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80. Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Oktober 1986 i.S. X. gegen X. (Berufung) | |
Regeste |
Entmündigung; Art. 373 Abs. 1 ZGB. | |
Sachverhalt | |
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Durch Entscheid vom 25. April 1985 erkannte das Zivilamtsgericht hierauf, dass auf das Entmündigungsgesuch von A. X. nicht eingetreten werde, und am 2. Juli 1985 entschied der Appellationshof (I. Zivilkammer) des Kantons Bern, dass auch auf die hiergegen erhobene Appellation nicht eingetreten werde.
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Den zweiten Entscheid hat A. X. sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV als auch mit Berufung beim Bundesgericht angefochten. Ihre Berufungsanträge lauten wie folgt:
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"1. Der Entscheid der I. Zivilkammer des Appellationshofes des Kantons Bern vom 2. Juli 1985 sei aufzuheben.
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2. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Berufungsklägerin im gerichtlichen Bevormundungsverfahren gemäss Art. 34 Bern. EG z ZGB Parteistellung und Prozessfähigkeit hat.
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3. Die Sache sei an die kantonale Instanz zurückzuweisen, verbunden
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mit der Anweisung, auf die Appellation der Berufungsklägerin im
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Bevormundungsverfahren gegen den Berufungsbeklagten sei einzutreten." Der Berufungsbeklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Berufung an das Bundesgericht ist unter anderem zulässig in Fällen, da es um eine Entmündigung oder die Aufhebung einer Vormundschaft geht (Art. 44 lit. e OG). Darunter fallen ![]() | 9 |
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3. In BGE 62 II 270 E. 1 hat das Bundesgericht ausgeführt, dass den von Art. 328 ZGB erfassten Personen von Bundesrechts wegen das Recht zustehe, den Schutz zu verlangen, den ihnen die Entmündigung des betroffenen Verwandten vermitteln soll ("droit à solliciter la protection que l'interdiction est censée leur assurer"). Es hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht angehe, jemanden der Gefahr auszusetzen, ein Familienmitglied unterstützen zu müssen, nachdem dieses sein Vermögen verprasst habe, ohne dass er dagegen etwas hätte unternehmen können. Das dem Verwandten eingeräumte Antragsrecht verleiht diesem mit andern Worten grundsätzlich einen persönlichen Anspruch auf Einleitung des Entmündigungsverfahrens und auf einen entsprechenden Sachentscheid über die Entmündigung; insofern unterscheidet sich ![]() | 11 |
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b) In einem Fall wie dem vorliegenden, wo der Berufungsbeklagte sich einer Entmündigung stets widersetzt hatte, ist ein materieller Entscheid der Verwaltungsbehörde (Regierungsstatthalter) nach dem Gesagten von vornherein ausgeschlossen. Der Regierungsstatthalter hat die zur Beurteilung stehende Sache am 30. August 1984 denn auch ohne Weiterungen an das Zivilamtsgericht überwiesen, und der Appellationshof (I. Zivilkammer) hat in seinem Entscheid vom 6. November 1984 die Zuständigkeit jenes Gerichts zur weiteren Behandlung des Falles bestätigt. Die Vorinstanz stellte sich dabei allerdings auf den Standpunkt, dass das Zivilamtsgericht zunächst vorfrageweise zu prüfen habe, ob überhaupt ![]() | 14 |
In seinem Entscheid vom 25. April 1985 verneinte das Amtsgericht diese Frage, im wesentlichen mit der Begründung, die Vormundschaftsbehörde habe nicht beantragt, dass der Berufungsbeklagte zu entmündigen sei, und die Berufungsklägerin könne nicht an die Stelle der Vormundschaftsbehörde treten. Das Amtsgericht vertrat weiter die Ansicht, dass die Vormundschaftsbehörde, welche die Voraussetzungen einer Entmündigung nicht für erfüllt halte, ihren Standpunkt in einer formellen Verfügung dem antragstellenden Verwandten zu eröffnen habe, damit dieser die Sache im Sinne von Art. 10 EG zum ZGB an den Regierungsstatthalter als Aufsichtsbehörde weiterziehen könne. Dieser Weg sei im vorliegenden Fall noch nicht ausgeschöpft worden und die vormundschaftlichen Behörden hätten das Nötige noch nachzuholen. Liege beim gegenwärtigen Stand der Dinge kein strittiger Fall vor, sei das Amtsgericht zur Fällung eines materiellen Entscheides über die beantragte Entmündigung nicht zuständig, so dass auf das Gesuch der Berufungsklägerin nicht einzutreten sei.
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Die Vorinstanz hat diesen Entscheid im Ergebnis geschützt, indem sie auf die Appellation der Berufungsklägerin nicht eintrat. Auch sie hielt dafür, dass der Verwandte, dessen Begehren um Entmündigung die Vormundschaftsbehörde keine Folge gegeben habe, nicht berechtigt sei, den Antrag selbst beim Gericht zu stellen. Der Appellationshof räumt zwar ein, dass dem antragsberechtigten Verwandten ein Anspruch auf einen materiellen Entscheid und im Falle der Ablehnung der Entmündigung von Bundesrechts wegen ein Beschwerderecht zustehe. Diesen Ansprüchen ist nach seiner Auffassung indessen insofern Genüge getan, als der Weigerung der antragstellenden Vormundschaftsbehörde, das Entmündigungsverfahren zu eröffnen, der Charakter eines materiellen Entscheides auf Nicht-Entmündigung beizumessen sei. Für diese letzte Feststellung beruft sich die Vorinstanz auf SCHNYDER/MURER (N. 96 zu Art. 373 ZGB). Diese Autoren führen aus, dass die Behörde, bei der ein Antrag auf Entmündigung eingereicht wurde, das Verfahren nicht in jedem Falle eröffnen müsse; liege offensichtlich kein Entmündigungsgrund vor, werde sie das Begehren ohne weiteres zurückweisen, was materiell als Entscheid der zuständigen Behörde auf Nicht-Entmündigung zu betrachten sei. Unter Hinweis auf einen in JdT 98/1950 III S. 125 veröffentlichten Entscheid vertreten sie sodann die Ansicht, dass einem solchen ![]() ![]() | 16 |
c) Aus dem Gesagten erhellt, dass der angefochtene Entscheid gegen Bundesrecht verstösst. Mit dem Amtsgericht gesteht der Appellationshof der Berufungsklägerin einzig die Möglichkeit zu, den Beschluss der Vormundschaftsbehörde, von der Stellung eines Entmündigungsantrages abzusehen, im Sinne von Art. 10 Abs. 1 EG zum ZGB (auf dem Verwaltungsweg) an den Regierungsstatthalter und nötigenfalls noch an den Regierungsrat weiterzuziehen. Damit würde sich die Stellung der Berufungsklägerin jedoch nicht von derjenigen eines blossen Anzeigeerstatters unterscheiden (vgl. SCHNYDER/MURER, N. 84 zu Art. 373 ZGB). Wohl weist die Vorinstanz darauf hin, dass die Vormundschaftsbehörde gemäss Art. 31 Abs. 2 EG zum ZGB für den Schaden verantwortlich wäre, der der Berufungsklägerin wegen eines unterlassenen Entmündigungsantrages allenfalls erwachsen könnte. Entgegen ihrer Auffassung ist darin indessen kein ausreichender Rechtsschutz des nach Bundesrecht antragsberechtigten Verwandten zu erblicken. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben, und der Appellationshof ist anzuweisen, in einem neuen Entscheid der Berufungsklägerin im Rahmen des kantonalen Verfahrensrechts einen Weg zu öffnen, der im Sinne der vorstehenden Erwägungen mit dem Bundeszivilrecht in Einklang steht.
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6. Die Einwendungen des Berufungsbeklagten sind unbehelflich. Dass die Berufungsklägerin nicht zum Kreise derjenigen Personen gehöre, die im Sinne von Art. 328 ZGB ihm gegenüber unterstützungsberechtigt bzw. unterstützungspflichtig wären, macht er nicht geltend. Die Legitimation zum Antrag auf Entmündigung von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen, ginge nicht an. Die vom Berufungsbeklagten aufgeworfene Frage der Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen der Berufungsklägerin geht weitgehend in derjenigen auf, ob ein Entmündigungsgrund gegeben sei, was im Sachentscheid zu beurteilen ist.
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