BGE 113 II 506 | |||
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88. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. November 1987 i.S. Immoconsulta AG gegen Georg Schwyzer und Mitbeteiligte (Berufung) | |
Regeste |
Auslegung einer Grunddienstbarkeit (Art. 730/738 ZGB). |
2. Dieser Dienstbarkeit kann keine Vorschrift entnommen werden, wonach im Falle des Zusammenbaus von zwei Häusern je zwei in statischer, funktioneller und ästhetischer Hinsicht selbständige Gebäude erstellt werden müssen. |
3. Eine Attikawohnung, die sich über zwei zusammengebaute Häuser erstreckt, verträgt sich mit Wortlaut, Sinn und Zweck der Servitut. | |
Sachverhalt | |
A.- Die Immoconsulta AG (Herrliberg) beabsichtigt, auf ihrem Grundstück Kat. Nr. 655 in Zürich-Enge sechs Mehrfamilienhäuser zu bauen, von denen je zwei aneinandergebaut werden sollen. Gemäss Beschluss vom 6. September 1986 der Bausektion II des Stadtrates von Zürich hat die Immoconsulta AG hiefür die mit Bedingungen verbundene Baubewilligung erhalten.
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Auf dem Grundstück lastet die sogenannte Parkring-Servitut vom 22. Mai 1947 (Servitutenprotokoll Zürich-Enge Nr. 757), die für das ganze Quartier gegenseitige Bau- und Gewerbebeschränkungen vorsieht. Sie hat bezüglich der in Frage stehenden Parzelle folgenden Wortlaut:
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"Auf den Grundstücken ... sind nur Wohnhäuser mit maximal einer Wohnung
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pro Etage gestattet. In bezug auf das Zusammenbauen ist höchstens
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gestattet, zwei Wohnhäuser aneinander zu errichten, sei es auf dem gleichen
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Grundstück, sei es zwischen zwei Grundstücken; dabei darf jedes der beiden
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Häuser maximal eine Wohnung pro Etage aufweisen. Zur Erreichung einer
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guten Bauausnützung innerhalb dieses maximalen Baurahmens und der
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gesetzlichen Grenz- und Gebäudeabstände sind ausdrücklich beliebige
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Land-Neueinteilungen (Zusammenlegungen oder Parzellierungen)
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gestattet. ..."
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Georg Schwyzer, Doris Gäumann, Silvia Scheuermann und Max Saesseli sind Eigentümer von am Parkring gelegenen Liegenschaften, die ebenfalls durch die Parkring-Servitut belastet und berechtigt sind. Sie widersetzten sich der von der Immoconsulta AG geplanten Überbauung, indem sie eine Verletzung dieser Dienstbarkeit geltend machten.
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B.- Am 1. März 1985 klagte die Immoconsulta AG beim Bezirksgericht Zürich auf Feststellung, dass ihr Bauvorhaben die Parkring-Servitut nicht verletze. Das Bezirksgericht Zürich hiess die Klage mit Urteil vom 2. Oktober 1986 gut und wies die Widerklage der Gegenpartei, mit welcher ein Verbot des Bauvorhabens verlangt wurde, ab. Demgegenüber hiess das Obergericht des Kantons Zürich eine Berufung von Georg Schwyzer, Doris Gäumann, Silvia Scheuermann und Max Saesseli gut, wies somit die Hauptklage der Immoconsulta AG ab und verbot dieser in Gutheissung der Widerklage die Ausführung des umstrittenen Bauvorhabens.
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Gegen dieses Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. April 1987 erhob die Immoconsulta AG Berufung an das Bundesgericht, die gutgeheissen wurde.
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Aus den Erwägungen: | |
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In dem hier zu beurteilenden Fall ist dem Wortlaut des Dienstbarkeitsvertrags vom 22. Mai 1947 zweierlei zu entnehmen: Jedes Wohnhaus darf nicht mehr als eine Wohnung je Stockwerk haben, und der Zusammenbau ist auf zwei Wohnhäuser beschränkt. Daraus lässt sich der Zweck der Dienstbarkeit erkennen: Die Wohndichte soll tief gehalten und der Umfang (das Volumen) der Bauten soll beschränkt werden. Gleich wie mit den für das ganze Gebiet geltenden Gewerbebeschränkungen wird mit diesen Vorschriften der Parkring-Servitut die Hebung der Wohnqualität angestrebt.
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3. Einleitend zur Parkring-Servitut wird festgestellt, neben den öffentlichrechtlichen Bauvorschriften gälten "nachstehende privatrechtliche Bauvorschriften". Diese (übrigens selbstverständliche) Feststellung schafft, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, keineswegs eine Verbindung zwischen öffentlichem und privatem Recht in dem Sinne, dass die Vorschriften des öffentlichen Rechts für die Auslegung der Dienstbarkeit beizuziehen wären, sofern - wie im vorliegenden Fall - keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie nicht ohnehin Bestandteil der privatrechtlichen Vereinbarung geworden sind.
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Damit ist der Überlegung der Boden entzogen, weil die Dienstbarkeit im Gegensatz zu der im Zeitpunkt ihrer Errichtung geltenden Bauordnung das Doppelwohnhaus nicht nenne, sei mit dem Begriff des Zusammenbauens "der Begriff der Trennbarkeit unauflöslich verbunden". Auch lässt sich - mit dem Hinweis auf das am 1. April 1947 aufgehobene Baureglement für das Villenquartier Enge, an dessen Stelle die Bauordnung der Stadt Zürich und, am 22. Mai 1947, die Parkring-Servitut getreten sei - nicht behaupten, die geplante Überbauung mit 18 Wohnungen und 44 Abstellplätzen widerspreche dem Charakter eines angenehmen und ruhigen Wohnquartiers. Beschränkt sind nach der Dienstbarkeit nämlich die Zahl der Wohnungen je Etage und das Bauvolumen, nicht aber die Zahl der Wohnungen überhaupt. Abstellplätze für Fahrzeuge werden von der Dienstbarkeit schon gar nicht ins Auge gefasst.
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Insbesondere stellt die Vorinstanz fest, dass auf den Blöcken B und C je eine grosse Attikawohnung gebaut werden solle, die von einer Blockhälfte her durch Lift und Treppenhaus erschlossen sei. Baulich reichten diese Attikawohnungen über die darunter liegende Brandmauer auf die andere Blockhälfte hinüber.
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Anderseits ist den Feststellungen im angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass bei jedem Wohnblock getrennte Eingänge und bei den Blöcken B und C getrennte Treppenschächte optisch erkennbar sind. Insoweit verstösst das Bauprojekt der Klägerin auf jeden Fall nicht gegen den Wortlaut der Dienstbarkeit.
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Demgegenüber kann eine Attikawohnung, die sich über zwei Blockhälften erstreckt, den Eindruck erwecken, es bestehe nur ein einziges Wohnhaus anstatt deren zwei. Von diesem Eindruck ausgehend, könnte man meinen, auf jeder der unteren Etagen seien zwei Wohnungen untergebracht anstatt nur eine, wie es die Servitut verlangt. Das wird denn auch von den Beklagten in den Vordergrund gestellt und von der Klägerin eingesehen.
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Übertrieben erscheint sodann die Erklärung der Beklagten, es würde eine Grossüberbauung mit zahlreichen (Klein-)Wohnungen entstehen, wenn das Projekt der Klägerin verwirklicht werden könnte; denn die aneinander gebauten Wohnhäuser würden als ein einziges Gebäude betrachtet und, mit Ausnahme der Attikawohnung, zwei Wohnungen je Stockwerk aufweisen. Wie bereits ausgeführt, kann der umstrittenen Servitut keine Bestimmung entnommen werden, welche die äussere (und die innere) Ausgestaltung der Wohnhäuser vorschreibt. Daher besteht keine Verpflichtung der Dienstbarkeitsbelasteten, die Fassaden (Fenster, Balkone usw.) so zu gestalten, dass daraus auf zwar zusammengebaute, aber dennoch optisch getrennte Wohnhäuser geschlossen werden kann.
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Abgesehen davon, dass das Verlangen nach einer äusserlich in Erscheinung tretenden Trennung der Wohnhäuser im Wortlaut der Servitut keine Stütze findet, ist zuzugeben, dass - nach den vorliegenden Plänen und dem Modell zu schliessen - jeder der projektierten Wohnblöcke als eine Einheit erscheint und dass gewisse Anlagen wie Heizung, Keller, Waschküche und Aufzug nicht doppelt vorgesehen sind. Insoweit entbehren die zusammengebauten Häuser, jedes für sich genommen, der konsequenten funktionellen Selbständigkeit. Indessen ist nicht ersichtlich, was für die Erfüllung des Dienstbarkeitszweckes erreicht wäre und was die Servitutsberechtigten gewinnen würden, wenn in jedem Wohnblock die technischen Anlagen doppelt erstellt würden, jeder Wohnblock eine durchgehende Trennmauer hätte und die Keller in zwei völlig voneinander getrennte und nicht miteinander verbundene Teile getrennt würden. Unter diesem Gesichtspunkt besteht kein schutzwürdiges Interesse der Beklagten, dass rigoros auf den Wortlaut der Dienstbarkeit ("jedes der beiden Häuser") abgestellt wird.
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a) Zutreffend ist die Darstellung in der Berufungsantwort, dass eine solche Attikawohnung, welche sich über den ganzen Wohnblock erstreckt und das ganze Stockwerk beansprucht, den Wohnblock als ein einziges Haus erscheinen lässt; bezüglich der unteren Etagen würde der Eindruck erweckt, dass je zwei Wohnungen bestehen. Sollte der Wohnblock in zwei Hälften geteilt werden, würde im Attikageschoss den beiden Hälften eine Aussenmauer fehlen, und die eine Hälfte der Attikawohnung hätte keinen eigenen Zugang und wäre selbständig weder durch eine Treppe noch durch einen Lift erschlossen.
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Anderseits ist zu erwarten, dass eine sich über den ganzen Wohnblock erstreckende Attikawohnung weniger Bewohner beherbergen wird als zwei Wohnungen auf demselben Geschoss. Das wird weniger Immissionen nach sich ziehen und verstärkt eher den bürgerlichen Villencharakter, auf den die Beklagten Wert legen. Von einer "Vermassung der Bausubstanz" kann im Hinblick auf die Attikawohnungen jedenfalls keine Rede sein.
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b) Die endgültige Antwort ist wiederum im Zweck der Dienstbarkeit zu suchen. Als solcher ist die Tiefhaltung der Wohndichte und die Beschränkung des Bauvolumens erkannt worden. Hingegen kann es nicht als Zweck der Parkring-Servitut bezeichnet werden, eine statische und bauphysikalische Selbständigkeit jedes einzelnen Wohnhauses durchzusetzen. Eine konsequente funktionelle Selbständigkeit der technischen Anlagen würde - abgesehen davon, dass sie als unwirtschaftlich erscheint - das Bauvolumen eher vergrössern denn vermindern. Für das Verlangen nach optischer Unterscheidbarkeit der beiden Gebäudehälften kann, wie bereits ausgeführt, in der Dienstbarkeit keine Stütze gefunden werden; ja es ist zu befürchten, dass eine solche Differenzierung zu einer ästhetisch fragwürdigen Lösung führen könnte, welche auch nicht im Sinne der Beklagten läge.
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So gesehen, lässt sich die Meinung nicht aufrechterhalten, die geplanten Attikawohnungen seien mit der Parkring-Servitut unvereinbar. Wenngleich nicht zu übersehen ist, dass nach dem Wortlaut der Dienstbarkeit freistehende Wohnhäuser mit nicht mehr als einer Wohnung auf jeder Etage die Regel bilden sollen und der - nach der Dienstbarkeit zulässige - Zusammenbau von zwei Wohnhäusern sich dergestalt nach dieser Regel zu richten hat, dass jedes der beiden zusammengebauten Häuser höchstens eine Wohnung je Stockwerk aufweist, müssen die Attikawohnungen im vorliegenden Fall als noch zulässig betrachtet werden. Das erheischen nicht zuletzt der bei der Auslegung einer Dienstbarkeit zu beobachtende Grundsatz der Verhältnismässigkeit und das Gebot der restriktiven Auslegung (BGE 109 II 414 E. 3).
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