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27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Mai 1984 i.S. B. gegen S. (Berufung) | |
Regeste |
Anfechtung einer Schuldanerkennung wegen Drohung (Art. 29 und 30 OR). |
2. Art. 30 Abs. 2 OR, Drohung mit einem Prozess (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Am 1. Juni 1982 erhob S. beim Bezirksgericht des Greyerzerlandes ![]() | 2 |
Der Beklagte hat dieses Urteil mit Berufung und staatsrechtlicher Beschwerde angefochten. Mit der vorliegenden Berufung beantragt er, es aufzuheben und den Kläger zur Zahlung von Fr. 40'000.- nebst 5% Zins seit 16. August 1982 zu verpflichten, eventuell die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Nach dem angefochtenen Urteil scheiden von vornherein gewisse Tatsachen aus, welche das Bezirksgericht noch für erheblich hielt: einerseits die Feststellungen zur Frage, ob der Beklagte zum Querulanten geworden sei; anderseits der Umstand, dass der Beklagte die Haustüre abschloss, nachdem er den Kläger ins Haus eintreten liess; schliesslich auch eine Beeinflussung des Klägers durch Selbstmorddrohung des Beklagten.
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c) Alle diese Feststellungen des angefochtenen Urteils und die entsprechenden Vorbringen des Klägers lassen weder eine Bedrohung erkennen noch darauf schliessen, dass die Schuldanerkennung aus begründeter Furcht unterschrieben wurde. Gleichwohl kommt die Vorinstanz zum Schluss, der Kläger habe nach den Umständen damit rechnen müssen, dass es der Beklagte entweder auf sein Leben, d.h. seine körperliche Integrität, oder mindestens auf eine Beeinträchtigung seiner persönlichen Freiheit abgesehen hatte. Sie stützt diesen Schluss auf die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe ihm gesagt, er werde das Haus nicht verlassen, bevor er die Schuldanerkennung unterzeichnet habe, sonst werde er diese nie mehr unterschreiben, und sie hält diese Äusserung trotz Bestreitung durch den Beklagten und dessen Ehefrau unter Verweisung auf das erstinstanzliche Urteil für bewiesen. Das Kantonsgericht fügt bei, der Eindruck der Bedrohung dürfte dadurch verstärkt worden sein, dass sich der Kläger an eine frühere Äusserung des Beklagten erinnert haben wolle, er habe beabsichtigt, mit ![]() | 8 |
Als drohendes Verhalten des Beklagten stellt die Vorinstanz damit ausschliesslich die Äusserung fest, dass der Kläger vor der Unterzeichnung der Schuldanerkennung das Haus nicht verlassen werde. Dabei rügt der Beklagte in diesem Zusammenhang zu Recht ein offensichtliches Versehen der Vorinstanz; nach dem massgebenden Protokoll drohte der Beklagte nämlich nicht, "er" (der Kläger) werde sonst nie mehr unterschreiben, sondern erklärte lediglich "sinon celle-ci ne serait jamais signée"; das aber brauchte nicht eine drohende Bedeutung zu haben. Sodann beruht der Schluss der Vorinstanz auf einer Erinnerung des Klägers an eine frühere Drohung des Beklagten zu Lasten seines Arztes, doch fehlt es dazu an jeder positiven Feststellung der Vorinstanz. Was die der Unterzeichnung nachfolgende Reaktion des Klägers gegenüber Drittpersonen betrifft, hält das Kantonsgericht nur die Verzweiflung fest, die aber auf die Entdeckung seines "angeblichen Irrtums" zurückgeführt werden könnte. Was schliesslich den Verzicht auf den angebotenen Imbiss anbelangt, weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Kläger im Strafverfahren erklärt hat: "J'étais aussi pressé d'aller fourrager."
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d) Die widersprüchlichen Annahmen der Vorinstanz machen eine Rechtsanwendung unmöglich. Sie erlauben von vornherein nicht, das angefochtene Urteil zu bestätigen, weil sie nicht belegen, dass begründete Furcht und nicht andere Überlegungen (Mitleid mit dem Beklagten, Vermeidung eines Prozesses und entsprechender Risiken) den Kläger zur Unterzeichnung der Schuldanerkennung veranlasst haben. Anderseits rechtfertigt sich eine Abweisung der Klage nicht, solange das Kantonsgericht in tatsächlicher Hinsicht derart vage formuliert hat. Die Sache ist daher zur Vervollständigung des Sachverhaltes und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Da das Kantonsgericht mit seiner Urteilsbegründung gegen die Pflicht verstossen hat, das Ergebnis der Beweisführung festzustellen (Art. 51 lit. c OG), kommt das Verfahren nach Art. 52 OG zur Anwendung.
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4. Eine Rückweisung erübrigte sich, wenn die Anfechtung der Schuldanerkennung schon daran scheitern würde, dass der ![]() | 11 |
Der Beklagte behauptet ein offensichtliches Versehen, weil er auch nach der Darstellung des Klägers nie behauptet habe, Fr. 100'000.- fordern zu können. Es ist richtig, dass nur die Äusserung erstellt ist, bei Nichtunterzeichnung würde es mehr als Fr. 40'000.- kosten; der Unterschied und damit das Versehen ist aber ohne Bedeutung.
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Der Beklagte rügt auch eine Verletzung von Art. 8 ZGB, weil er nicht zum Beweis zugelassen worden sei, dass sein ungedeckter Schaden mindestens Fr. 100'000.- bzw. Fr. 40'000.- betragen habe. Diese Rüge ist begründet. Die Vorinstanz kann nicht mit blossen Vermutungen und ohne Abnahme von Beweisen das Gegenteil als gegeben betrachten. Der Frage kommt indes nach Art. 30 Abs. 2 OR nur dann Bedeutung zu, wenn angenommen wird, der Kläger sei nicht ernsthaft an Leib und Leben oder in seiner Freiheit bedroht, sondern nur in finanzieller Hinsicht mit Hinweis auf einen allfälligen Prozess und seine schweren finanziellen Folgen unter Druck gesetzt worden. Ergibt sich nur diese Anfechtungsgrundlage, so wird auf das Beweisthema einzutreten sein. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass sich die Parteien in einer Vergleichssituation befanden, wie der Beklagte zu Recht bemerkt. Denn es geht nicht nur darum, wieviel der Beklagte objektiv gesehen im Prozessfall noch zusätzlich hätte herausholen können, sondern auch um die Vermeidung der mit einem solchen Prozess verbundenen Risiken.
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