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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
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70. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Dezember 1986 i.S. W. Inkasso AG gegen A. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 27 Abs. 2 ZGB, 20 Abs. 2 OR. Nichtige Globalzession. |
2. Eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte Sicherungsabtretung im Rahmen einer Automiete verstösst gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB und ist nichtig (E. 3). |
3. Die aus der umfassenden Abtretung aller denkbaren Forderungen folgende Nichtigkeit schliesst eine auf bestimmte Forderungen beschränkte Teilnichtigkeit aus (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Am 7. Februar 1983 wandte sich die W. Inkasso AG an A. als Arbeitgeber von S.; sie gab ihm von der Lohnzession Kenntnis und forderte ihn auf, den das Existenzminimum von S. übersteigenden Betrag, einstweilen Fr. 1'400.-- monatlich, an die W. Inkasso AG abzuliefern. Auf deren Wunsch setzte das zuständige Betreibungsamt den Notbedarf der Familie S. auf Fr. 3'410.-- fest.
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B.- Im November 1983 klagte die W. Inkasso AG beim Bezirksgericht Zürich gegen A. auf Zahlung von Fr. 13'464.05, entsprechend der Restschuld von S. aus Automiete. Das Bezirksgericht hat die Klage am 19. September 1984 abgewiesen, ebenso am 14. März 1986 das Obergericht des Kantons Zürich. Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ist erfolglos geblieben.
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C.- Die Klägerin beantragt mit ihrer Berufung an das Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und ihre Klage gutzuheissen. Der Beklagte ersucht, die Berufung abzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab aus folgenden
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Erwägungen: | |
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Mit der Berufung wird geltend gemacht, dass Lehre und Rechtsprechung eine derartige Abtretung künftiger Forderungen durchaus zuliessen, dass allenfalls eine blosse Teilnichtigkeit anzunehmen wäre und dass die Zession auch die Konkurseröffnung überdauert habe.
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2. Das Obergericht legt unter einlässlicher Prüfung von Lehre und Rechtsprechung dar, dass die Abtretung einer Forderung, die ![]() | 8 |
In der neueren Lehre werden demgegenüber die Anforderungen an diese Bestimmtheit teils verschärft, indem die Globalzession nur als Verpflichtungsgeschäft anerkannt, für die Verfügung über die Forderung dagegen eine Spezifikation nach sachenrechtlichen Grundsätzen verlangt wird (BUCHER, Allgemeiner Teil OR, S. 490 ff., BUCHER., Kreditsicherung durch Zession, S. 19 ff., WIEGAND, Kreditsicherung und Rechtsdogmatik, in Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, S. 285 ff.; ablehnend demgegenüber ZOBL, a.a.O. N. 1672 ff.). Das Obergericht anerkennt, dass diese Auffassung dogmatisch konsequent sei, den übermächtigen praktischen Bedürfnissen des Geschäftsverkehrs und insbesondere der Bankpraxis gegenüber aber kaum durchsetzbar wäre, lässt jedoch die Frage letztlich offen. Nach Ansicht des Beklagten drängt sich eine Stellungnahme des Bundesgerichts zugunsten dieser neueren Auffassung auf.
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Dieser Grundsatz, der unstreitig auch für die blosse Sicherungsabtretung gilt, wird auch von der Klägerin anerkannt; sie macht aber geltend, er bedürfe der Interessenabwägung im Einzelfall (BGE 106 II 378 f.). Sie schliesst daraus jedoch lediglich, dass auch eine blosse Teilnichtigkeit möglich sein müsse, worauf später zurückzukommen ist. Inwiefern die besondere Interessenlage unter den gegebenen Umständen eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte Totalzession gerechtfertigt habe, wird nicht darzutun versucht. Namentlich ging es vorliegend nicht darum, einem bedrängten Schuldner mit Hilfe eines umfassenden Zessionskredits eine Sanierung zu ermöglichen (HANS BERGMAIER, Die Sicherungszession im Schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1945, S. 105; zur Interessenlage auch BUCHER, Kreditsicherung durch Zession, S. 10, und dort anschliessend GSELL, S. 24; KLEYLING, a.a.O. S. 70), sondern um einen Kredit für Automiete und damit um einen grundsätzlich laufend zu finanzierenden Konsum.
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Die vorliegend streitige Abtretung ist eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte Totalzession; mit den leicht abweichenden Formulierungen der aufeinanderfolgenden Abtretungserklärungen wurden alle gegenwärtigen und künftigen Guthaben und Forderungen erfasst und namentlich Lohn, Erwerb, Provisionen, Spesen, Zinsen, Renten, Bankguthaben usw. aufgeführt. Die Klägerin sieht zwar im Vorbehalt des betreibungsrechtlichen Notbedarfs, der vorerst in der Zession enthalten war und später offenbar wegen Art. 325 OR unterblieb, eine Einschränkung; der Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit des Zedenten wird aber nicht dadurch geheilt, dass ihm wenigstens das Existenzminimum gewahrt bleibt.
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Die Vorinstanz geht zutreffend, wenn auch stillschweigend davon aus, dass die Verletzung von Art. 27 Abs. 2 ZGB auch zu einer blossen Teilnichtigkeit und Beschränkung der Abtretung auf das zulässige Mass führen kann (BGE 106 II 379 E. 4 mit Hinweisen; ZOBL, a.a.O. N. 1685). Der Beklagte schliesst aus dem angefochtenen Urteil, dass die Klägerin vor Bundesgericht unzulässige neue Behauptungen aufstelle. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Obergericht immerhin eventuell auf entsprechendes Vorbringen der Klägerin eintritt und dazu Stellung nimmt. Das muss auch für das Bundesgericht gelten, wobei offenbleiben kann, wie weit einzelne der tatsächlichen Ausführungen in der Berufung als solche gegen das Novenverbot verstossen (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
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Die Klägerin will aufgrund von Art. 20 Abs. 2 OR die Gültigkeit der Abtretung unter Hinweis auf BGE 85 I 30 E. 13h insoweit anerkannt wissen, als diese sich auf Forderungen aus selbständiger oder unselbständiger Arbeitsleistung (Lohn, Provisionen, Honorare ![]() | 16 |
Das alles scheint unbestritten zu sein, ist aber unerheblich. Würde nämlich eine solche Teilnichtigkeit der Zession zugelassen, so würde dies im Zeitpunkt der Entstehung oder Geltendmachung der abgetretenen Forderung zu einer Unsicherheit führen, welche auch mit gemilderten Anforderungen an die Bestimmbarkeit im Sinne der genannten Autoren nicht mehr vereinbar wäre. Da die Nichtigkeit aus der totalen Abtretung aller denkbaren Forderungen folgt, wäre für den in Anspruch genommenen Drittschuldner nicht ersichtlich, ob die ihm gegenüber geltend gemachte Forderung davon erfasst oder aufgrund blosser Teilnichtigkeit davon ausgenommen wäre. Wie die Klägerin vorliegend aus Art. 20 Abs. 2 OR die Gültigkeit der Abtretung wenigstens für Erwerbseinkommen ableiten will, könnte sie ebensogut, wenn sie auf Zins- oder Rentenansprüche greifen wollte, zumindest diese als gültig ausgeben; im konkreten Streitfall wäre daher die grundsätzliche Nichtigkeit der Totalabtretung stets unwirksam. Es versteht sich von selbst, dass das unerträglich wäre, könnte doch auf diese Weise das Verbot der Totalzession gänzlich illusorisch gemacht werden. Das muss zur Abweisung der Klage und zur Bestätigung des angefochtenen Urteils führen.
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