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84. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. März 1984 i.S. Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 84 Abs. 2 ZGB; Stiftungsaufsicht. |
2. Bei Änderungen der Stifterfirma, insbesondere der Ausgliederung und Verselbständigung eines Teils der Unternehmung, dürfen die bisherigen Destinatäre, die von der neuen Firma beschäftigt werden, in ihren Rechten gegenüber einer patronalen Personalfürsorgestiftung nicht geschmälert werden. Keine rechtsungleiche Behandlung ist indessen gegeben, wenn die neuen Arbeitnehmer der ausgegliederten Unternehmung, die an der Stiftung nicht mehr beteiligt ist, nicht zu Destinatären der Stiftung werden (E. 3-5). | |
Sachverhalt | |
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B.- Gestützt auf eine Vereinbarung zwischen der Camille Bauer AG und der Röchling Industrie Verwaltung GmbH vom 18. Dezember 1979 trat die neu gegründete Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG in die Arbeitsverträge der von der bisherigen Arbeitgeberin Camille Bauer AG zur neuen Firma übertretenden Mitarbeiter ein und zwar auf den 31. Dezember 1979/1. Januar 1980. Es handelte sich um insgesamt 56 Mitarbeiter.
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Der Übertritt von Mitarbeitern der Camille Bauer AG in die am 20. Dezember 1979 ins Handelsregister eingetragene Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG führte auch am 31. Oktober 1980 zur Errichtung einer neuen Personalfürsorgestiftung. Diese "Pensionskasse der Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG" vereinbarte am 23. Januar 1981 mit der "Pensionskasse der Camille Bauer AG" eine von der zuständigen kantonalen Stiftungsaufsichtsbehörde genehmigte Übertragung jenes Anteils am Deckungskapital, am freien Stiftungsvermögen und am Guthaben der Sparkassenmitglieder, der auf die 41 von der einen zur andern Pensionskasse wechselnden Destinatäre der bisherigen Pensionskasse der Camille Bauer AG entfiel.
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Nicht geregelt wurde die Stellung der zur Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG übergetretenen Arbeitnehmer als Destinatäre der drei (im Gegensatz zu den Pensionskassen) nicht paritätischen, patronalen Fürsorge- bzw. Wohlfahrtsfonds, nämlich der Camille Bauer-Stiftung, der Wohlfahrtsstiftung der Camille Bauer AG und der Robert Bauer-Stiftung. Diese Frage blieb zwar Gegenstand von Gesprächen zwischen den drei Stiftungen einerseits und der Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG anderseits, an denen sich auch das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt ![]() | 4 |
"1. Es wird festgestellt, dass die per 31. Dezember 1980 (richtig
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1979) von der Camille Bauer AG (heute Elektro Bauer AG) in die Camille
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Bauer Mess- und Regeltechnik AG, Basel, übergetretenen und heute noch
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dort angestellten Mitarbeiter weiterhin Destinatäre der Camille
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Bauer-Stiftung, der Wohlfahrtsstiftung der Camille Bauer
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Aktiengesellschaft und der Robert Bauer-Stiftung sind.
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2. Die Stiftungszwecke der genannten Stiftungen sind an diese
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Gegebenheiten anzupassen. Die Stiftungsorgane werden mit dem Vollzug in
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Zusammenarbeit mit der Elektro Bauer AG beauftragt.
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3. Die drei Stiftungsorgane sind durch je einen Vertreter der in die
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Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG übergetretenen Destinatäre zu
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ergänzen; diese sind von den betreffenden Destinatären aus ihrem Kreis zu
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wählen. Das Justizdepartement hat die neue Zusammensetzung zu genehmigen.
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4. Für die Durchführung dieses Beschlusses wird den
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Stiftungsorganen
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eine Frist von drei Monaten seit seiner Rechtskraft eingeräumt; bei
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Nichteinhaltung dieser Anweisungen wird ihre Abberufung in Aussicht
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gestellt."
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C.- Gegen den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt haben einerseits die Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG sowie H. und E., die von der Camille Bauer AG zur Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG übergetreten sind, beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie stellen die Anträge, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die Gesamtheit der Anteile der zur Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG übergetretenen bisherigen Destinatäre am Stiftungsvermögen der drei patronalen Wohlfahrtsfonds sei diesen Destinatären zuzuweisen; eventualiter seien nebst den damaligen auch die gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitnehmer der Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG und der Elektro Bauer AG in gleicher Weise zu Destinatären der drei Stiftungen zu erklären, wobei die Wahrung der Interessen der Destinatäre den beiden genannten Firmen in gleicher Weise zu übertragen sei.
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Der Beschluss des Regierungsrates ist anderseits auch von der Camille Bauer-Stiftung, der Wohlfahrtsstiftung der Camille Bauer Aktiengesellschaft und der Robert Bauer-Stiftung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten worden. Diese Beschwerdeführer verlangen die Aufhebung des angefochtenen ![]() | 24 |
D.- Die Beschwerdeführer Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG, H. und E. beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der drei Stiftungen. Diese wiederum stellen das Begehren auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der drei erstgenannten Beschwerdeführer.
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Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beantragt die Abweisung der beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden und die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses unter gleichzeitiger Berichtigung des Datums in Ziffer 1 des Beschlusses vom 31. Dezember 1980 in 31. Dezember 1979.
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Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement stellt Antrag auf Abweisung der beiden Beschwerden, soweit auf sie einzutreten sei.
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Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerden ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Erwägungen: | |
1. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt hat seinen Beschluss vom 23. August 1983 gestützt auf Art. 84 Abs. 2 ZGB und § 19 EGzZGB BS von Amtes wegen gefasst. Gemäss Art. 84 Abs. 1 ZGB stehen die Stiftungen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift hat die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinem Zweck gemäss verwendet wird. Rechtsprechung und Lehre stimmen darin überein, dass das Zivilgesetzbuch den Stiftungsaufsichtsbehörden auch die Kontrolle über die Behandlung der Rechtsansprüche der Destinatäre durch die Stiftungsorgane überträgt, sofern kein subjektives Recht eines Destinatärs in Frage ![]() | 29 |
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Gemäss Art. 103 lit. c OG steht zudem jeder Person, Organisation oder Behörde die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen, die nach Bundesrecht dazu ermächtigt ist.
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Das Zivilgesetzbuch regelt das Beschwerderecht gegen Handlungen oder Unterlassungen von Stiftungsorganen nicht ausdrücklich. Rechtsprechung und Lehre haben aber übereinstimmend Art. 84 ff. ZGB in dem Sinne ausgelegt, dass die Legitimation zur Beschwerdeführung durch die Stiftungsaufsichtsbehörde weit zu umschreiben und insbesondere den tatsächlichen und potentiellen Destinatären zuzuerkennen sei (BGE 107 II 388 f. E. 3 mit Hinweisen). Es ist nicht einzusehen, weshalb dies nicht auch für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht in jenen Fällen gelten soll, in denen die Aufsichtsbehörde von Amtes wegen gestützt auf Art. 84 ff. ZGB eine Verfügung erlassen hat, die nicht nur die Stiftung selber, sondern auch die Destinatäre und allenfalls Dritte betrifft.
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Soweit H. und E. gegen den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt vom 23. August 1983 Beschwerde an das Bundesgericht führen, ist zu beachten, dass sie zu den in der ![]() | 33 |
Nicht zu den tatsächlichen oder potentiellen Destinatären zählt die Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG, die mit H. und E. zusammen als Beschwerdeführerin auftritt. Indessen ist nicht zu übersehen, dass es sich bei der neu gegründeten Aktiengesellschaft, die einen Teil der Arbeitnehmer der Stifterfirma der drei patronalen Wohlfahrtsfonds übernommen hat, um eine Ausgliederung dieser Stifterfirma handelt. Es kann daher ein besonderes Interesse dieser Aktiengesellschaft am Schicksal des Vermögens der drei patronalen Stiftungen nicht verneint werden, was zur Beschwerdelegitimation im Sinne von Art. 103 OG ausreicht (vgl. BGE 107 II 389 ff.).
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3. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt ist als Stiftungsaufsichtsbehörde der Camille Bauer-Stiftung, der Wohlfahrtsstiftung der Camille Bauer Aktiengesellschaft und der Robert Bauer-Stiftung bei seinem Beschluss vom 23. August 1983 von ![]() | 35 |
4. Die drei patronalen Wohlfahrtsfonds der Camille Bauer AG wenden ein, diese Betrachtungsweise verstosse gegen Art. 84 Abs. 2 ZGB. Ein Einschreiten der Stiftungsaufsichtsbehörde setze ein gesetz- oder statutenwidriges Verhalten der verantwortlichen Stiftungsorgane voraus. Davon könne aber hier nicht die Rede sein, weil Arbeitnehmer keine eigenen Beiträge an rein patronale Stiftungen leisten müssten, aber auch nicht Rechtsansprüche im Sinne eines subjektiven Rechts geltend machen könnten, vielmehr auf blosse potentielle Anwartschaften verwiesen blieben. Dabei übersehen die Beschwerdeführerinnen jedoch, dass die Stifterfirma allein zu den für die bisherigen Destinatäre durch die Gründung der Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG eingetretenen Veränderungen Anlass gegeben und damit auch allein in die bisherige Rechtsstellung dieser Destinatäre eingegriffen hat. Dieser Sachlage, die nicht mit einer freiwilligen Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinzelter Arbeitnehmer der bisherigen Camille Bauer AG und jetzigen Elektro Bauer AG verglichen werden kann, haben auch die Stiftungsorgane einer patronalen Stiftung Rechnung zu tragen. Tun sie dies nicht, hat die Stiftungsaufsichtsbehörde einzugreifen, die gestützt auf Art. 84 Abs. 2 ZGB nicht ![]() | 36 |
Wird die Stiftungsaufsichtsbehörde in diesem Sinne tätig, kann ihr entgegen der Auffassung der drei patronalen Stiftungen auch nicht vorgeworfen werden, sie habe in Verletzung von Art. 86 ZGB dem Grundsatze nach eine unzulässige Änderung des Stiftungszweckes vorgenommen. Vielmehr erfordert die Wahrung der Destinatärsinteressen bei einer auf die Stifterfirma zurückzuführenden Veränderung der Verhältnisse, dass entsprechende Anpassungen bei der Stiftung vorgenommen werden, um dem ursprünglichen Stifterwillen zu entsprechen und den Stiftungszweck weiterhin zu verwirklichen. Dass im Zusammenhang mit der Wahrung des Stiftungszweckes und der entsprechenden Verwendung des Stiftungsvermögens unter veränderten Verhältnissen allenfalls auch eine Anpassung der Stiftungsorganisation durch die Aufsichtsbehörde erforderlich werden kann, hat der Gesetzgeber in Art. 85 ZGB eigens festgehalten. Er hat denn auch der Aufsichtsbehörde die entsprechenden Befugnisse eingeräumt.
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Soweit die drei patronalen Stiftungen mit ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde erreichen wollen, dass sie sich infolge der Ausgliederung der bisherigen Abteilung für Mess- und Regeltechnik der Camille Bauer AG in sachlicher und personeller Hinsicht in die neue Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG nicht mehr um die bisherigen Destinatäre, die nun bei der neu gegründeten Aktiengesellschaft weiterbeschäftigt werden, zu kümmern brauchen und sich weiterhin nur an die Camille Bauer AG bzw. die Elektro Bauer AG als Stifterfirma zu halten haben, ist die Beschwerde abzuweisen. Mit Recht wird in der Lehre darauf hingewiesen, dass Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen und Bedürfnissen auch zu Wandlungen auf seiten der Arbeitgeber führen können, die grössere und für die betroffenen Arbeitnehmer unfreiwillige Personalfluktuationen bewirken können, dass aber die Anwartschaften dieser Arbeitnehmer gegenüber rein patronalen Stiftungen dadurch keine wesentliche Schmälerung erfahren dürfen (RIEMER, Die Auswirkungen grösserer Personalfluktuationen beim Arbeitgeber auf dessen Personalvorsorgestiftung, SZS 1982/26, S. 3 ff., insbesondere S. 6 f. mit Hinweisen). Dabei ist nicht nur dem ![]() | 38 |
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Nach Auffassung der Beschwerdeführer Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG, H. und E. verletzt der Beschluss des Regierungsrates vom 23. August 1983 Bundesrecht, weil er den in den Stiftungsurkunden der drei patronalen Wohlfahrtsfonds umschriebenen Stifterwillen missachte. Nach dem Stifterwillen sollten alle Mitarbeiter der Camille Bauer-Unternehmen begünstigt sein. Wenn sich die Stammfirma Camille Bauer AG in zwei Nachfolgefirmen, nämlich die Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG und die Elektro Bauer AG, aufspalte, so müssten alle Mitarbeiter dieser beiden Nachfolgefirmen in gleicher Weise ihre Destinatärstellung behalten. Eine rechtsungleiche Behandlung der in die Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG übergetretenen Destinatäre ![]() | 40 |
Es ist auch nicht zu übersehen, dass der vom Regierungsrat vorgesehene Schutz der bisherigen Destinatäre, die nicht freiwillig, sondern unter dem Druck der Umstände zur Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG übergetreten sind, es diesen ermöglicht, auch künftig in den Genuss von Zuwendungen der Stifterfirma an die mit dieser verbundenen drei patronalen Stiftungen zu gelangen. Sie bleiben auch inskünftig als Destinatäre in der gleichen Stellung, wie wenn sie ihren bisherigen Arbeitgeber nie verlassen hätten. Eine solche Regelung erscheint aus der Sicht der bisherigen Destinatäre als angemessen und trifft auch die drei patronalen Stiftungen und die Stifterfirma nicht in unverhältnismässiger Weise, ist doch für die Abspaltung und Verselbständigung der Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG allein die Stifterfirma verantwortlich. Freilich wird die Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG heute nicht mehr von der Stifterfirma beherrscht, sondern die beiden Gesellschaften sind völlig getrennt, was möglicherweise sogar zu wirtschaftlicher Konkurrenz zwischen ihnen führen kann. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass sich die Zuwendungen aus den drei patronalen Stiftungen für alle bisherigen Destinatäre nach ![]() | 41 |
Lässt sich somit der Entscheid des Regierungsrates, den bisherigen Destinatären der Stifterfirma, die zur Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG gewechselt haben, die gleichen Rechte zuzuerkennen wie in ihrer früheren Stellung, rechtfertigen, so kann auch nicht von einer rechtsungleichen Behandlung der neuen Arbeitnehmer der Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG gesprochen werden. Diese besitzen keine anwartschaftlichen Rechte gegenüber den Stiftungen, und sie standen auch nie in einem Arbeitsverhältnis zur Stifterfirma. Gerade dies trifft hingegen für die neuen Mitarbeiter der Elektro Bauer AG zu. Von einer Verletzung von Art. 22ter BV kann daher von vornherein nicht die Rede sein. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Camille Bauer Mess- und Regeltechnik AG, von H. und E. ist somit ebenfalls abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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