BGE 110 II 225 | |||
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46. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. September 1984 i.S. K. gegen K. (Berufung) | |
Regeste |
Befristung der Rentenverpflichtung gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB. | |
Sachverhalt | |
In der Scheidung der Eheleute K. sprach das Bezirksgericht der Ehefrau eine indexierte Rente von Fr. 500.- gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB zu. Die Berufung des beklagten Ehemannes wies das Kantonsgericht Graubünden mit Urteil vom 12. Dezember 1983 ab; die Berufung der Klägerin hingegen hiess das Gericht gut und erhöhte ihren Rentenanspruch im Sinne der zitierten Bestimmung auf Fr. 900.-.
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Der Ehemann focht das Urteil des Kantonsgerichts mit Berufung beim Bundesgericht an und beantragte, er sei lediglich zu einer Unterhaltsleistung von Fr. 500.-, begrenzt auf die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft des bundesgerichtlichen Urteils, zu verpflichten.
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Aus den Erwägungen: | |
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Gestützt auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 98 II 166) ist die Vorinstanz zur Auffassung gelangt, dass sich eine zeitliche Begrenzung der Unterhaltspflicht keinesfalls rechtfertigen lasse. Durch die Scheidung der Ehe, welche immerhin 16 Jahre gedauert habe und welcher der Sohn Marco entsprossen sei, erleide die Klägerin zweifellos eine zeitlich nicht befristete finanzielle Einbusse. Ihre Aussichten auf eine geeignete Arbeit und damit auch auf ein ausreichendes Einkommen würden sich mit zunehmendem Alter verschlechtern; daher würde ihre Existenzgrundlage nach der Scheidung weniger sicher sein als während der Ehe.
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Die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 151 Abs. 1 ZGB fordert für jeden konkreten Fall, dass abgeklärt wird, ob eine geschiedene Frau trotz Kinderbetreuung sich auf längere Sicht eine wirtschaftliche Situation werde schaffen können, welche die durch die Scheidung erlittenen Nachteile auszugleichen vermag. Massgebliche Kriterien zur Beantwortung dieser Frage sind die Dauer der Ehe, die Schwere des Verschuldens des pflichtigen Ehegatten, das Alter und der Gesundheitszustand des anspruchsberechtigten Gatten, seine Ausbildung, seine finanzielle Situation, die allgemeine Wirtschaftslage sowie die dem Gatten wieder offenstehende Möglichkeit, ganz oder teilweise einer Erwerbsarbeit nachzugehen (BGE 109 II 289). Vor allem ist eine Übergangsrente vertretbar, wenn die Ehegatten noch jung und die Kinder nicht mehr klein sind und wenn der anspruchsberechtigte Gatte bereits wieder in das Erwerbsleben eingegliedert ist (BGE 109 II 88 E. 3a, 186 f.).
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Im vorliegenden Fall hat die Ehe der Parteien immerhin 16 Jahre gedauert. Das Verschulden des Ehemannes an der Zerrüttung der Ehe wiegt schwer. Auch erleidet die Berufungsbeklagte durch die Scheidung zweifellos einen materiellen Schaden, da sie den Anspruch auf Unterhalt durch den gut verdienenden Gatten wie auch die Ansprüche, die ihr als Ehefrau gegenüber der Sozialversicherung zugestanden wären, verliert. Auf der anderen Seite steht fest, dass die Klägerin erst wenig über vierzig Jahre alt ist. Die Kinder sind 17- und 19jährig und somit nicht mehr auf die volle Betreuung durch die Mutter angewiesen. Was insbesondere den Beruf der Klägerin anbetrifft, ist sie als Coiffeuse ausgebildet und hat diese Tätigkeit wenigstens zeitweise auch während der Ehe ausgeübt. Um im Geschäft ihres Mannes mitarbeiten zu können, hat sie einen Schreibmaschinenkurs besucht. Sodann geht aus dem Urteil der Vorinstanz hervor, dass die Klägerin jetzt als Verkäuferin im Kaufhaus Vilan arbeitet; sie bezieht dort einen Brutto-Jahreslohn von Fr. 19'200.-.
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Die Berufungsbeklagte hat sich also im Berufsleben bereits wieder zurechtgefunden. Sie kann die Zeit und die Kraft, die sie durch den Wegfall der Haushaltführungs- und weiteren Beistandspflichten gewonnen hat, für berufliche Tätigkeit einsetzen und gelangt so zu einem ausreichenden Erwerbseinkommen. Es rechtfertigt sich deshalb, ihre Unterhaltsberechtigung gegenüber dem von ihr geschiedenen Ehemann zeitlich zu begrenzen. Immerhin lassen sich die - allgemein gehaltenen - Bedenken der Vorinstanz, mit zunehmendem Alter könnten sich die Verdienstmöglichkeiten der Klägerin verschlechtern, und der Einwand der Klägerin, sie hätte beim Fortbestand der Ehe nicht wieder eine ganztägige Berufstätigkeit aufnehmen müssen, nicht ganz von der Hand weisen. Diese Überlegungen rechtfertigen es, die Zeit, während welcher der Berufungskläger nach Massgabe von Art. 151 Abs. 1 ZGB unterhaltspflichtig ist, nicht zu kurz zu bemessen. Eine Befristung auf zehn Jahre erscheint als angemessen.
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