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50. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. September 1986 i.S. S. gegen W. und Mitbeteiligte (Berufung) | |
Regeste |
Anteil der Miterben am Gewinn (Art. 619 ZGB). |
Vererblich ist auch die Anwartschaft auf den gesetzlichen Gewinnanteil nach Art. 619 ZGB und nicht nur der bereits realisierte Gewinn (E. 4). | |
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3. Die Beklagten sehen Art. 619 ZGB dadurch verletzt, dass die Vorinstanz annahm, der persönliche Anspruch der A. W. von 3/28 am Gewinn, der aus den vom verstorbenen M. W. in den Jahren 1969 und 1977 getätigten Grundstückgeschäften möglicherweise resultierte, sei auf den Kläger S. als Universalerbe der A. W. übergegangen. Sie teilen die Auffassung des Amtsgerichts, ![]() | 1 |
a) Unbestrittenermassen geht es bei diesem Anspruch um den Anteil am Gewinn im Sinne von Art. 619 ZGB - um eine Forderung also, die A. W. zu Lebzeiten erworben hatte, sofern aus den Tauschgeschäften des M. W. überhaupt ein Gewinn entstanden war. Letzteres sowie die Frage der Gültigkeit des Testaments der A. W. wird das Amtsgericht aufgrund des Rückweisungsentscheides zu prüfen haben, wenn der Übertragung einer solchen Forderung keine gesetzlichen Schranken entgegenstehen.
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Noch zu Lebzeiten erworbene Forderungen gehören zum Vermögen des Berechtigten (BGE 105 II 175 E. 2b e contrario) und können demzufolge durch letztwillige Verfügungen in den gesetzlichen Schranken und Formen übertragen werden (Art. 467 und 481 ZGB). Die Verfügungsmacht des Erblassers ist durch eine Reihe von Bestimmungen des Erbrechts, des übrigen Privatrechts und des öffentlichen Rechts, aber auch durch bereits bestehende erbvertragliche Bindungen beschränkt (vgl. die Beispiele bei Kommentar TUOR, N. 11 zu Art. 467 ZGB). Der gesamten Rechtsordnung lässt sich indessen keine Bestimmung entnehmen, die eine testamentarische Übertragung einer solchen Forderung auf einen ausserhalb der Familie stehenden Dritten ausdrücklich verbieten würde. Nach der Auffassung der Beklagten soll sich der Ausschluss von Dritten von der Gewinnbeteiligung nach bäuerlichem Erbrecht durch Auslegung von Art. 619 ZGB ergeben, weil das Sonderrecht den Bestimmungen des allgemeinen Erbrechts derogiere.
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b) Das bäuerliche Erbrecht ist insofern ein Sonderrecht, als es aus zwingenden agrarpolitischen Gründen, die hier nicht im einzelnen zu erörtern sind (vgl. BGE 110 II 331 E. 3c, BGE 97 II 313 E. 3b), vom allgemeinen Erbrecht abweicht und um dieser Ziele willen die ungeteilte Zuweisung statuiert (Art. 620 Abs. 1 ZGB) und damit notwendigerweise den Grundsatz der Gleichberechtigung gleichrangiger Erben bei der Teilung (Art. 607 Abs. 1 und 610 Abs. 1 ZGB) preisgibt. Die mit der Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes zum Ertragswert verbundene Privilegierung des Übernehmers und Hintansetzung seiner Miterben hat so lange ihre Berechtigung, als der Übernehmer das Gewerbe landwirtschaftlich nutzt, ohne daraus einen nicht aus der Landwirtschaft resultierenden Gewinn zu ziehen. Die Rechtfertigung für die Hintansetzung der Miterben entfällt, wenn der Übernehmer die in der Differenz ![]() | 4 |
Diese nachträgliche Korrektur bezweckt somit die Wiederherstellung der Gleichberechtigung unter sämtlichen Erben gleichen Ranges. Dabei beschränkt sich das Gesetz nicht auf eine blosse Verteilung des errechneten Gewinnes (Art. 619bis Abs. 1 ZGB), sondern nimmt eine neue und verfeinerte Interessenabwägung vor, die einerseits dem Zeitablauf Rechnung trägt (Art. 619bis Abs. 2 ZGB) und anderseits berechtigte Anliegen des Übernehmers, die mit der agrarpolitischen Zielsetzung im Einklang stehen, berücksichtigt (Art. 619ter und 619quater ZGB). Das mag im einzelnen Fall zu einer Fortdauer der Privilegierung des Übernehmers führen, weil er unter bestimmten Voraussetzungen - Erwerb eines Ersatzgrundstückes bzw. Ausbesserung von Gebäuden - einen kleineren oder grösseren Teil des erzielten Gewinnes nicht mit den Miterben zu teilen braucht. Doch lassen diese besonderen Fälle nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe ganz allgemein eine weitere Privilegierung des Übernehmers beabsichtigt. In Abs. 2 sowohl von Art. 619ter als auch von Art. 619quater ZGB greift denn auch eine Korrektur wiederum zugunsten der nicht übernehmenden Miterben Platz. Durch Art. 619bis Abs. 2 ZGB schliesslich, wonach für jedes Jahr, während dessen das Grundstück im Eigentum des Übernehmers stand, zwei Hundertstel des Gewinnes von der Anteilsberechtigung der Miterben abzuziehen sind, wird der Geldentwertung Rechnung getragen und der Übernehmer vor übersetzten Gewinnansprüchen der Miterben geschützt. Das gesetzliche Gewinnbeteiligungsrecht führt also eine Gewinnverteilung unter grundsätzlich gleichberechtigten Erben im Rahmen der agrarpolitischen Zielsetzung herbei. Insofern folgt das bäuerliche Erbrecht denselben Grundsätzen wie das allgemeine Erbrecht. Zutreffend hat deshalb das Obergericht festgestellt, wenn mit einem gewinnbringenden Rechtsgeschäft auch im weiteren Sinne kein ![]() | 5 |
Mit den Bestimmungen zum bäuerlichen Erbrecht, vorab mit Art. 620 ZGB, hat der Gesetzgeber die Grundsätze des allgemeinen Erbrechts verlassen. Art. 619 ZGB demgegenüber führt vom Sonderrecht zurück zum allgemeinen Erbrecht, indem er die nicht übernehmenden Erben wieder in den Stand einsetzt, den sie gehabt hätten, wenn nicht die ungeteilte Zuweisung nach bäuerlichem Erbrecht stattgefunden hätte, sondern es zur Realteilung oder Verwertung des Erbes gekommen wäre. Die Miterben gewinnen nun aber ihre im allgemeinen Erbrecht begründete Gleichberechtigung erst wieder zurück, wenn sie über den ihnen nach Art. 619 ZGB zustehenden Gewinnanteil so verfügen können, wie wenn das bäuerliche Erbrecht gar nicht zum Zuge gekommen wäre. Das kann im Ergebnis nichts anderes bedeuten, als dass die Miterben über den Gewinnanteil frei müssen verfügen können. Durch das bäuerliche Erbrecht werden demnach nur der grundsätzliche Anspruch auf den Anteil am Gewinn, der durch die Veräusserung eines ungeteilt zugewiesenen landwirtschaftlichen Gewerbes erzielt worden ist, und die Berechnung dieses Gewinnanteils geregelt; inwiefern der am Gewinn berechtigte Miterbe darüber verfügen kann, bestimmt sich alsdann nach der übrigen Privatrechtsordnung.
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c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Gesetz keineswegs lückenhaft. Bäuerliches und allgemeines Erbrecht greifen lückenlos ineinander über, und dem Gesetz lässt sich der wahre Sinn entnehmen, ohne dass es unter Beiziehung anderer, nicht erbrechtlicher Rechtsquellen des Landwirtschaftsrechts (EGG) ausgelegt zu werden braucht.
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Fehl geht auch die Meinung der Beklagten, das bäuerliche Erbrecht bezwecke vornehmlich den Schutz familiärer Bindungen. Gewiss liegt die Korrektur der Folgen der ungeteilten Zuweisung durch das Gewinnanteilsrecht nicht nur im persönlichen Interesse der Miterben, sondern auch in dem der gesamten Familie; denn es mag mitunter viel Hader ausgeräumt werden, wenn die benachteiligten Miterben nach Jahren, wenn der Grund zur Privilegierung des Übernehmers weggefallen ist, ihren Gewinnanteil ausbezahlt bekommen. Auch ist die Überlegung durchaus richtig, dass eine solche Konsolidierung der familiären Beziehungen gefährdet ![]() | 8 |
d) Daraus folgt, dass A. W. innerhalb der Schranken der Art. 467 und 481 ZGB durch letztwillige Verfügung frei über den ihr aufgrund von Art. 619 ZGB zugefallenen Gewinnanteil verfügen und somit an den Kläger als von ihr eingesetzten Erben übertragen konnte. Die Berufung der Beklagten erweist sich demnach als unbegründet.
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a) Die kantonalen Gerichte stützen ihre Auffassung, dass der Anspruch auf Gewinnbeteiligung erst vererbt und übertragen werden könne, nachdem der Gewinn durch den Übernehmer erzielt worden ist und damit der Anspruch der Miterben die Gestalt einer ![]() | 11 |
b) Die Erben - gesetzliche wie eingesetzte - erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tod des Erblassers kraft Gesetzes. Unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben (Art. 560 Abs. 1 und 2 ZGB).
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Gegenstand der Erbfolge ist der Nachlass als der Inbegriff der nicht an die Person des Erblassers gebundenen Rechtsverhältnisse (Kommentar ESCHER, N. 5 zur Einleitung). Die Aufzählung der Aktivbestandteile im Gesetz (Art. 560 Abs. 2 ZGB) ist unvollständig (Kommentar TUOR/PICENONI, N. 4 zu Art. 560 ZGB). Als grundsätzlich vererblich werden deshalb in der Literatur ausser den Rechtsverhältnissen des Obligationenrechts die Immaterialgüterrechte, gewisse vermögens- und nichtvermögensrechtliche Verhältnisse aus Familien- und Erbrecht, ferner Anwartschaften, Wahlrechte und sog. Rechtslagen bezeichnet (Kommentar ESCHER, N. 5b zur Einleitung; Kommentar TUOR/PICENONI, N. 4 zu Art. 560 ZGB). Insbesondere bilden auch bedingte und befristete Ansprüche aktiv und passiv Gegenstand des Nachlasses (Kommentar ESCHER, N. 5b zur Einleitung; Kommentar TUOR/PICENONI, N. 3 zu Art. 560 ZGB).
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Dass das Gewinnanteilsrecht gemäss Art. 619 ZGB vermögensrechtlicher Natur ist, steht ausser Frage. Es handelt sich um eine Forderung, die insofern suspensiv bedingt ist, als sie erst mit der Veräusserung oder Enteignung des nach bäuerlichem Erbrecht übernommenen Grundstücks entsteht, und die insofern auch ![]() | 14 |
c) Zu demselben Ergebnis gelangt man im Zusammenhang mit dem vergleichbaren Gewinnanteilsrecht des Art. 218quinquies OR (sog. Kindskauf). Bei dieser 1973 in Kraft getretenen Bestimmung geht es darum, dem Vater, der bei Lebzeiten ein landwirtschaftliches Grundstück unter dem Verkehrswert an einen Nachkommen veräussert hat, den Gewinn in dem Fall zukommen zu lassen, wo der Nachkomme die Liegenschaft weiterveräussert oder wo sie enteignet wird (BBl 1970 I, S. 821 f.). Gegenüber der zunächst vorgeschlagenen Regelung, wonach der Gewinn den Erben zustehen sollte, wenn der Vater auf seinen Anspruch verzichte, ihn binnen Jahresfrist nicht geltend mache oder sterbe, erhoben sich Bedenken. Sie wurde daher in der Ergänzungsbotschaft (BBl 1971, S. 755 f.) als unnötig bezeichnet mit der Begründung, aus den allgemeinen Grundsätzen des Erbrechts gehe schon hervor, dass im Falle des Todes der Gewinn auf die Erben übergehe; der Fall des Verzichts auf den Gewinnanspruch anderseits sei sehr fragwürdig.
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Aus dem Zusammenhang und dem Hinweis auf Art. 560 Abs. 2 ZGB in der Ergänzungsbotschaft erhellt, dass keinesfalls die Meinung bestand, nur der bereits erzielte Gewinn sei vererblich. Mit der Gesetzesrevision sollte nämlich der Veräusserer, der bis dahin ![]() | 16 |
Die Lehre geht einhellig von der Vererblichkeit des Gewinnanspruchs gemäss Art. 218quinquies OR im dargelegten Sinn aus (ESCHER, Ergänzungslieferung zum landwirtschaftlichen Erbrecht, N. 7 der Einleitung zum Gewinnanteilsrecht der Miterben, S. 14 f.; PIOTET, Schweizerisches Privatrecht IV/2, S. 982; REINHOLD HOTZ, Bäuerliches Grundeigentum, ZSR 98/1979 II, S. 170 f.), und auch zu dieser Bestimmung wurde - soweit ersichtlich - nie die Auffassung geäussert, nur der bereits erzielte Gewinn sei auf die Erben übertragbar.
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d) Ist die Anwartschaft auf den Gewinnanteil gemäss Art. 619 ZGB vererblich und steht damit fest, dass der Anteil der V. W. gemäss Art. 560 Abs. 2 ZGB auf ihre als Alleinerbin eingesetzte Schwester A. W. und von dieser auf den Kläger als deren Universalerbe übergehen konnte, so ist die Berufung begründet. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern ist somit insofern aufzuheben, als entschieden wurde, der Anspruch auf Gewinnbeteiligung von 3/28 der V. W. sei mit deren Tod untergegangen und habe nicht auf ihre Schwester A. W. und von dieser auf den Kläger vererbt werden können. Die kantonalen Instanzen werden zu prüfen haben, ob der Anspruch in den Schranken der Verfügungsfreiheit der Erblasserinnen und nach Massgabe der gesetzlichen Formvorschriften tatsächlich vererbt wurde.
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