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46. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. September 1985 i.S. Y. gegen X. (Berufung) | |
Regeste |
Gestaltung der Elternrechte bei der Ehescheidung (Art. 156 Abs. 1 ZGB). | |
Sachverhalt | |
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Mit Klageschrift vom 24. Dezember 1982 verlangte N. X.-Y. die Scheidung der Ehe, die Unterstellung des Sohnes unter ihre elterliche Gewalt, die Regelung des Besuchsrechts des Vaters, die Zusprechung von Unterhaltsbeiträgen für sich und den Sohn sowie die Vornahme der güterrechtlichen Auseinandersetzung der Parteien. In seiner Klageantwortschrift vom 30. März 1983 beantragte der Beklagte Abweisung der Klage. Widerklageweise stellte er seinerseits das Begehren auf Scheidung der Ehe, wobei der Sohn ihm zuzuweisen sei.
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In der dem Scheidungsverfahren vorangegangenen Eheschutzverhandlung vom 7. Oktober 1982 war der gemeinsame Haushalt ![]() | 3 |
Nachdem A. zunächst bei einer Pflegefamilie untergebracht war, nahm ihn der Beklagte Mitte November 1983 zu sich, als er mit seiner Freundin nach B. zog. Das von der Klägerin hierauf eingereichte Gesuch, der Sohn sei in die Pflegefamilie zurückzubringen, wurde durch Entscheide des Gerichtspräsidenten vom 23. Dezember 1983 und des kantonalen Appellationshofes vom 6. Februar 1984 abgewiesen.
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Am 21. September 1984 fällte das Zivilamtsgericht folgendes Urteil:
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"1. Die zwischen den Parteien am 23. Oktober 1980 ... abgeschlossene Ehe wird in Anwendung von Art. 142 ZGB wegen tiefer Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses auf beidseitigen Antrag geschieden.
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2. Das der Ehe entstammende Kind A., geb. 24. Oktober 1980, wird der elterlichen Gewalt des Vaters unterstellt unter Errichtung einer Beistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 2 ZGB. Die Mutter hat das Recht, das Kind während zwei Tagen pro Monat zu besuchen; es steht ihr im übrigen ein Ferienbesuchsrecht von 4 Wochen pro Jahr zu.
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3. Die zwischen den Parteien am 21. September 1984 abgeschlossene Teilkonvention mit Einschluss der Teilkonvention zum Güterrecht vom 3. Mai 1984 wird gerichtlich genehmigt.
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..."
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In seiner Sitzung vom 30. Januar 1985 hat der kantonale Appellationshof dieses Urteil im wesentlichen bestätigt. Das der Klägerin zugesprochene Besuchsrecht umschrieb er wie folgt neu:
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"Die Mutter hat das Recht, das Kind an jedem 3. Wochenende im Monat von Samstagmorgen bis Sonntagabend, nach Beginn seiner Schulpflicht von Samstagmittag bis Sonntagabend auf Besuch zu nehmen. Die Mutter hat ferner das Recht, das Kind in den geraden Jahren am 24. und in den ungeraden Jahren am 25. Dezember zu sich zu Besuch zu nehmen. Der Mutter steht schliesslich ein Ferienrecht von insgesamt 4 Wochen im Jahr zu, wobei sie die Ausübung dieses Ferienrechts jeweils 2 Monate zum voraus anzumelden hat."
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Gegen das Urteil des Appellationshofes hat die Klägerin Berufung an das Bundesgericht erhoben, wobei sie beantragt:
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..."
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Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das Bundesgericht hat auch in jüngsten Entscheiden den Grundsatz bestätigt, wonach kleinere Kinder der Mutter zuzuteilen seien (vgl. BGE 109 II 194; BGE 108 II 370); gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, dass diejenige Lösung zu treffen sei, welche die für eine harmonische Entfaltung des Kindes in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht notwendige Stabilität der Verhältnisse gewährleiste (BGE 108 II 370; vgl. auch HAUSHEER, Die Zuteilung der elterlichen Gewalt im Scheidungsverfahren nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts, in ZVW 38/1983, S. 126). Es ist deshalb sehr wohl möglich, dass in einem konkreten Fall auch ein kleineres Kind unter die elterliche Gewalt des Vaters gestellt wird, wenn dieser zur Erziehung und zu weitgehender Selbstbetreuung des Kindes, zu dem er eine echte Zuneigung hat, fähig und bereit ist und wenn darüber hinaus die massgebenden Verhältnisse für die Zukunft auf seiner Seite als die stabileren erscheinen. Wie in BGE 109 II 194 angetönt, zeigt die Erfahrung, dass vor allem jüngere Väter in zunehmendem Masse bereit sind, die volle Fürsorge- und Erziehungsverantwortung gegenüber ihren Kindern zu übernehmen. Auch wenn von einem eigentlichen Umdenken nach wie vor noch nicht die Rede sein kann, darf der Sachrichter vom Grundsatz der mütterlichen ![]() | 17 |
Die Frage der Stabilität der Verhältnisse hängt freilich nicht in erster Linie davon ab, ob auf seiten des betreffenden Elternteils ernsthaft mit einer neuen Heirat gerechnet werden könne. Das würde zu einer - oft ungerechtfertigten - Diskriminierung des alleinerziehenden Elternteils bzw. zu einer Bevorzugung des Stiefelternteils führen, was nicht immer im Interesse des Kindes läge. Es darf andererseits auch nicht einfach darauf abgestellt werden, welchem Elternteil während der Dauer des oft jahrelangen Scheidungsverfahrens die Obhut zukam.
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Das Amtsgericht hatte des weitern entscheidend berücksichtigt, dass die Klägerin es seinerzeit - ohne ausgesprochene Notsituation - vorgezogen habe, wieder arbeiten zu gehen, statt zu Hause den dreimonatigen A. zu betreuen. Es sei deshalb sehr zweifelhaft, ob sich die Klägerin heute ernstlicher und dauerhafter um A. bemühen würde. Es bleibe auch unklar, wie sie es mit der Direktbetreuung ![]() | 20 |
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Auf die Kritik an der amtsgerichtlichen Beweisverfügung kann hier von vornherein nicht eingetreten werden. Im übrigen ist die Frage der Kinderzuteilung im Sinne von Art. 156 Abs. 1 ZGB von der Offizialmaxime beherrscht. Der Sachrichter hat demnach die Umstände, die für einen dem Kindeswohl entsprechenden Entscheid von Bedeutung sind, von Amtes wegen abzuklären und zu berücksichtigen, wenn es auch in erster Linie Sache der Parteien ist, den tatsächlichen Prozessstoff dem Gericht zu unterbreiten und die Beweismittel zu nennen. Die kantonalen Instanzen haben ausdrücklich festgehalten, dass die Klägerin in ihren Lebensverhältnissen zu wenig stabil und vor allem in ihren Zukunftsplänen unbeständig sei; für die Erziehung und Betreuung von A. vermöge sie deshalb keine wirklich ernsthafte Alternative zu dem zu bieten, was auf seiten des Beklagten vorhanden sei. Zu der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob einer Unterstellung des Kindes unter ihre elterliche Gewalt schwerwiegende Mängel anhaften würden ![]() | 22 |
Der Appellationshof hat sodann nicht verkannt, dass das Bedürfnis nach mütterlicher Liebe vor allem bei kleinen Kindern besonders berücksichtigt zu werden verdient, vorausgesetzt allerdings, dass die Mutter die Erziehung selbst zu leiten vermag. Gerade letzteres ist nach den Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil, auf die der Appellationshof verweist, indessen im vorliegenden Fall in Frage gestellt. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Appellationshof feststellt, dass hinsichtlich Betreuung und Erziehung des Kindes die Möglichkeiten der Klägerin keine wirklich ernsthafte Alternative zu dem darstellten, was der Beklagte diesbezüglich anzubieten habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin darf ein Kind nicht nur dann dem Vater zugewiesen werden, wenn es bei der Mutter erheblich gefährdet wäre. Etwas anderes ist aus dem von der Klägerin angeführten BGE 79 II 241 ff. nicht zu schliessen. Wohl wurde dort ausdrücklich festgehalten, dass bei einem kleinen Kind dem Bedürfnis nach mütterlicher Pflege und Liebe grosse Bedeutung zukomme, doch wurde weiter ausgeführt, dass unter anderem auch die Frage der erzieherischen Fähigkeiten der beiden Elternteile Beachtung erheische.
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