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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
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5. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. Februar 1986 i.S. K.M. gegen H.M., Grundbuchamt Wattwil und Regierungsrat des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters. |
2. Zur Löschung eines dinglichen Rechts genügt die schriftliche Erklärung der aus dem Eintrag berechtigten Person. Ein Ausweis über den Rechtsgrund muss nicht vorgelegt werden (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Mit Verfügung vom 13. April 1984 wies das Grundbuchamt Wattwil die Anmeldung ab. Zur Begründung führte es aus, noch bevor das vom Grundbuchamt vorbereitete Formular "Löschungsbewilligung" H.M. zur Unterzeichnung unterbreitet worden sei, habe dessen Bruder J. beim Vormundschaftssekretariat Wattwil vorgesprochen und die Bestellung eines Beirats für seinen schutzbedürftigen Bruder verlangt. In der Folge habe das Vormundschaftssekretariat Wattwil diesen zu einer Aussprache eingeladen. Bei der Besprechung, bei der auch der Grundbuchverwalter zugegen gewesen sei, habe sich eindeutig ergeben, dass sich H.M. über den Wohnrechtsverzicht und dessen Tragweite kein richtiges Urteil habe bilden können, zumal er ausdrücklich festgestellt habe, keinen Wohnrechtsverzicht, sondern ein Baugesuch unterzeichnet zu haben. Es sei ganz offensichtlich gewesen, dass H.M. sehr leicht beeinflussbar sei und der unentgeltliche Wohnrechtsverzicht nicht einem vernunftgemässen Handeln entspreche. Jedenfalls seien seine Äusserungen derart verworren und undefinierbar gewesen, dass bei der Vormundschaftssekretärin und beim Grundbuchverwalter erhebliche Zweifel an seiner Urteilsfähigkeit hinsichtlich des Wohnrechtsverzichts aufgekommen seien. Deshalb habe man die vorbereitete Löschungsbewilligung nicht unterzeichnen lassen. Auf Begehren des Vertreters von K.M. sei das Löschungsbegehren in der Folge aus formellen Gründen im Grundbuch (d.h. im Tagebuch) eingeschrieben worden, doch müsse ![]() | 3 |
C.- Mit Beschluss vom 25. April 1984 errichtete die Vormundschaftsbehörde Wattwil über H.M. eine Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft nach Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB.
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D.- Gegen die Verfügung des Grundbuchamtes Wattwil erhob K.M. Beschwerde an das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen. Dieses beauftragte den Bezirksarzt Ober- und Neutoggenburg, H.M. auf seine Urteilsfähigkeit bei der Unterzeichnung des Wohnrechtsverzichts hin zu untersuchen. Gestützt auf den Bericht des Bezirksarztes wies das Departement die Beschwerde mit Entscheid vom 1. Oktober 1984 ab. Dagegen beschwerte sich K.M. beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen. Nachdem dieser beim Sozialpsychiatrischen Dienst des Kantons St. Gallen ein Gutachten über den Geisteszustand von H.M. eingeholt hatte, wies er die Beschwerde mit Entscheid vom 13. August 1985 ab, wobei er sich im wesentlichen auf das Gutachten stützte, gemäss welchem H.M. anlässlich der Unterzeichnung des Wohnrechtsverzichts hinsichtlich dieser Handlung urteilsunfähig war.
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E.- Gegen den Entscheid des Regierungsrats hat K.M. beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, mit der er beantragt, die Abweisung der Anmeldung betreffend Löschung des Wohnrechts durch das Grundbuchamt Wattwil vom 13. April 1984 aufzuheben und das Grundbuchamt anzuweisen, die Löschung des Wohnrechts im Grundbuch unverzüglich zu vollziehen. H.M., der Regierungsrat und das Grundbuchamt stellen in ihren Vernehmlassungen den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, während das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement deren Gutheissung beantragt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Vorinstanz ist unter Hinweis auf die Lehre an sich zu Recht davon ausgegangen, dass die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters auch die Frage umfasst, ob der Verfügende handlungsfähig sei (HOMBERGER, N. 9 und 41 zu Art. 965 ZGB; OSTERTAG, N. 9 zu Art. 965 ZGB; DESCHENAUX, Traité de droit privé suisse, vol. V t. II, 2, S. 403/404; BRÜCKNER, Sorgfaltspflicht der Urkundsperson und Prüfungsbereich des Grundbuchführers bei Abfassung und Prüfung des Rechtsgrundausweises, ZBGR 64/1983 S. 73). Dabei geht es aber in erster Linie um die formelle Seite der Handlungsfähigkeit. So hat der Grundbuchverwalter beispielsweise eine allfällige Entmündigung, Verbeiratung oder Verbeiständung des Verfügenden zu beachten, ebenfalls einen vorläufigen Entzug der Handlungsfähigkeit im Sinne von Art. 386 Abs. 2 ZGB. Bestehen diesbezüglich Zweifel, so kann er gegebenenfalls die Vorlegung eines sogenannten Handlungsfähigkeitszeugnisses verlangen. Dass der Grundbuchverwalter auch die Urteilsfähigkeit des Verfügenden zu prüfen habe, sagen die erwähnten Autoren nicht. Zu einer solchen Prüfung wäre er gar nicht in der Lage. Die Urteilsfähigkeit einer Person lässt sich in der Regel nur aufgrund eines Gutachtens beurteilen. Der Grundbuchverwalter hat jedoch im Eintragungsverfahren grundsätzlich allein gestützt auf die ihm vorgelegten Urkunden zu entscheiden; er kann weder Gutachten einholen noch Zeugen einvernehmen (HOMBERGER, N. 52 zu Art. 965 ZGB; DESCHENAUX, a.a.O., S. 401, 435). Soweit sich die Lehre überhaupt zu dieser Frage äussert, ist sie deshalb der Auffassung, der Grundbuchverwalter habe die Urteilsfähigkeit des Verfügenden nicht zu ![]() | 9 |
BUCHER ist der Ansicht, der Grundbuchverwalter habe "im Interesse des Schutzes des potentiell handlungsunfähigen Eigentümers" als berechtigt zu gelten, eine Eintragung zu verweigern; der Entscheid über die Handlungsfähigkeit des Verfügenden werde dann vom Richter im Prozess zusammen mit dem Entscheid über die Prozessfähigkeit des Betreffenden gefällt (N. 223 zu Art. 17/18 ZGB). Wann eine Person als "potentiell handlungsunfähig" zu betrachten sei, sagt er jedoch nicht. Sollte damit gemeint sein, der Grundbuchverwalter habe eine Anmeldung schon dann abzuweisen, wenn irgendwelche Zweifel an der Urteilsfähigkeit des Verfügenden bestehen, so könnte dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Eine solche Lösung wäre mit den Interessen des Verkehrs nicht vereinbar. Solange ein nach dem Grundbuch Verfügungsberechtigter nicht zufolge eines förmlichen Entscheids der zuständigen Behörde in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt ist, hat der Grundbuchverwalter grundsätzlich einer im übrigen ordnungsgemässen Anmeldung Folge zu leisten. Eine Ausnahme wäre höchstens in aussergewöhnlichen Fällen angezeigt, z.B. wenn eine völlig betrunkene Person persönlich auf dem Grundbuchamt erscheint und dort eine Erklärung unterschreibt oder wenn die Urteilsunfähigkeit des Verfügenden notorisch ist. Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Der Beschwerdegegner hat die Löschungsbewilligung nicht auf dem Grundbuchamt unterzeichnet, sondern diesem die bereits unterzeichnete Anmeldung zukommen lassen. Diese Anmeldung, die übrigens unverzüglich ins Tagebuch hätte eingeschrieben werden müssen (Art. 948 Abs. 1 ZGB, 14 Abs. 1 GBV), war äusserlich in Ordnung. Dass der Beschwerdegegner drei Monate nach der Eintragung des Wohnrechts bereits wieder auf dieses verzichten wollte, bildete kein Indiz für seine Urteilsunfähigkeit, ![]() | 10 |
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Ob die Vereinbarung vom 21. Februar 1984 gültig sei, kann indessen dahingestellt bleiben, da zur Löschung eines dinglichen Rechts die schriftliche Erklärung der aus dem Eintrag berechtigten Person gemäss Art. 964 Abs. 1 ZGB genügt und ein Ausweis über den Rechtsgrund im Sinne von Art. 965 Abs. 1 ZGB gar nicht vorgelegt werden muss (HOMBERGER, N. 6 zu Art. 964 ZGB; LIVER, N. 9-14 zu Art. 734 ZBG; DESCHENAUX, a.a.O., S. 387).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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