BGE 113 II 369 | |||
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64. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. November 1987 i.S. H. Anton Keller gegen Schweizerische Nationalbank (Berufung) | |
Regeste |
Gegendarstellungsrecht; Medium im Sinne von Art. 28g Abs. 1 ZGB. | |
Sachverhalt | |
A.- Am 11. Oktober 1986 erschien im "Tages-Anzeiger" ein Artikel, der mit dem Titel "Die Geldwaschanlage des H. Anton Keller" und mit dem Untertitel "Wie 'ehrbare' Schweizer versuchen, Fluchtgelder in die Schweiz zu locken, und dabei den Ruf des Parlamentes aufs Spiel setzen" überschrieben war. Dieser Artikel wurde in der Folge unverändert und kommentarlos im Pressespiegel der Schweizerischen Nationalbank abgedruckt.
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Mit Schreiben vom 27. Oktober 1986 verlangte H. Anton Keller von der Schweizerischen Nationalbank die Publikation einer von ihm verfassten Gegendarstellung. Diese lehnte am 30. Oktober 1986 die Publikation ab. Sie erklärte sich hingegen bereit, eine Gegendarstellung aufzunehmen, falls diese zuvor im "Tages-Anzeiger" publiziert werde.
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B.- Mit Eingabe vom 12. November 1986 gelangte H. Anton Keller an den Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich und beantragte, die Schweizerische Nationalbank sei unverzüglich und unter Androhung von Straffolgen im Unterlassungsfall zum kostenlosen Abdruck der Gegendarstellung in einer der nächsten Ausgaben des Pressespiegels aufzufordern.
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Dieses Begehren wies der Einzelrichter am 28. November 1986 mangels Passivlegitimation der Schweizerischen Nationalbank ab.
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Mit Beschluss vom 14. April 1987 wies das Obergericht des Kantons Zürich den von H. Anton Keller erhobenen Rekurs ab und bestätigte die angefochtene Verfügung.
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C.- Gegen diesen Beschluss wendet sich H. Anton Keller mit Berufung an das Bundesgericht. Er beantragt u.a. den Beschluss des Obergerichts und die Verfügung des Einzelrichters aufzuheben. Die Klage vom 12. November 1986 sei gutzuheissen und die Schweizerische Nationalbank unter Androhung von Straffolgen gemäss Art. 292 StGB zu verpflichten, die Gegendarstellung von 20. Oktober 1986 in der nächsten Ausgabe des Pressespiegels abzudrucken.
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Die Schweizerische Nationalbank beantragt die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Aus den Erwägungen: | |
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Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz dem Kläger ein Recht auf Gegendarstellung abgesprochen, weil der fragliche Pressespiegel nicht an die Öffentlichkeit gelange und die Beklagte den Empfängerkreis zu kontrollieren vermöge. Beim Pressespiegel der Beklagten handle es sich daher nicht um ein Medium, das der Gegendarstellungspflicht unterstehe. Der Kläger bestreitet diese Auffassung.
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Aus dieser Offenheit des Medienbegriffes lässt sich für den vorliegenden Fall allerdings nichts direkt herleiten. Zu prüfen bleibt vielmehr unabhängig davon, ob der Pressespiegel der Beklagten angesichts des beschränkten Personenkreises, dem er zugänglich ist, noch als gegendarstellungspflichtiges Medium zu betrachten sei.
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a) Ein Medium im Sinne von Art. 28g Abs. 1 ZGB liegt unbestrittenermassen nur vor, wenn sich dieses an die Öffentlichkeit richtet oder der Öffentlichkeit zugänglich ist. Keine einheitliche Auffassung herrscht in der Lehre indessen darüber, unter welchen Voraussetzungen die Öffentlichkeit zu bejahen ist. TERCIER (Le nouveau droit de la personnalité, N 1326-1328) verlangt, dass das Medium eine grosse Anzahl von Personen erreichen könne. Dabei stellt er darauf ab, ob das Unternehmen noch die Möglichkeit habe, den Adressatenkreis persönlich zu kontrollieren. Solange dies der Fall sei, liege kein dem Gegendarstellungsrecht unterworfenes Medium vor. Der öffentliche Charakter kennzeichne sich eben dadurch, dass das Medium irgend jemandem oder wenigstens einer unbestimmten Anzahl von Personen zugänglich sei. Allerdings könne diese Voraussetzung auch bei einer zu privaten Zwecken erstellten Mitteilung erfüllt sein, sobald die Anzahl der Personen dem Unternehmen keine persönliche Kontrolle mehr erlaube. Ebenso fordert BARRELET (Droit suisse des mass medias, N 633), dass sich das Medium an eine bedeutende Anzahl von Personen richtet. Dabei sei weniger der allgemeine Zugang entscheidend, als das Vorhandensein einer Öffentlichkeit. Diese kennzeichne sich einerseits durch die Anzahl der Empfänger und andererseits durch das Fehlen eines Vertrauensbandes (lien de confidentialité) unter ihnen. Bei einer Gruppe von etwa zehn Personen sei das Merkmal der Öffentlichkeit noch nicht erfüllt, wohl aber bei einer Gruppe von etwa 50 oder 100 Personen. Nach BUCHER (Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, Rz. 643) setzt der Medienbegriff schliesslich ein Informationsinstrument voraus, das jedermann zugänglich ist. Wenn der Zugang an Verpflichtungen von einer gewissen Bedeutung gebunden sei, die mit der Informationsverbreitung in keinem direkten Zusammenhang stünden (z.B. Mitteilungsblätter oder Zirkularschreiben an die Mitglieder einer politischen Partei oder einer Gewerkschaft), so könne es sich nicht um ein Medium handeln.
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b) Die Zahl der Adressaten bzw. Empfänger bildet ein wesentliches Merkmal der für ein Medium erforderlichen Öffentlichkeit. Je kleiner der Empfängerkreis einer Information wird und je stärker die verbreiteten Informationen der Sache nach begrenzt werden, um so mehr nähert sich die Informationsverbreitung einer rein internen Kenntnisvermittlung, wie sie in Schulen, Vereinen und Betrieben jeder Art laufend vorkommt. Der Gesetzgeber hat sein Augenmerk beim Gegendarstellungsrecht indessen vor allem auf jene Informationsverbreitung grossen Stils gerichtet, die zur Meinungsbildung der Allgemeinheit beitragen will. Diese Informationsverbreitung soll auf einer soliden Grundlage geschehen, zu der auch das Gegendarstellungsrecht beiträgt. Bei einer eng begrenzten Informationsverbreitung innerhalb eines geschlossenen Personenkreises fehlt es an diesem Öffentlichkeitsbezug, der eine besondere Zuverlässigkeit der Informationen erfordert und auch entsprechende Erwartungen weckt. Dementsprechend entfällt auch das Bedürfnis nach einem besonderen Gegendarstellungsrecht. Wo allerdings im Einzelfall die Grenze in bezug auf einen Meinungsträger zu ziehen ist, der sich in diesem Sinne an eine weitere Öffentlichkeit wendet, fällt nicht leicht. Wenn TERCIER (a.a.O.) diesbezüglich darauf abstellt, ob der Informationsverbreiter noch die Möglichkeit besitze, den Empfängerkreis persönlich zu kontrollieren, so schliesst dies nicht aus, dass dieser Kreis unter Umständen recht gross ist, ohne dass ein gegendarstellungspflichtiges Medium vorliegt. Dies trifft beispielsweise zu, wenn die zahlreichen Empfänger eines Informationsinstrumentes genau bekannt und zur Geheimhaltung verpflichtet sind. Je nach dem Inhalt und dem Zweck einer personenbezogenen Information mag hier die Verneinung des öffentlichen Charakters und damit des Gegendarstellungsrechts nicht unbedenklich sein. In noch vermehrtem Masse gelten diese Bedenken für die Auffassung von BUCHER (a.a.O.), der auf das Kriterium der Kontrollmöglichkeit verzichtet und den öffentlichen Charakter bereits dann verneint, wenn sich ein Informationsinstrument grundsätzlich nur an eine genau bestimmte - unter Umständen aber sehr grosse - Gruppe von Personen richtet. Andererseits im wesentlichen bereits dann den Öffentlichkeitscharakter zu bejahen, wenn die Information an fünfzig und mehr Empfänger verbreitet wird, wie dies der Meinung von BARRELET zu entsprechen scheint, muss als zu schematisch bezeichnet werden.
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c) Auf eine genaue Grenzziehung kann im vorliegenden Fall indessen verzichtet werden. Es ist unbestritten, dass im Pressespiegel der Beklagten lediglich ein Artikel einer Tages-Zeitung in unveränderter Form aufgenommen worden ist. Dem Kläger hätte es freigestanden, vom Verleger der betreffenden Tages-Zeitung eine Gegendarstellung in dessen Publikationsorgan zu verlangen.
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Beim Pressespiegel der Beklagten handelt es sich somit nur um eine besondere Form der Weiterverwendung eines gegendarstellungspflichtigen Mediums. Die Beklagte hätte es nämlich in der Hand, die entsprechenden Presseerzeugnisse bei ihren Mitarbeitern direkt oder in Form von Ausschnitten in einer Sammelmappe zirkulieren zu lassen. Dieser Vorgang wäre ebensowenig gegendarstellungspflichtig wie das Herumreichen einer Zeitung in der Familie oder einem besonderen Personenkreis. Wenn aber beim Herumreichen mehrerer Einzelzeitungen oder einer Mappe mit ausgewählten Presseausschnitten nicht von einem zweiten selbständigen Medium gesprochen werden kann, so ist nicht einzusehen, weshalb etwas anderes gelten solle, wenn von den entsprechenden Presseausschnitten eine begrenzte Anzahl von Fotokopien hergestellt wird. Es ist vielmehr einleuchtender, das Gegendarstellungsrecht auch in diesem Fall bei jenem Medienunternehmen anzuknüpfen, das den Artikel zuvor veröffentlicht hat. Nur dieses Medienunternehmen besitzt die Möglichkeit, zur Gegendarstellung eine Erklärung im Sinne von Art. 28k Abs. 2 ZGB abzugeben. Derjenige, der ein Presseerzeugnis in seiner Umgebung unverändert weitergibt, kann hingegen nicht oder nur in sehr geschränktem Masse mitteilen, ob an der Tatsachendarstellung festgehalten werde und auf welche Quellen sich diese stütze.
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Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass auch die Weiterverbreitung eines bestehenden und unveränderten Presseerzeugnisses ein solches Ausmass annehmen kann, dass nicht mehr ein eng begrenzter und überschaubarer Vorgang im Lebensbereich eines Zeitungskäufers oder -abonnenten vorliegt, sondern eine medienmässige Sekundärverbreitung. In einem solchen Fall würde sich die Frage der Öffentlichkeit und des Bedürfnisses nach einer besonderen Gegendarstellung im betreffenden Sekundärorgan ganz anders stellen. Im hier zu beurteilenden Fall stellt sich diese Frage indessen nicht. Die Streuung des Pressespiegels der Beklagten beschränkt sich auf eine bestimmte Anzahl von Angehörigen der Schweizerischen Nationalbank und einige hochgestellte Chefbeamte. Bezeichnenderweise ist es dem Kläger denn auch nicht gelungen, in den Besitz eines Exemplars des beanstandeten Pressespiegels zu gelangen. Ein Bedürfnis für ein besonderes Gegendarstellungsrecht im betreffenden Pressespiegel liegt somit offenkundig nicht vor.
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