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10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. April 1987 i.S. M. gegen F. und M.S. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 752 ff. OR. Aktienrechtliche Verantwortlichkeit. |
2. Umfang der Sorgfaltspflichten von Verwaltungsräten (Art. 722 Abs. 1 OR) (E. 3a). |
3. Die Deckung der Darlehensforderung einer Aktiengesellschaft durch das Privatvermögen des Darlehensnehmers und Hauptaktionärs im Zeitpunkt der Demission der Verwaltungsräte schliesst deren aktienrechtliche Verantwortlichkeit nicht aus (Art. 754 Abs. 1 OR); Bedeutung des "Klumpenrisikos" (E. 3b). | |
Sachverhalt | |
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B.- Die Klage des Abtretungsgläubigers M. gegen die ehemaligen Verwaltungsräte F. und M. S. über Fr. 381'667.35 aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit gemäss Art. 752 ff. OR wiesen das Bezirksgericht Zürich und auf Berufung des Klägers das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 13. Mai 1986 ab. Das Bundesgericht heisst die vom Kläger gegen das Urteil des Obergerichts eingereichte eidgenössische Berufung teilweise gut und weist die Sache zu neuer Entscheidung im Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Mit der Berufung beanstandet der Kläger, das Obergericht habe die bundesrechtlichen Begriffe des schädigenden Verhaltens und des Schadens im Sinn von Art. 754 OR sowie den Begriff des adäquaten Kausalzusammenhangs verkannt. Unstrittig sei der im Konkurs entstandene Schaden von über 1,1 Millionen Franken Folge der fehlenden Sicherung des E. S. gewährten Kredits. Bei pflichtgemässer Sorgfalt hätten die Beklagten nach den üblichen und allgemein anerkannten Grundsätzen der Kreditgewährung nicht auf Sicherheiten verzichten dürfen. Nach diesen Grundsätzen seien neben der Person des Kreditnehmers die Höhe des Kredits und die Kreditsicherung ausschlaggebend. Das Obergericht habe weder die bereits 1971 angespannte Finanzlage von E. S. noch die schliesslich zum Liquiditätsverlust der Gesellschaft führende Höhe des Darlehens berücksichtigt, obwohl in den Kontrollstellenberichten per 30. Juni 1971 und 1972 auf die gefährdete Liquidität hingewiesen worden sei. Eine sorgfältige Vermögensanlage hätte das sogenannte Klumpenrisiko vermeiden müssen. Schliesslich weise das Fehlen normaler Rückzahlungskonditionen und Sicherheiten darauf hin, dass eine Rückzahlung der Kontokorrentschuld durch den Hauptaktionär nicht beabsichtigt gewesen sei. Indem das Obergericht diese Argumente übergangen und die von den Beklagten vor dem 28. Dezember 1972 gesetzten Ursachen für den bei pflichtgemässer Sorgfalt voraussehbaren Schaden nicht berücksichtigt habe, sei auch der aus Art. 8 ZGB hergeleitete Beweisführungsanspruch verletzt worden.
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2. Wie in der Berufungsantwort zutreffend ausgeführt wird, hat das Obergericht das Vorliegen einer Schädigung der P. am 28. Dezember 1972 für das Bundesgericht verbindlich verneint. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich nicht um die ![]() | 6 |
Soweit das Obergericht die adäquate Kausalität zwischen dem Verhalten der Beklagten und der nach dem 28. Dezember 1972 ![]() | 7 |
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a) Eine Haftung der Verwaltungsräte aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit setzt voraus, dass sie der Aktiengesellschaft durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten einen Schaden zugefügt haben (Art. 754 Abs. 1 OR). Insbesondere obliegt es der Verwaltung, dafür besorgt zu sein, dass die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten fristgerecht erfüllen kann und dass ihr die notwendigen Eigenmittel erhalten bleiben.
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Art. 722 Abs. 1 OR verpflichtet die Verwaltungsräte zu aller Sorgfalt und nicht nur zur Vorsicht, die sie in eigenen Geschäften anzuwenden pflegen (BGE 99 II 179). Damit Fahrlässigkeit angenommen werden kann, ist erforderlich, dass das schädigende Ereignis für den Schädiger vorauszusehen war; dabei genügt es, dass sich der Schädiger nach der ihm zuzumutenden Aufmerksamkeit und Überlegung hätte sagen sollen, es bestehe eine konkrete ![]() | 10 |
Als adäquate Ursache eines Erfolgs ist auch im Bereich der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit ein Ereignis dann anzusehen, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der Erfahrung des Lebens geeignet war, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, so dass der Eintritt dieses Erfolgs durch jenes Ereignis allgemein begünstigt erscheint (BÜRGI/NORDMANN, Kommentar, N. 86 zu Art. 753/754 OR mit Hinweisen). Dabei muss sich der Richter hinsichtlich des Beweises dieses Zusammenhangs mit jener Gewissheit zufrieden geben, welche ihm die Erfahrung des Lebens verleiht und welche mit dem gewöhnlichen Lauf der Dinge rechnet (BÜRGI/NORDMANN, a.a.O.).
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b) Indem sich das angefochtene Urteil soweit ersichtlich darauf beschränkt, entsprechend den gerichtlichen Gutachten die zur Zeit der Demission noch bestehende Deckung der Kredite festzustellen, wird die Verantwortlichkeitsklage ohne Prüfung der Frage abgewiesen, ob eine schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflichten der Beklagten in einem früheren Zeitpunkt wenigstens eine adäquate Mitursache für die spätere Schädigung der Gesellschaft gesetzt hat. Das verletzt Bundesrecht und führt zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Die dem Bundesgericht vorliegenden Grundlagen gestatten es ihm nicht, selbst neu zu entscheiden, weshalb die Sache zurückzuweisen ist.
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Das Obergericht wird namentlich prüfen müssen, ob die Beklagten als Gesellschaftsorgane ihre Sorgfaltspflichten dadurch schuldhaft verletzt haben, dass sie Entstehung und Fortbestand eines ungesicherten Kredits von unstrittig bis 2,845 Millionen Franken zugunsten des Hauptaktionärs duldeten. Wie im Bankenbereich (vgl. Art. 4bis Abs. 1 BankG, BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar, N. 4 zu Art. 4bis BankG) gehört auch bei der Verwaltung einer Aktiengesellschaft eine vertretbare Risikoverteilung zu einer sorgfältigen Vermögensanlage, die ein sogenanntes "Klumpenrisiko" (ALBISETTI ET AL., Handbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens der Schweiz, 4. Auflage 1987, S. 415 f.) verbietet (PETER BÖCKLI, Aktienrechtliches Sondervermögen und Darlehen an Aktionäre ![]() | 13 |
Gelangt die Vorinstanz zur Auffassung, den Beklagten sei pflichtwidrige Unsorgfalt vorzuwerfen, wird sie den Kausalzusammenhang mit der Schädigung beurteilen müssen. Auch hier darf nicht die Ende 1972 noch bestehende Bonität entscheidend sein, weil ein ungesichertes Klumpenrisiko auch bei einem solventen Schuldner nach der Lebenserfahrung geeignet sein kann, wegen künftiger Entwicklungen zu einem Verlust zu führen. Im angefochtenen Urteil wird ja immerhin auf die Möglichkeit hingewiesen, dass E. S. in Liquiditätsschwierigkeiten hätte geraten können. Im Zusammenhang mit der Kausalität sind die Auswirkungen der Verhältnisse bei E. S. auf die Liquidität der Gesellschaft von massgeblicher Bedeutung. Sollte es an der natürlichen Kausalität fehlen, wäre das im neuen Entscheid klar zum Ausdruck zu bringen.
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