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9. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. März 1984 i.S. H. Sturzenegger & Cie. gegen Kanton Basel-Landschaft (zivilrechtliche Klage) | |
Regeste |
Haftung aus Führung des Grundbuchs (Art. 955 Abs. 1 ZGB). | |
Sachverhalt | |
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"Als Inhaber rubr. Schuldbriefes erklären wir uns bereit, hinter eine Baukredit-Hypothek von max. 2'500'000.- in den 2. Rang mit Nachrückungsrecht zurückzutreten."
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Im Auftrag von Louis Cron errichtete das Grundbuchamt Arlesheim am 19. Oktober 1972 einen Inhaberschuldbrief im ersten Rang im Betrag von Fr. 2'500'000.-, lastend auf der Parzelle 985. Gleichzeitig trug es auf dem der H. Sturzenegger & Cie. als Sicherheit dienenden Inhaberschuldbrief über Fr. 1'000'000.- folgende Änderung ein:
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"Zufolge Rücktrittserklärung steht der gegenwärtige Inhaberschuldbrief nunmehr im zweiten Rang, in bezug auf Parz. 985. Im ersten Range geht neu vor: Beleg 4777, Inhaberschuldbrief per Fr. 2'500'000.-, iW: Zwei Millionen fünfhunderttausend Franken, mit Pfandrecht für Zinsen bis 7%, vom 19. Oktober 1972."
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Der neue Inhaberschuldbrief über Fr. 2'500'000.- wurde der Schweizerischen Kreditanstalt ausgehändigt, welche den Restkaufpreis der Liegenschaft zu finanzieren hatte. Die H. Sturzenegger & Cie. erhielt den Inhaberschuldbrief mit der erwähnten Änderung zurück.
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B.- Am 6. April 1976 wurde der Louis Cron AG eine Nachlassstundung gewährt. Am 24. November 1976 bestätigte das Zivilgericht Basel-Stadt den von der Schuldnerin vorgeschlagenen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, dem die H. Sturzenegger & Cie. zugestimmt hatte. Unter anderem waren danach die Forderungen der Gläubiger nur bis zum 6. April 1976 zu verzinsen. Im Nachlassverfahren meldete die H. Sturzenegger & Cie. eine pfandgesicherte Darlehensforderung (inklusive Zins zu 8% bis 6. April 1976) von Fr. 976'096.- an. Die Pfandparzelle 985 wurde am 25. Juni 1980 mit Zustimmung der Pfandgläubiger freihändig verkauft. Der Erlös deckte nicht einmal die Forderung der Schweizerischen ![]() | 6 |
C.- Mit Eingabe vom 13. Mai 1984 erhob die H. Sturzenegger & Cie. beim Bundesgericht gegen den Kanton Basel-Landschaft Klage, mit folgendem Rechtsbegehren:
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"Es sei der Beklagte zur Zahlung von Fr. 976'096.- nebst Zins zu 8% seit dem 7. April 1976 sowie zu den Kosten der Zahlungsbefehle 8525, 17573, 25201, 33985, 1335 und 10015 von insgesamt Fr. 960.- an die Klägerin zu verurteilen."
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Der Beklagte beantragte in der Klageantwort die Abweisung der Klage.
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Auf die Vorbereitungsverhandlung haben die Parteien verzichtet.
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Das Bundesgericht weist die Klage ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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4. Art. 955 Abs. 1 ZGB macht die Kantone für allen Schaden verantwortlich, der aus der Führung des Grundbuchs entsteht. Die Haftung des Staates ist kausal und setzt ein Verschulden der Grundbuchorgane nicht voraus. Dagegen muss die Führung des Grundbuchs rechtswidrig gewesen sein, d.h. die anwendbaren gesetzlichen oder reglementarischen, bundesrechtlichen oder kantonalen Bestimmungen verletzt haben. Zwischen dem rechtswidrigen Vorgehen der Grundbuchorgane und dem eingetretenen Schaden muss ferner ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Im übrigen sind mit Bezug auf den Umfang der Ersatzpflicht Art. 43 und Art. 44 OR und hinsichtlich der Verjährung Art. 60 OR entsprechend anwendbar (vgl. DESCHENAUX, in: Traité ![]() | 15 |
a) Die Klägerin erblickt die Widerrechtlichkeit des Vorgehens des Bezirksschreibers darin, dass dieser entgegen den Bedingungen ihrer Rücktrittserklärung im ersten Rang statt eine Baukredithypothek einen Inhaberschuldbrief mit Zinssicherung bis 7% eingetragen habe.
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Die Eintragung eines neuen vertraglichen Pfandrechts darf die Rechtsstellung der schon eingetragenen Pfandgläubiger nicht beeinträchtigen. Eine Änderung der Rangordnung, die erst durch die Eintragung dinglich wirkt und auf den Titeln der den Rang wechselnden Pfandrechte erscheinen muss (LEEMANN, N. 72 zu Art. 813/814 ZGB), bedarf der schriftlichen Nachgangserklärung (Rücktritt im Pfandrechtsrang) der betroffenen Pfandgläubiger. Fehlt eine solche Erklärung und wird das neue Pfandrecht dennoch im vorgehenden Rang eingetragen, so begründet dies grundsätzlich die Verantwortlichkeit des Kantons. Die "Führung des Grundbuchs" im Sinne von Art. 955 Abs. 1 ZGB umfasst die gesamte Tätigkeit des Grundbuchführers in dieser Eigenschaft, also nicht nur die Buchungen in den Haupt- und Hilfsregistern, sondern insbesondere auch die Tätigkeit in Verbindung mit der Ausstellung und Löschung von Pfandtiteln (BGE 57 II 569 ff., BGE 53 II 372, BGE 51 II 389; DESCHENAUX, a.a.O. S. 186 ff.; HOMBERGER, N. 3 zu Art. 955 ZGB).
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b) Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls insoweit an einer gültigen Rangrücktrittserklärung, als der Grundbuchführer im ersten Rang statt eine Maximalhypothek über Fr. 2'500'000.- eine Kapitalhypothek im gleichen Betrag "mit Pfandrecht für Zinsen bis 7%" eintrug. Die Erstreckung der Pfandhaft auf die Zinsen war aber für den von der Klägerin erlittenen Schaden nicht kausal, da die Inhaberin des Schuldbriefs nicht einmal bis zum Betrag ihrer Kapitalforderung von Fr. 2'500'000.- gedeckt worden ist.
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c) Was die Eintragung eines Inhaberschuldbriefs anstelle einer Baukredithypothek anbetrifft, kann man sich fragen, ob der Rangrücktritt überhaupt von der Bedingung abhängig gemacht werden kann, dass im vorgehenden Rang eine ganz bestimmte Grundpfandart (nämlich eine Grundpfandverschreibung) errichtet wird und dass das gewährte Darlehen zu einem ganz bestimmten Zweck (der Finanzierung einer Baute) verwendet wird. Nach Art. 813 Abs. 2 ZGB kann an sich als Vorgang bei der Eintragung eines Pfandrechts nur "ein bestimmter Betrag" vorbehalten werden.
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d) Eine Verantwortlichkeit aus Art. 955 Abs. 1 ZGB fällt nämlich zum vornherein ausser Betracht, wenn der Geschädigte die ihm zumutbaren Massnahmen nicht ergriffen hat, welche die Entstehung des durch die rechtswidrige Handlung der Grundbuchorgane bewirkten Schadens verhindert hätten. So ist beispielsweise Beschwerde im Sinne von Art. 103 GBV zu führen, wenn eine Anmeldung angeblich zu Unrecht abgewiesen worden ist. Erweist sich dagegen eine Eintragung oder eine Löschung als ungerechtfertigt, hat derjenige, der "dadurch in seinen dinglichen Rechten verletzt ist", gemäss Art. 975 ZGB auf Berichtigung des Grundbuchs zu klagen. Er kann nicht statt dessen einer Verantwortlichkeitsklage gegen den Staat den Vorzug geben (DESCHENAUX, a.a.O. S. 196; HOMBERGER, N. 10 zu Art. 955 ZGB).
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Die Klägerin ist nach eigenen Angaben im Bank- und Finanzsektor tätig. Mit Recht weist der Beklagte darauf hin, dass das Hypothekargeschäft zum festen Bestandteil jeder Kreditabteilung einer Bank gehört. Es wäre den Sachbearbeitern der Klägerin durchaus zuzumuten gewesen, nach Rückerstattung des Schuldbriefs durch das Grundbuchamt die angebrachte Änderung auf ihre Übereinstimmung mit den erteilten Weisungen und den getroffenen Abmachungen zu prüfen. Dabei hätten sie ohne Schwierigkeiten den Widerspruch zu den Weisungen und die Verschlechterung der Rechtsstellung der Klägerin erkennen können (zur Sorgfaltspflicht einer Kleinbank vgl. auch BGE 53 II 374 ff. E. 2). Zwar stand der Klägerin gegen das Vorgehen des Bezirksschreibers der Beschwerdeweg nicht offen. Dieser ist nur im Anmeldungsbereich gegeben, wenn das Gesuch um Eintragung, Vormerkung, Änderung oder Löschung abgewiesen (Art. 103 GBV) oder wenn beispielsweise eine Anmeldung nicht entgegengenommen oder ein Gläubiger in das Verzeichnis nicht aufgenommen wird (Art. 104 GBV). Gegen eine einmal vorgenommene Buchung steht ![]() | 22 |
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