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3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. März 1983 i.S. A. (Berufung) | |
Regeste |
Entmündigung wegen Freiheitsstrafe (Art. 371 ZGB). | |
Sachverhalt | |
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Mit Entscheid vom 24. Juni 1982 wies das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt, als vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, einen Rekurs von A. gegen die Anordnung der Vormundschaft ab. Ein dagegen von A. erhobener Rekurs wurde vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 1. Dezember 1982 abgewiesen.
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Mit Berufung ans Bundesgericht verlangt A. die Aufhebung dieses Urteils, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und das Bestellen eines Armenanwalts.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Mit seiner Berufung macht A. geltend, Art. 371 ZGB schreibe entgegen seinem strengeren Wortlaut nicht bei jeder Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr eine Entmündigung vor. Nach dem Sinn dieser Gesetzesbestimmung sei vielmehr bloss von einer widerlegbaren Vermutung der Unfähigkeit des Strafverbüssenden zur Besorgung seiner eigenen Angelegenheiten auszugehen. Ein Gegenbeweis, dass im Einzelfall die besondere, vom Gesetz im Sinne einer Tatsache vermutete Schutzbedürftigkeit nicht vorhanden ![]() | 6 |
2. In der weitgehend übereinstimmenden Lehre wird mit beachtenswerten Gründen die Meinung vertreten, der Strafvollzug ganz allgemein und der heutige Strafvollzug mit verschiedenen Formen des Übergangs in die Freiheit im besonderen sei nicht schon allein hinreichender Nachweis für die Unfähigkeit des Strafverbüssenden, seine Angelegenheiten selber zu besorgen (vgl. die in BGE 104 II 12 aufgeführte Literatur; seither der umfassende Überblick über die Lehre bei SCHNYDER/MURER, Komm. zu Art. 371 ZGB; RIEMER, Grundriss des Vormundschaftsrechts, Bern 1981, S. 52 f.; DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, Bern 1980, S. 50 f.; HAUSHEER in ZBJV 116, 1980, S. 117 f.). Oft seien gar keine besonderen Angelegenheiten zu betreuen oder sie könnten ebensogut von Angehörigen oder von einem Beistand beziehungsweise Beirat erledigt werden. Zudem würden auch der offene Strafvollzug gemäss Art. 37 Ziff. 3 Abs. 2 StGB und die bedingte Entlassung mehr Möglichkeiten belassen, eigene Interessen zu wahren. Nach der bedingten Entlassung sorge die Schutzaufsicht für die finanzielle und persönliche Betreuung. Diese vermöge eine wirksamere Hilfe für eine erfolgversprechende Resozialisierung anzubieten als die Vormundschaft. Während der Strafverbüssung in einer Anstalt sei auch zu beachten, dass die anstaltsinterne Fürsorge beachtliche Fortschritte gemacht habe. Soweit aber schon der Strafvollzug selber und eine entsprechende Nachbetreuung jene Bedürfnisse finanzieller und persönlicher Art abzudecken vermöchten, die der Gesetzgeber mit einer Vormundschaft gemäss Art. 371 ZGB berücksichtigen wollte, gebiete der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, beziehungsweise das Verbot einer missbräuchlichen Rechtsanwendung durch den Staat (SCHNYDER/MURER, N. 37 ff. zu Art. 371 ZGB) und der Grundsatz der verfassungsmässigen Auslegung von Bundesprivatrecht, wonach in die durch die Verfassung geschützte persönliche Freiheit durch das Bundesprivatrecht nur möglichst ![]() | 7 |
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An dieser Rechtsprechung ist grundsätzlich festzuhalten. Immerhin ist es, angesichts der Entwicklungen im modernen Strafvollzug und dessen Resozialisierungszweck, gerechtfertigt, die Anforderungen an den vom Verurteilten zu leistenden Gegenbeweis zu lockern. Art. 371 ZGB ist als eine Schutznorm zu betrachten, die ähnlich wie die Entmündigungsgründe der Art. 369 und 370 ZGB einen Eingriff in die persönliche Freiheit nur dann zu rechtfertigen vermag, wenn ein ernsthaftes Schutzbedürfnis tatsächlich feststeht (MURER, Die Entmündigung wegen Freiheitsstrafe, Diss. Freiburg 1972, S. 98). Sinn und Grund der vormundschaftlichen Massnahme nach Art. 371 ZGB liegen nämlich - wie die Rechtsprechung des Bundesgerichts schon bisher festgehalten hat - eben nicht in der Verurteilung von einer bestimmten Schwere, sondern in der mit Freiheitsentzug verbundenen Behinderung des Inhaftierten in der Wahrung seiner Interessen (BGE 104 II 12, BGE 75 II 29, BGE 62 II 69).
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4. a) Die Vorinstanz führte daher zu Recht aus, es sei im vorliegenden Fall zu prüfen, ob A. den Nachweis erbracht habe, dass er keiner persönlichen Fürsorge und Hilfe bei der Wahrung seiner Interessen bedürfe. Sie verneinte diese Frage. Aus dem Strafurteil vom 23. Juni 1981 gehe zwar hervor, dass A. kühl und berechnend seine Vorteile wahrnehme, sich dabei aber um die Schranken der Rechtsordnung nicht kümmere. Er habe zudem nie den Anschein erweckt, er wolle nun ein für allemal unter seine kriminelle Vergangenheit einen Schlussstrich ziehen. Vielmehr fühle er sich in seiner Rolle als Rechtsbrecher wohl. Das lasse auf einen wenig gefestigten Charakter schliessen. Auch die Leitung der ![]() | 10 |
b) Keine dieser Überlegungen der Vorinstanz steht indessen in einem unmittelbaren Bezug zur gesetzgeberischen Absicht in Art. 371 ZGB, dem Strafverbüssenden Hilfe anzubieten, derer er wegen des Freiheitsentzuges bedarf. Mit der Vormundschaft soll vielmehr eine Charakterschwäche überwunden werden, die eine nach den bisherigen Erfahrungen besonders ausgeprägte Rückfallgefahr darstellt. Zudem geht es auch darum, den finanziellen Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit dem bisherigen kriminellen Verhalten entstanden sind, zu begegnen. Was die letzteren betrifft, äussert sich die Vorinstanz nicht dazu, inwieweit diese Hilfe nicht auch durch eine weniger einschneidende Massnahme als die Entmündigung - etwa durch die Anstaltsfürsorge oder die Schutzaufsicht im Falle der bedingten Entlassung - gewährleistet werden könnte. Nicht weiter geprüft wurde auch die Möglichkeit einer Beirat- oder Beistandschaft. Ob allenfalls die bei A. festgestellte Charakterschwäche und die damit verbundene Rückfallgefahr zu einer Entmündigung aus einem andern Grund als gestützt auf Art. 371 ZGB führen können, wenn der Schutz des wiederholt Straffälligen vor sich selbst und vor Dritten dies erfordert (BGE 97 II 302, 85 II 457), hat das Bundesgericht nicht weiter zu prüfen.
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c) A. legt seinerseits überzeugend dar, dass er durch sein Bemühen um die Ausbildung zum eidgenössisch diplomierten Verkaufsleiter und vor allem dadurch, dass er aus eigener Anstrengung ![]() | 12 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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