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99. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Dezember 1982 i.S. Y. gegen R. (Berufung) | |
Regeste |
Pflichten des Willensvollstreckers. | |
Sachverhalt | |
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T. teilte dem Willensvollstrecker in der Folge mit, er habe in der Person des U. einen Käufer gefunden, der Fr. 820'000.-- zu zahlen gewillt sei, wobei die Kommission für T. in der Höhe von Fr. 20'000.-- zu Lasten des Nachlasses gehen sollte. Der Willensvollstrecker machte eine Gegenofferte von Fr. 840'000.--, worauf T. schliesslich antwortete, U. sei bereit, Fr. 830'000.-- zu zahlen, abzüglich Fr. 20'000.-- für den neu einzubauenden Öltank. Der Willensvollstrecker willigte ein. Indessen weigerte sich B. Y., den Vertrag zu diesen Bedingungen abzuschliessen. Sie erklärte, die Liegenschaft zum erwähnten tieferen Preis selbst übernehmen zu wollen.
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U. verlangte in der Folge Schadenersatz wegen culpa in contrahendo. Der Rechtsstreit zwischen ihm und B. Y. endete mit einem Vergleich. B. Y. verpflichtete sich dabei, Fr. 30'000.-- zuzüglich Fr. 1'000.-- für Anwaltskosten zu zahlen.
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Mit Eingabe vom 9. Mai 1979 reichte B. Y. beim Amtsgericht gegen R. Klage ein mit dem Rechtsbegehren, der Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 36'300.-- nebst Zins zu 5% seit 9. Mai 1979 zu bezahlen. Unter Berufung auf die Verantwortlichkeit des Beklagten als Willensvollstrecker verlangte sie damit Ersatz des durch den Abschluss des Vergleichs mit U. erlittenen Schadens.
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Das Amtsgericht und das kantonale Obergericht haben die Klage mit Urteilen vom 9. Juli 1981 bzw. vom 25. Mai 1982 abgewiesen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Gemäss Art. 518 Abs. 2 ZGB hat der Willensvollstrecker den Willen des Erblassers zu vertreten und gilt er insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung auszuführen, und zwar nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes. Hat der Erblasser wie hier hinsichtlich der Teilung nichts angeordnet und hat sich der Willensvollstrecker demnach an die gesetzliche Regelung zu halten, muss er namentlich Art. 607 Abs. 2 ZGB beachten, wonach gesetzliche und eingesetzte Erben die Teilung frei vereinbaren können.
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b) Beim Amt des Willensvollstreckers geht es nach dem Gesagten unter anderem darum, die Vermögenswerte des Erblassers auf die einzelnen Erben zu übertragen, wobei möglichst auf die Interessen der Erben Rücksicht zu nehmen ist. Um die Teilungsart festlegen zu können, muss der Willensvollstrecker die Bedürfnisse und Wünsche der einzelnen Erben kennen. Stehen die Bedürfnisse und Wünsche der Erben im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung oder zu den Anordnungen des Erblassers, so hat sie der Willensvollstrecker unbeachtet zu lassen. Gehen die Interessen der einzelnen Erben auseinander und lässt sich keine Einigung ![]() | 11 |
c) Dass der Willensvollstrecker verpflichtet ist, sich nach den Wünschen der Erben zu erkundigen und ihnen bei seinem Vorgehen im Hinblick auf die Teilung grundsätzlich Rechnung zu tragen, wird auch von der Lehre angenommen. PIOTET (Erbrecht, in: Schweiz. Privatrecht, Bd. IV/1, S. 166 f.) führt sogar aus, der Willensvollstrecker scheine selbst dann an einen von sämtlichen Erben abgeschlossenen Teilungsvertrag gebunden zu sein, wenn dieser von Teilungsvorschriften des Erblassers abweiche, sofern er nur nicht rechtswidrig oder unsittlich sei; sicherlich habe der Willensvollstrecker die von sämtlichen Erben gewollte Teilung anzunehmen, wenn es der Wille des Erblassers gewesen sei, das gesetzliche Erbrecht zur Anwendung kommen zu lassen. Tuor bemerkt, dass der Willensvollstrecker sich bei der Teilung den Wünschen der Erben zu fügen habe, soweit diese sich einig seien und sofern ihre Abmachungen nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen oder gegen Anordnungen des Erblassers verstiessen (N. 16 zu Art. 518 ZGB). Sodann hält dieser Autor dafür, dass der Willensvollstrecker, der einen Teilungsplan aufgesetzt habe, den Erben Gelegenheit geben sollte, sich dazu zu äussern (N. 17 zu Art. 518 ZGB). Unter Hinweis auf seine Verantwortlichkeit empfiehlt er dem Willensvollstrecker ganz allgemein, sich in Zweifelsfällen bei wichtigen Handlungen die Zustimmung der Erben einzuholen (N. 20 zu Art. 518 ZGB). Auch ESCHER ist der Ansicht, dass der Willensvollstrecker gut daran tue, sich mit den Erben über die Teilung zu verständigen (N. 17 zu Art. 518 ZGB).
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d) In BGE 97 II 17 E. 3 wurde festgehalten, dass bei der Erbteilung der Willensvollstrecker in allen Punkten, über welche die Erben einig seien, deren Willen zu respektieren habe. Soweit eine Einigung der Erben, um die er sich bemühen soll, nicht zustande komme, habe er unter Vorbehalt des Beschwerderechts der Erben und der gerichtlichen Klage wegen Verletzung materiellen Rechts die Aufgaben zu erfüllen, die beim Fehlen eines Willensvollstreckers der zuständigen Behörde oblägen. Ob der Willensvollstrecker als Vertreter des Erblassers, als Vertreter des Nachlasses, als gesetzlicher Bevollmächtigter oder als Treuhänder zu ![]() | 13 |
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4. Im vorliegenden Fall ist der Beklagte insofern richtig vorgegangen, als er die Erbinnen im Hinblick auf die Erbteilung konsultiert hat. Dem angefochtenen Entscheid lässt sich entnehmen, dass eine Reihe von Sitzungen zwischen ihm und den Anwälten der Erbinnen stattfand und dass vor allem auch über den Verkauf der verschiedenen Liegenschaften verhandelt worden sei, wobei der Beklagte die Meinungen der Vertreter der Erbinnen angehört und deren Zustimmung eingeholt habe. Was die Veräusserung des Hauses in F. im besonderen betrifft, so hat der Beklagte die Zustimmung der Erbinnen eingeholt für einen Verkauf zum ![]() | 15 |
Die Vorinstanz führt aus, Preislimiten seitens der Erben seien regelmässig subjektiv, sie würden dem Wunsch entspringen, möglichst viel zu lösen und hätten oft einen unrealistischen Anstrich. Daraus ableiten zu wollen, der Willensvollstrecker könne an solche Preislimiten nicht gebunden sein, geht indessen nicht an. Das Obergericht übersieht, dass die Erben jederzeit die Zuweisung an einen von ihnen verlangen können, falls sich der gewünschte Kaufpreis nicht verwirklichen lässt.
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Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hatte die Klägerin auch keinen Anlass, sich bei der zuständigen Aufsichtsbehörde gegen das Vorgehen des Beklagten zu beschweren. Sie durfte davon ausgehen, der Beklagte würde ihrer Meinung zum Liegenschaftenverkauf Rechnung tragen. Grund zu einer Beschwerde hätte sie nur dann gehabt, wenn der Beklagte sie hätte wissen lassen, dass er sich über ihren Willen hinwegsetzen werde. Letzteres war dem Schreiben vom 14. November 1975 jedoch nicht zu entnehmen.
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Der Klägerin hätte im übrigen weder ein sofortiger Einspruch beim Beklagten gegen den Verkauf an U. noch eine Beschwerde an die zuständige Aufsichtsbehörde etwas genützt. Als sie vom ![]() | 19 |
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7. Zusammengefasst ergibt sich, dass dem Beklagten eine Verletzung seiner Pflichten als Willensvollstrecker, mithin ein rechtswidriges Verhalten, zur Last zu legen ist. Zu prüfen bleibt jedoch, ob zwischen der Pflichtwidrigkeit des Beklagten und einem von der Klägerin - vor allem auch der Höhe nach - noch nachzuweisenden Schaden ein Kausalzusammenhang bestehe. Der Beklagte wird sodann die Möglichkeit haben darzutun, dass ihn kein Verschulden treffe (vgl. BGE 101 II 53 f. E. 2). Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese zu den erwähnten Punkten die notwendigen Abklärungen treffe und alsdann neu entscheide.
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