bloss eine Aufsicht ausübt, sondern selber eine aktive Rolle zu übernehmen hat. Voraussetzung für ihre Anordnung ist eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls (vgl. BÜHLER/SPÜHLER, N. 177/178 zu Art. 156 ZGB).
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Eine wichtige Befugnis, die dem Erziehungsbeistand übertragen ![]() | 5 |
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nur, dass schon während des Scheidungsprozesses Schwierigkeiten mit dem Besuchsrecht auftraten. Diese Tatsache wird auch in der Berufungsantwort ausdrücklich anerkannt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Sache zur Vervollständigung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen sei, damit nähere Feststellungen über die Art und das Ausmass der erwähnten Schwierigkeiten getroffen würden. Eine solche Rückweisung erscheint jedoch als wenig sinnvoll, da sich die Feststellung der Vorinstanz auf Grund der Akten leicht ergänzen lässt.
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Aus einem Schreiben des Leiters der Beratungsstelle der Pro Infirmis an den Anwalt der Klägerin vom 12. November 1981 ergibt sich, dass sich am 18. Oktober 1981, der zwischen den Parteien als Besuchstag vereinbart worden war, alle drei Kinder weigerten, mit dem Beklagten fortzugehen und den Sonntag mit ihm zu verbringen; ... der älteste Sohn weigere sich überdies schon seit langer Zeit, den Vater zu besuchen, und müsse jedesmal von neuem überzeugt werden, dass er dies mit den beiden Brüdern zusammen tun müsse. Dem obergerichtlichen Protokoll über die Parteibefragung vom 13. November 1981 lässt sich sodann entnehmen, dass der Beklagte nach übereinstimmenden Aussagen beider Parteien das Besuchsrecht im Jahre 1981 bis zu jenem Zeitpunkt erst zweimal hatte ausüben können. Die Klägerin erklärte überdies, sie glaube nicht, dass das Besuchsrecht wieder einmal richtig funktionieren werde. Auf Grund dieser Aktenstellen muss davon ![]() | 7 |
Einer Gutheissung der Berufung in diesem Punkt steht nicht etwa entgegen, dass der Beklagte mit seiner Appellation an die Vorinstanz lediglich die Anordnung einer Erziehungsaufsicht beantragt hatte. Es ist unabhängig von den Parteianträgen von Amtes wegen zu prüfen, welche Kindesschutzmassnahme angezeigt ist. Im vorliegenden Fall ist dies eindeutig eine Erziehungsbeistandschaft, und nicht eine Erziehungsaufsicht. Der vom Beklagten erst vor Bundesgericht entsprechend präzisierte Antrag war daher zulässig...
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