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80. Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. November 1983 i.S. X. (Berufung) | |
Regeste |
Adoption eines Unmündigen; Absehen von der Zustimmung eines Elternteils (Art. 265c Ziff. 2 ZGB). | |
Sachverhalt | |
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In den Jahren 1978/79 kam es zwischen A. X. und der Adoptionsvermittlungsstelle zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, wobei sich ergab, dass keine rechtsgültige Erklärung von A. X. zur Freigabe des Kindes zur Adoption vorgelegen hatte. Schon im Jahre 1978 hatte die Adoptionsvermittlungsstelle die Pflegeeltern durch einen Anwalt ersuchen lassen, den Knaben seiner Mutter zurückzugeben. Mit der gleichen Bitte hatte sich auch A. X. persönlich an die Pflegeeltern gewandt, nachdem sie vom Aufenthaltsort ihres Sohnes Kenntnis erhalten hatte. Die Eheleute Y. waren jedoch mit einer Herausgabe des Kindes nicht einverstanden.
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Ende 1978 liess die zuständige Vormundschaftsbehörde A. X. wissen, dass sie dem Begehren um persönlichen Kontakt mit dem Sohn nicht entsprechen könne. Mit Beschluss vom 19. Oktober ![]() | 3 |
Am 29. August 1980 hatte die Vormundschaftsbehörde gestützt auf Art. 310 Abs. 3 ZGB ausserdem beschlossen, dass B. ohne ihre Einwilligung von seinem heutigen Pflegeplatz nicht weggenommen werden dürfe.
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Im September 1981 erneuerten die Eheleute Y. das Adoptionsgesuch, das sie im November 1978 bei der Vormundschaftsbehörde eingereicht hatten. Am 28. Januar 1982 stellte diese bei der unteren Aufsichtsbehörde den Antrag, es sei gestützt auf Art. 265c Ziff. 2 ZGB von der Zustimmung der Mutter zur Adoption von B. abzusehen. Diesem Antrag wurde mit Beschluss vom 8. April 1982 entsprochen. Eine von A. X. hiegegen erhobene Beschwerde wies die obere Aufsichtsbehörde am 27. Dezember 1982 ab.
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Deren Entscheid hat A. X. mit Berufung an das Bundesgericht weitergezogen.
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In Gutheissung der Berufung hebt das Bundesgericht den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde auf, und zwar aus folgenden
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Erwägungen: | |
1. Die Adoption eines Kindes bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Vaters und der Mutter (Art. 265a Abs. 1 ZGB). Von der Zustimmung eines Elternteils kann gemäss Art. 265c Ziff. 2 ZGB ![]() | 8 |
Wie sodann aus der Botschaft des Bundesrates vom 12. Mai 1971 zur Änderung des Adoptionsrechtes (BBl 1971 I S. 1228) hervorgeht, sollte es nicht darauf ankommen, ob die leiblichen ![]() | 9 |
In dieser absoluten Form vermag diese Betrachtungsweise den konkreten Verhältnissen nicht immer gerecht zu werden. Es ist nicht das gleiche, ob eine lebendige Beziehung zum Kind aus Gründen nicht vorhanden ist, die in den persönlichen Verhältnissen des betreffenden Elternteils zu finden sind, oder ob die Ursache in äusseren Umständen liegt. Soweit im ersten Fall dem Elternteil fehlende Anteilnahme anzulasten ist, da der Aufbau einer echten Beziehung zum Kind seinem Willen zugänglich gewesen wäre, führt eine rein objektive Betrachtungsweise bei der Auslegung von Art. 265c Ziff. 2 ZGB (ausschliessliches Abstellen auf das Fehlen einer solchen Beziehung) gewiss nicht zu unhaltbaren Ergebnissen. Anders verhält es sich jedoch dort, wo der Elternteil sich ernsthaft um eine lebendige Eltern-Kind-Beziehung bemüht hat, das angestrebte Ziel jedoch wegen äusserer Umstände - für die er nicht verantwortlich ist - nicht erreichen konnte. In einem solchen Fall die Bemühungen des Elternteils vollkommen ausser acht zu lassen, wird dem Gedanken nicht gerecht, dass es bei Art. 265c Ziff. 2 ZGB darum geht, einem allenfalls objektiv als missbräuchlich zu wertenden Verhalten des einer Adoption nicht zustimmenden Elternteils zu begegnen. Ebenso wird dem Umstand zuwenig Rechnung getragen, dass die erwähnte Bestimmung lediglich eine Ausnahme des Grundsatzes vorsieht, wonach die Adoption eines Kindes der Zustimmung des Vaters und der Mutter bedarf (Art. 265a Abs. 1 ZGB). Das Bundesgericht hat in BGE 108 II 525 E. 3a die Auslegung von Art. 265c Ziff. 2 ZGB denn auch präzisiert und festgehalten, das rein objektive Kriterium des Kindesinteresses, das ausschliesslich das Ergebnis, nicht aber das persönliche - unter Umständen von jedem Schuldvorwurf freie - Verhalten des betreffenden Elternteils in Betracht ziehe, könne nicht ohne weiteres in jedem Fall massgebend sein; vielmehr seien die konkreten Umstände des einzelnen Falles eingehend abzuklären. Daran ist festzuhalten. Wollte man ohne Rücksicht auf die Bemühungen des betroffenen Elternteils um ein lebendiges Verhältnis zum Kind ![]() | 10 |
2. Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid und im Beschluss der unteren Aufsichtsbehörde vom 8. April 1982, auf den die Vorinstanz verweist, hat B. die Berufungsklägerin seit dem Zeitpunkt, da er - kurz nach der Geburt - von ihr weggegeben wurde, nicht mehr gesehen. Aus sprachlichen Gründen ist jegliche Kommunikation zwischen den beiden unmöglich gewesen. Von einer lebendigen Mutter-Kind-Beziehung kann somit seit Jahren keine Rede mehr sein. Wie auch die Vorinstanz einräumt, trifft die Berufungsklägerin daran jedoch keinerlei Verschulden. Diese hat unablässig und mit allen möglichen Mitteln, so unter anderem auch auf dem Wege gerichtlicher Verfahren, die Rückgabe ihres Sohnes zu erwirken versucht. Daneben war sie aber auch um den Aufbau einer lebendigen Mutter-Kind-Beziehung bemüht. Dafür, dass eine solche von vornherein hätte zum Scheitern verurteilt sein müssen, bestehen keine Anhaltspunkte. In Anbetracht ihrer sehr intensiven Bemühungen kann nicht gesagt werden, die Berufungsklägerin ![]() | 11 |
3. Das Bemühen der Berufungsklägerin um den Aufbau einer Beziehung zu ihrem Sohn erscheint auch aus der Sicht der heutigen Sachlage nicht als von vornherein aussichtslos. Wohl lebt die Berufungsklägerin in einem anderen Sprach- und Kulturkreis als ihr Kind und stehen ihr nicht alle wünschbaren Möglichkeiten offen, die verhältnismässig grosse Entfernung leichthin zu überwinden. Trotzdem brauchen gelegentliche Kontakte nicht als von vornherein ausgeschlossen betrachtet zu werden.
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