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70. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Oktober 1983 i.S. Raymund Caluori AG gegen Stiftung Dr. M. Blumenthal für den Neubau eines naturhistorischen Museums des Kantons Graubünden in Chur (Berufung) | |
Regeste |
Anfechtung eines Werkvertrages wegen Irrtums. | |
Sachverhalt | |
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Mit Brief vom 14. Dezember 1978 teilte die Firma Caluori den Architekten der Stiftung mit, der Laufmeter-Preis der Handläufe komme doppelt so hoch zu stehen wie offeriert. In ihrer Schlussabrechnung vom 21. April 1979 setzte sie für die Handläufe Fr. 550.--/m ein statt der offerierten Fr. 135.-- bis Fr. 206.--/m. Damit ergab sich unter Einbezug der Schlosserarbeiten eine Gesamtforderung von Fr. 179'875.70, wovon die Stiftung jedoch nur Fr. 128'973.30 anerkannte und auch bezahlte.
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Am 13. Juli 1979 erhob die Raymund Caluori AG gegen die Stiftung Klage auf Zahlung eines nachträglich auf Fr. 26'965.65 nebst 5% Zins seit 19. Mai 1979 reduzierten Betrages. Zugleich verkündete die Klägerin der Firma J. Ettinger AG den Streit. Mit Urteil vom 16. Februar 1982 hiess das Bezirksgericht Plessur die Klage für Fr. 26'900.65 gut. Auf Berufung der Beklagten gelangte jedoch das Kantonsgericht von Graubünden am 23. August 1982 zur Abweisung der Klage. Die Litisdenunziatin J. Ettinger AG hatte sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.
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Das Bundesgericht weist die von der Klägerin gegen das Urteil des Kantonsgerichts erhobene Berufung ab.
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Mit der Berufung wird nicht dargelegt, welches die Rechtsfolgen der behaupteten teilweisen Unverbindlichkeit des Vertrages wären und warum sich daraus die eingeklagte Forderung ergeben sollte. Während die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren von Schadenersatz sprach, nahm das Bezirksgericht an, die Beklagte habe durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie sich verpflichte, für die Mehrkosten aus der nachträglichen Vergebung des Auftrags an die Lignoform Sperrholz AG aufzukommen. Wie abzurechnen wäre, wenn eine Teilunverbindlichkeit infolge Irrtums gegeben wäre, kann jedoch offen bleiben, falls das Werkvertragsrecht seinerseits Vorschriften enthält, welche unter den gegebenen Umständen der allgemeineren Regel von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR vorgehen.
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b) Gemäss Art. 373 Abs. 2 OR kann der Richter nach seinem Ermessen eine Erhöhung des fest vereinbarten Preises oder die Auflösung des Vertrages bewilligen, falls ausserordentliche Umstände, die nicht vorausgesehen werden konnten oder nach den von beiden Parteien angenommenen Voraussetzungen ausgeschlossen waren, die Fertigstellung hindern oder übermässig erschweren. In den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen nicht nur nachträglich eintretende, sondern auch bereits bestehende ausserordentliche Umstände, wie etwa die ungünstige Beschaffenheit des Baugrundes (BGE 104 II 316; GAUCH, Der Unternehmer im Werkvertrag, 2. Aufl., Nr. 174). Es verhält sich nicht grundsätzlich anders, wenn der Unternehmer bei seiner Preisfestsetzung in anderer Hinsicht von Voraussetzungen ausgegangen ist, die sich nachträglich als falsch erweisen. Angesichts der Sonderbestimmung des Werkvertragsrechts braucht deshalb vorliegend nicht auf Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR zurückgegriffen zu werden. Dem entspricht auch die Ordnung im Fall von unverhältnismässiger Preisüberschreitung bei ungefährer Preisabrede, wo der Besteller ![]() | 7 |
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a) Das Kantonsgericht nimmt gestützt auf bestimmte Zeugenaussagen an, dass sich der Begriff "halbkreisförmig gerundet" im Offertformular ausschliesslich auf das Querprofil der Handläufe beziehe, doch hält es fest, dass die Bezeichnungen "Betonwand halbkreisförmig" bzw. "halbkreisförmig" auf eine Wendeltreppe schliessen liessen. Das sei auch im Plan NM 87 zum Ausdruck gekommen, auf den die Offertunterlagen verwiesen hatten. Die Photos über den Baufortschritt zeigten sodann, dass schon ein Halbjahr vor der Ausschreibung der Schlosserarbeiten die Wendeltreppenkonstruktion am Bau deutlich sichtbar gewesen sei. Nachdem die Schlosserarbeiten Metallgeländer für die Wendeltreppe mitumfassten, hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass nur gewundene Handläufe dazu passten. Aufgrund der Submissionsbedingungen hätte die Klägerin sich über die Situation auf dem Baugelände orientieren und zudem die zur Verfügung stehenden Pläne konsultieren müssen; dann hätte sie den Arbeitsbeschrieb nicht falsch verstehen können, sondern erkennen müssen, dass eine Wendeltreppe vorgesehen war.
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b) Die Klägerin anerkennt, dass sie sich ein Fehlverhalten ihrer Unterakkordantin J. Ettinger AG anrechnen lassen muss. Dieser Einsicht widersprechen freilich verschiedene Ausführungen der Berufung. Zu beurteilen ist nicht die Beziehung der Klägerin zur Firma Ettinger und damit auch nicht, ob diese von jener ausreichend informiert worden ist. Indem die Klägerin selbst den Auftrag einschliesslich Schreinerarbeiten übernahm, um diese weiterzuvergeben, hatte sie dafür einzustehen, dass den Obliegenheiten der Ausschreibung nachgelebt wurde, sei es durch sie selbst oder die Unterakkordantin. Es hilft ihr daher weder, dass ein Einschluss von Schreinerarbeiten in die Schlosserofferte ungewöhnlich, noch ![]() | 10 |
c) Das Kantonsgericht stellt unwidersprochen und zutreffend fest, dass nach den Vertragsbestandteil gewordenen Artikeln 7 und 16 der SIA-Norm 118 (Ausgabe 1977) der Unternehmer sich nach den Plänen und der örtlichen Situation Klarheit über den Inhalt des Auftrags zu verschaffen hatte. Die Klägerin meint zu Unrecht, aufgrund der Rangfolge in Art. 7 Abs. 3 SIA-Norm 118 erübrige es sich, neben dem Offertformular auf weitere Unterlagen zurückzugreifen; diese Stufenfolge gilt nur für den Fall von Widersprüchen und macht keinesfalls eine gehörige Information entbehrlich. Die Klägerin bestreitet allerdings, dass aus den im Arbeitsbeschrieb zitierten Plänen die Ausführung als Wendeltreppe ersichtlich gewesen sei. Dagegen räumt sie ein, dass der Zustand des Rohbaus zur Zeit der massgebenden Ausschreibung längst die Konstruktion einer Wendeltreppe erkennen liess. Selbst wenn die übrigen Unterlagen unklar gewesen sein sollten, hätte daher die Besichtigung des Bauwerks jedes Missverständnis ausgeschlossen; eines Begehrens der Bauleitung bedurfte es dafür nicht.
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