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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: | |||
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9. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Februar 1987 i.S. S. gegen G. (Berufung) | |
Regeste |
Mäklervertrag. Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz (Art. 1 Abs. 1 und 413 Abs. 1 OR). |
2. Anwendung dieser Grundsätze auf einen Mäklervertrag, insbesondere bei Abweichung vom dispositiven Recht durch einen vorgeformten Vertrag (E. 1b). | |
Sachverhalt | |
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"Die volle Verkaufsprovision ist fällig, wenn während der
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Vertragsdauer ein Kaufvertrag mit einem Kunden der Auftragnehmerin
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beurkundet werden kann."
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Nachdem S. einen Kaufinteressenten gefunden hatte, räumte G. diesem Ende August 1980 ein bis Ende 1980 befristetes Vorkaufsrecht ein. Am 1. Oktober 1980 teilte G. dem Kaufinteressenten sowie S. mit, er habe keine geeignete Ersatzliegenschaft finden können, weshalb ein Verkauf ausgeschlossen sei.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das Kantonsgericht gelangt nach eingehenden Erwägungen zur Auslegung des "Verkaufsauftrags" zum Schluss, dass der Kläger nur dann einen Anspruch auf die Provision hätte, wenn es tatsächlich zu einem Verkauf der Liegenschaft gekommen wäre. Dem Beklagten sei es freigestanden, den mit dem Kaufinteressenten angestrebten Kaufvertrag schliesslich dann doch nicht abzuschliessen. Dem hält der Kläger entgegen, der Provisionsanspruch werde nicht nur durch die tatsächliche Vornahme der Beurkundung ausgelöst, sondern dafür genüge bereits die reale und naheliegende Möglichkeit dazu. Diese habe spätestens im August 1980 bestanden, als die grundsätzliche Einigung über den Kauf erzielt worden sei.
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a) Die Vorinstanz nimmt das Fehlen eines tatsächlichen übereinstimmenden Parteiwillens an und legt deshalb den "Verkaufsauftrag" nach dem Vertrauensgrundsatz aus. Diese Auslegung prüft das Bundesgericht im Berufungsverfahren frei (BGE 107 II 163 E. 6b mit Hinweisen). Nach dem Vertrauensgrundsatz sind Willenserklärungen der Parteien so auszulegen, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten (BGE 111 II 279 E. 2b und 287 mit Hinweisen).
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Der Wortlaut der isoliert betrachteten Ziff. 8 lit. a würde es zwar nicht ausschliessen, den Provisionsanspruch bereits bei der blossen Möglichkeit einer Beurkundung zuzuerkennen. Indessen muss die streitige Vertragsklausel im gesamten Zusammenhang beurteilt werden, in dem sie steht. Wenn die klar formulierte Ziff. 3 des Vertrags die Fälligkeit der Provision erst am Tage der Beurkundung eines Kaufvertrags eintreten lässt, so reicht die Möglichkeit dazu nicht aus. Die blosse Möglichkeit wäre auch viel zu unbestimmt, als dass angenommen werden könnte, auch der Beklagte habe vernünftigerweise die Fälligkeit des Provisionsanspruchs von ![]() | 10 |
b) Selbst wenn der Wortlaut des Vertrags die Auslegung des Klägers zuliesse, wäre das Urteil des Kantonsgerichts nicht zu beanstanden. Lässt sich der wirkliche Parteiwille nicht feststellen, so ist für die Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz sämtlichen Umständen des Vertragsschlusses Rechnung zu tragen (BGE 107 II 418 E. 6 und 476 mit Hinweisen), um aus den verschiedenen nach dem Wortlaut möglichen Auslegungen die richtige zu ermitteln.
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In diesem Rahmen hat der Richter einmal zu berücksichtigen, welche Lösung sachgerechter ist. Für die Auffassung des Klägers könnte sprechen, dass es das Abstellen auf den tatsächlich beurkundeten Kaufvertrag dem Beklagten ermögliche, ohne Begründung den Vertragsschluss zu verweigern, nachdem der Kläger alles dafür Notwendige unternommen hat. Allein dieses Risiko ist das typische Risiko des Mäklers, wie sich aus Art. 413 OR ergibt, dem als Ausgleich die Erfolgsbedingtheit des Mäklerlohns gegenübersteht, die eine höhere Provision gestattet, als wenn nach Aufwand abzurechnen wäre.
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Mit der Vorinstanz ist ferner zu berücksichtigen, welche Auslegung dem dispositiven Recht entspricht, das in der Regel die Interessen der Parteien genügend wahrt, weshalb eine Partei, die davon abweichen will, dies mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen muss, sofern sich der entsprechende Vertragswille nicht klar aus den Umständen ergibt (KRAMER, N. 48 zu Art. 18 OR; JÄGGI/GAUCH, N. 447 zu Art. 18 OR; vgl. auch BUCHER, OR Allg. Teil S. 155 und BUCHER in Festgabe für H. DESCHENAUX, Freiburg 1977, S. 256 ff.). Die dispositive Norm von Art. 413 OR setzt für den Mäklerlohn das tatsächliche ![]() | 13 |
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