BGE 113 II 157 | |||
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29. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Februar 1987 i.S. Hans Schmidlin AG gegen die Stockwerkeigentümer der Überbauung "Vogelsang" in Zürich (Berufung) | |
Regeste |
Bauhandwerkerpfandrecht; Art. 648 Abs. 3 ZGB. | |
Sachverhalt | |
A.- Am 6. August 1980 schlossen die Hausbau Zürich AG und Otto Scramoncin mit der Bautreuhand AG einen Generalunternehmervertrag für die Überbauung "Vogelsang" in Zürich ab. In der Folge verpflichtete sich die Hans Schmidlin AG in einem Werkvertrag vom 22. Januar/24. März 1982, Holz-Leichtmetallfenster zum Preise von Fr. 551'675.-- zu liefern und zu montieren.
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Am 3. Mai 1983 forderte die Hans Schmidlin AG von der Hausbau Zürich AG und Otto Scramoncin einen Restwerklohn von Fr. 160'540.--. Die beiden verweigerten jedoch die Zahlung, da nicht sie, sondern einzig die Bautreuhand AG als Generalunternehmerin Schuldnerin des Werklohnes sei. Hierauf verfügte der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirks Zürich am 6. Mai 1983 auf Begehren der Hans Schmidlin AG die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts über Fr. 160'540.-- plus Zins zu 5% seit dem 15. März 1983 auf der Gesamtliegenschaft Kat. Nr. 4176. Dabei wurde ausdrücklich die Aufteilung der Forderung auf die einzelnen Stockwerkeinheiten vorbehalten und die Zustellung diesbezüglicher Verfügungen in Aussicht gestellt. Am 9. Mai 1983 wurde das Pfandrecht auf der Gesamtliegenschaft Kat. Nr. 4176/GB-Blatt 559 eingetragen.
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B.- Auf Begehren der Hans Schmidlin AG verfügte der Einzelrichter am 16. Juni 1983 die "Aufhebung" bzw. Löschung der Eintragung auf der Gesamtliegenschaft, verteilte die Forderungssumme nach Massgabe der Wertquoten auf die einzelnen Stockwerkeigentumseinheiten und ordnete die provisorische Eintragung entsprechender Bauhandwerkerpfandrechte auf den Grundbuchblättern Nr. 1758-1779 der einzelnen Stockwerkeigentumseinheiten an. Die Eintragung erfolgte am 21. Juni 1983 durch das Grundbuchamt Zürich-Fluntern.
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Mit Urteil vom 3. Mai 1985 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage der Hans Schmidlin AG auf definitive Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten auf den einzelnen Stockwerkeinheiten der Liegenschaft Kat. Nr. 4176 ab und wies das Grundbuchamt Zürich Fluntern an, die vorläufige Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte zu löschen.
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Eine Berufung der Hans Schmidlin AG wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 25. Februar 1986 ab. Das angefochtene Urteil wurde bestätigt.
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C.- Gegen dieses Urteil wendet sich die Hans Schmidlin AG mit Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragt dessen Aufhebung und die definitive Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte auf den Stockwerkeigentumseinheiten der Beklagten gemäss der Aufteilung, wie sie am 21. Juni 1983 im Grundbuch eingetragen worden sei.
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Die beklagten Stockwerkeigentümer beantragen die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Bereits am 9. Mai 1983 hatte die Klägerin ein Bauhandwerkerpfandrecht mit der gleichen Pfandsumme auf der Gesamtliegenschaft der Stockwerkeigentümer eintragen lassen. Gemäss Art. 648 Abs. 3 ZGB können die Miteigentümer die Sache selbst indessen nicht mehr mit Grundpfandrechten oder Grundlasten belasten, wenn solche Rechte bereits an den einzelnen Miteigentumsanteilen bestehen. Im vorliegenden Fall waren die einzelnen Stockwerkeinheiten nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz im Zeitpunkt, als die Klägerin auf der Gesamtliegenschaft ein Bauhandwerkerpfandrecht eintragen liess, bereits anderweitig belastet. Es stellt sich daher die Frage, ob Art. 648 Abs. 3 ZGB auch auf die nachträgliche Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts auf der Gesamtliegenschaft anwendbar ist oder nicht.
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a) In BGE 95 I 574 E. 3a hat das Bundesgericht auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die bei der Zwangsverwertung entstehen, wenn nach der Verpfändung von Miteigentumsanteilen die Sache selbst mit weiteren Pfandrechten belastet wird, die jenen an den einzelnen Miteigentumsanteilen nachgehen. Es sei sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, in einem solchen Fall einerseits die Rechte des Gläubigers zu wahren, dem die Sache selbst verpfändet ist, andererseits aber zu vermeiden, dass die Miteigentümer, die ihre Anteile nicht verpfändet haben, gegenüber den anderen in ungerechtfertigter Weise benachteiligt werden.
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Bei einer Zwangsvollstreckung in das ganze Grundstück wird tatsächlich derjenige Miteigentümer, der durch die Verpfändung seines Anteils einen Gegenwert erhalten hat, weniger betroffen als der Miteigentümer, der seinen Anteil nicht verpfändet hat (EGGEN, Die Entwürfe der Eidg. Justizabteilung über Miteigentum und Stockwerkeigentum, in ZBGR 40/1959, S. 326 oben; vgl. hierzu auch BGE 95 I 572 f. E. 2). Diese Benachteiligung gilt es nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Gesetzgeber war bestrebt, das Stockwerkeigentum so auszugestalten, dass die einzelne Stockwerkeinheit wie eine Einzelliegenschaft behandelt werden kann, soweit nicht die gemeinschaftlichen Interessen der Stockwerkeigentümer in Frage stehen (vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Abänderung des vierten Teils des Zivilgesetzbuches (Miteigentum und Stockwerkeigentum) vom 7. Dezember 1962, BBl 1962 II S. 1490; 1498 f.). Dank der teilweisen Verselbständigung der Stockwerkeigentümergemeinschaft, die in gewisser Hinsicht wie eine juristische Person behandelt wird, konnte grundsätzlich auch auf die solidarische Haftung der einzelnen Stockwerkeigentümer für Gemeinschaftsschulden verzichtet werden (TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. Aufl., S. 653). Selbst für Pfandschulden, die auf der Gesamtliegenschaft lasten, sollen die Stockwerkeigentümer in persönlicher Hinsicht grundsätzlich nicht solidarisch, sondern nur anteilsmässig haften (Botschaft, a.a.O., S. 1502; OTTIKER, Pfandrecht und Zwangsvollstreckung bei Miteigentum und Stockwerkeigentum, Diss. Zürich 1972, S. 47, je mit Hinweisen). Die Haftung greift indessen gegenüber allen Stockwerkeigentümern Platz, soweit die Gesamtliegenschaft Haftungsobjekt ist. Die Stockwerkeigentümer können somit die Vollstreckung in die Gesamtliegenschaft nur verhindern, wenn sie auch für die anteilsmässigen Schulden eines säumigen Stockwerkeigentümers aufkommen. Die angestrebte Beschränkung der persönlichen Haftung kommt insoweit nicht zum Tragen, was im allgemeinen nicht im Interesse der Stockwerkeigentümer liegt.
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Abgesehen von diesen unterschiedlichen Interessen der Miteigentümer gilt es auch jene solcher Gläubiger zu wahren, denen bereits eine Stockwerkeinheit verpfändet ist. Denn bei einer Zwangsverwertung der Gesamtliegenschaft erhält der Ersteigerer diese als Ganzes, womit die Miteigentumsanteile untergehen und die Gläubiger, denen diese verpfändet sind, ihr Pfandobjekt verlieren. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist dem Anliegen von Art. 648 Abs. 3 ZGB Rechnung zu tragen.
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b) Anderseits erfordert die Privilegierung, die der Gesetzgeber den Bauhandwerkern mit dem Bauhandwerkerpfandrecht einräumt, keineswegs, dass für diese Grundpfandgläubiger in jedem Fall eine Wahlmöglichkeit zwischen der Belastung der Liegenschaft als Ganzes und der Belastung der einzelnen Stockwerkeinheiten bestehen muss. Der den Bauhandwerkern zugedachte Rechtsschutz ist auch gewahrt, wenn Art. 648 Abs. 3 ZGB beachtet wird. Zudem würde die Besserstellung der Bauhandwerker, die bewirkt würde, wenn Art. 648 Abs. 3 ZGB auf das Bauhandwerkerpfandrecht nicht angewendet würde, in keinem Verhältnis zur Benachteiligung stehen, die andere Pfandgläubiger und bestimmte Stockwerkeigentümer damit in Kauf zu nehmen hätten.
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c) Es entspricht somit dem Sinne des Gesetzes, dass Art. 648 Abs. 3 ZGB auch auf das Bauhandwerkerpfandrecht Anwendung findet, welches als mittelbares gesetzliches Pfandrecht den früher begründeten Pfandrechten nachgeht. Dies widerspricht auch dem Wortlaut von Art. 648 Abs. 3 ZGB nicht. Es ist zu beachten, dass das Bauhandwerkerpfandrecht nach heute herrschender Ansicht grundsätzlich nur unter Mitwirkung der betroffenen Miteigentümer zustandekommen kann (OTTIKER, a.a.O., S. 72 mit Hinweisen; TUOR/SCHNYDER, a.a.O., S. 746), so dass die Stockwerkeigentümer bei der Begründung zumindest nicht völlig unbeteiligt sind. Zudem hat das Bundesgericht bereits in BGE 95 I 575 darauf hingewiesen, dass der von den Eidg. Räten verabschiedete Gesetzestext allgemeiner formuliert war: "Bestehen Grundpfandrechte oder Grundlasten an Miteigentumsanteilen, so kann die Sache selbst nicht mehr mit solchen Rechten belastet werden." Die nachträglich erfolgte Änderung, dass "die Miteigentümer die Sache selbst nicht mehr mit solchen Rechten belasten" können, ist als rein redaktionell anzusehen.
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In Übereinstimmung mit diesen Erwägungen bejaht denn auch die herrschende Lehre die Anwendung von Art. 648 Abs. 3 ZGB auf das Bauhandwerkerpfandrecht (EGGEN, a.a.O., S. 325 f.; FRIEDRICH, Das Stockwerkeigentum, N 10 zu § 47; LIVER, Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, S. 78; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N 44 zu Art. 648 ZGB; OTTIKER, a.a.O., S. 65; OTTIKER, Zum Bauhandwerkerpfandrecht beim Stockwerkeigentum, in: ZBGR 52/1971, S. 195 ff.; vgl. auch SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. Aufl. 1982, S. 92 ff.). Die in BGE 95 I 574 f. und BGE 111 II 34 f. offengelassene Frage, ob die Gesamtliegenschaft mit einem Bauhandwerkerpfandrecht belastet werden könne, wenn bereits auf einer Stockwerkeinheit ein Grundpfand oder eine Grundlast besteht, ist demnach negativ zu beantworten.
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d) An der Unzulässigkeit der Eintragung auf der Gesamtliegenschaft würde sich im übrigen auch nichts ändern, wenn die Stockwerkeigentümer entsprechend der Behauptung der Klägerin ihr Einverständnis zur Eintragung gegeben hätten. Zwar ist das Bundesgericht in BGE 95 I 574 ff. davon ausgegangen, dass unter den Betroffenen eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden könne. Voraussetzung ist jedoch, dass einer solchen Abmachung auch die Gläubiger von Pfandrechten an den einzelnen Anteilen zustimmen (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N 41 zu Art. 648 ZGB). Dies ist im vorliegenden Fall nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht der Fall. Dem Vorwurf eines Verstosses gegen Treu und Glauben, der in diesem Zusammenhang von der Klägerin erhoben wird, weil sich die Beklagten im nachhinein nicht mehr an diese Vereinbarung halten würden, ist damit zum vornherein die Grundlage entzogen.
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