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61. Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. August 1985 i.S. X. gegen X. (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Entscheid des Eheschutzrichters betreffend Unterhaltsbeiträge; Wirkung über den Zeitpunkt hinaus, da das in der Folge ergangene Scheidungsurteil im Scheidungspunkt in Rechtskraft erwachsen ist? | |
Sachverhalt | |
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Mit Zahlungsbefehl vom 6. August 1984 setzte B. X. gegen den von ihr geschiedenen A. X. eine Forderung von Fr. 900.-- (Rückstände in den Unterhaltsleistungen für die Monate Juli und August 1984) nebst Zins zu 5% seit 15. Juli 1984 in Betreibung. Sie berief sich dabei auf einen Entscheid des Eheschutzrichters vom ![]() | 2 |
Mit Eingabe vom 20. August 1984 stellte B. X. hierauf beim zuständigen Bezirksgerichtspräsidium das Begehren um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung. Durch Entscheid vom 24. September 1984 hiess der Bezirksgerichtspräsident das Begehren teilweise gut und erteilte für den Betrag von Fr. 450.-- nebst Zins zu 5% seit 6. August 1984 definitive Rechtsöffnung.
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In Gutheissung einer von A. X. erhobenen Beschwerde wies das Obergericht (1. Zivilkammer) des Kantons Aargau am 20. März 1985 das Rechtsöffnungsbegehren vollumfänglich ab.
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Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat B. X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV eingereicht.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
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Erwägungen: | |
1. Der Entscheid des Bezirksgerichtspräsidiums ... vom 7. März 1983, auf den sich die Beschwerdeführerin zur Begründung ihres Rechtsöffnungsbegehrens beruft, ist in Anwendung von Art. 170 Abs. 3 ZGB in Verbindung mit Art. 160 Abs. 2 ZGB im Eheschutzverfahren ergangen. Er wurde trotz der im April 1983 erhobenen Scheidungsklage nicht durch einen Entscheid betreffend vorsorgliche Massregeln für die Dauer des Scheidungsprozesses im Sinne von Art. 145 ZGB ersetzt. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. BGE 101 II 2 f.) ging das Obergericht davon aus, dass in einem solchen Fall die Anordnungen des Eheschutzrichters während des Scheidungsprozesses weitergelten würden. Es weist sodann darauf hin, dass ein Massnahmenentscheid - gleichgültig, ob er auf den Art. 169 ff. ZGB oder auf Art. 145 ZGB beruhe - in jedem Fall mit dem Abschluss des Scheidungsprozesses hinfällig werde. Schwierigkeiten ergäben sich allerdings dort, wo die Scheidung der Ehegatten als solche in Rechtskraft erwachsen sei, in einem Rechtsmittelverfahren indessen noch über die Unterhaltsbeiträge im Sinne von Art. 151 bzw. 152 ZGB gestritten werde. An der bisherigen Rechtsprechung des Obergerichts des Kantons Aargau (veröffentlicht in AGVE 1949, S. 16, 1952, S. 14, und 1974, S. 15), wonach unter solchen Umständen die vorsorglichen Massregeln gemäss Art. 145 ZGB bis zum Abschluss des Scheidungsprozesses in seiner Gesamtheit weitergelten ![]() | 7 |
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin kommt die Änderung der Rechtsprechung durch das Obergericht überspitztem Formalismus gleich; ausserdem verstosse sie auch gegen das Willkürverbot (Art. 4 BV).
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Wie die kantonale Beschwerdeinstanz zutreffend ausführt, gehen die Meinungen zur Frage der Auswirkungen der Teilrechtskraft bezüglich des Scheidungspunktes auf die vorsorglichen Massregeln im Sinne von Art. 145 ZGB auseinander. Die bisherige Auffassung des aargauischen Obergerichts, wonach die für die Dauer des Scheidungsprozesses getroffenen Massnahmen gemäss Art. 145 ZGB so lange in Kraft bleiben würden, bis der Richter sich auch über alle Nebenfolgen der Ehescheidung ausgesprochen habe, teilten bisher auch das Kantonsgericht von Graubünden (Urteil vom 26. März 1959, in PKG 1959 Nr. 32), das Appellationsgericht des Kantons Tessin (vgl. Entscheid vom 13. Januar 1958, in Repertorio 91/1958, S. 161, und SJZ 55/1959, S. 92 Nr. 36) und das Obergericht des Kantons Thurgau (vgl. Entscheid vom 7. April 1970, in SJZ 67/1971, S. 326 Nr. 140). Die Bündner Instanz erteilte im erwähnten Entscheid die definitive Rechtsöffnung gestützt auf einen Massnahmenentscheid, obwohl die Scheidung als solche bereits in Rechtskraft erwachsen war. Dies scheint auch die Praxis der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Luzerner Obergerichts zu sein (vgl. SJZ 77/1981, S. 365 f.).
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Auf der andern Seite hat sich das Obergericht des Kantons Solothurn in einem Entscheid vom 30. Oktober 1959 ![]() | 11 |
In einem Entscheid vom 7. Juli 1969 (veröffentlicht in ZR 70/1971, Nr. 63, und SJZ 66/1970, S. 38 Nr. 12) hat das Zürcher Obergericht die definitive Rechtsöffnung, die gestützt auf einen Massnahmenbeschluss gemäss Art. 145 ZGB verlangt worden war, verweigert mit der Begründung, im Scheidungspunkt sei das Scheidungsurteil inzwischen rechtskräftig geworden. Die gleiche Instanz hatte sich in einem Entscheid vom 3. Juli 1961 freilich dafür ausgesprochen, dass in einem Fall, da Unterhaltsbeiträge nach Art. 151 oder 152 ZGB Gegenstand eines Berufungsverfahrens bildeten, trotz Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils im Scheidungspunkt die Möglichkeit bestehe, entsprechende vorsorgliche Massnahmen anzuordnen. Dabei verwies das Obergericht auf einen seiner früheren Beschlüsse, worin entschieden worden sei, dass in einem solchen Fall die vorsorgliche Massnahme (auch nach Erledigung des Scheidungspunktes) bis zum Eintritt der Rechtskraft des Endurteils bestehen bleibe (vgl. ZR 62/1963 Nr. 21). Aus einem weiteren Entscheid des Zürcher Obergerichts vom 28. Januar 1971 (ZR 70/1971, Nr. 111) ergibt sich allerdings die Einschränkung, dass eine auf dem Weg vorsorglicher Massnahmen gemäss Art. 145 ZGB angeordnete Verpflichtung des geschiedenen Ehemannes zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen während der Fortdauer des Scheidungsprozesses bezüglich der Unterhaltsbeiträge nach Art. 151 und 152 ZGB nur zulässig sei, wenn die Ansprecherin ein hinreichendes Bedürfnis darzutun vermöge. Dieselbe Einschränkung scheinen BÜHLER/SPÜHLER (N. 62 zu Art. 145 ZGB) zu machen, wobei sie in N. 64 allerdings ausführen, bei einer Weiterführung des Rechtsstreites um Entschädigungs- oder Unterhaltsansprüche nach den Art. 151 und 152 ZGB brauche die rechtskräftige Scheidung die Weitergeltung oder die Neuzusprechung von Unterhaltsbeiträgen des Mannes an die Frau nicht zu hindern. Klar für das Erfordernis eines entsprechenden Bedürfnisses der geschiedenen Ehefrau spricht sich hingegen HENSELER aus (Zur Frage der zeitlichen Dauer von Unterhaltsbeiträgen an die Ehefrau im Verfahren nach Art. 145 ZGB, in SJZ 77/1981, S. 365 f.).
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