BGE 114 II 295 | |||
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53. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Juli 1988 i.S. J. gegen B. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 153 Abs. 1 ZGB; Verlust des Rentenanspruchs des im Konkubinat lebenden geschiedenen Ehegatten. | |
Sachverhalt | |
1 | |
In Ziff. 4 der gerichtlich genehmigten Ehescheidungskonvention verpflichtete sich J., seiner geschiedenen Ehefrau eine monatliche und indexierte Rente von Fr. 600.-- bis zum Eintritt ins AHV-Alter und anschliessend von Fr. 400.-- auszurichten.
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B.- Am 2. Juli 1986 reichte J. beim Amtsgericht Thun Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils ein. Er beantragte, seine Unterhaltsverpflichtung gemäss Ziff. 4 der Scheidungskonvention sei mit Wirkung ab 31. Januar 1986 aufzuheben. Seine geschiedene Ehefrau sei zu verpflichten, die seit der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens am 31. Januar 1986 ausgerichteten Unterhaltsbeiträge nebst Zins zu 5% seit deren jeweiligen Fälligkeit zurückzubezahlen. Zur Begründung machte er geltend, seine geschiedene Ehefrau lebe seit dem 1. Juli 1979 in einem eheähnlichen Verhältnis mit einem anderen Mann.
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Das Amtsgericht wies die Abänderungsklage am 17. Juni 1987 ab.
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J. erhob Appellation an den Appellationshof des Kantons Bern. Dieser wies die Klage mit Urteil vom 21. Dezember 1987 ebenfalls ab.
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C.- Gegen dieses Urteil hat J. Berufung an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und wiederholt die im kantonalen Verfahren gestellten Anträge.
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Die geschiedene Ehegattin beantragt die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Das Bundesgericht ist in seiner jüngeren Rechtsprechung davon ausgegangen, es stelle einen offenbaren Rechtsmissbrauch dar, wenn der rentenberechtigte Ehegatte nach der Scheidung mit einem Angehörigen des anderen Geschlechts eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eingehe, diesen aber nur deswegen nicht heirate, um den gesetzlichen Folgen des Rentenverlusts auszuweichen. Während der Nachweis der entsprechenden Umstände gemäss den Erwägungen von BGE 104 II 155 f. noch mehr oder weniger uneingeschränkt den Verlust des scheidungsrechtlichen Unterhaltsbeitrages nach sich ziehen sollte, sind die Voraussetzungen des Rentenverlustes in BGE 106 II 2 ff. genauer umschrieben worden. Unter Betonung der wirtschaftlichen Aspekte hat das Bundesgericht erwogen, von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten, das zum Verlust der Scheidungsrente führe, könne erst dann gesprochen werden, wenn der Rentenberechtigte aus der neuen Gemeinschaft ähnliche Vorteile ziehe, wie sie ihm die Ehe bieten würde, wenn also anzunehmen sei, der neue Partner biete ihm Beistand und Unterstützung, wie es Art. 159 Abs. 3 ZGB von einem Ehegatten fordere.
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In BGE 109 II 190 ist weiter präzisiert worden, dabei könne es selbstverständlich nicht darauf ankommen, ob der neue Partner dem rentenberechtigten geschiedenen Ehegatten einen wegfallenden scheidungsrechtlichen Unterhaltsbeitrag durch eigene finanzielle Leistungen vollwertig zu ersetzen vermöge und dazu auch gewillt sei; im Falle der Wiederverheiratung erlösche die Unterhaltspflicht des früheren Ehegatten ohne weiteres von Gesetzes wegen, und zwar auch dann, wenn keine Gewähr dafür bestehe, dass der Unterhalt in der neuen Ehe den Umfang desjenigen in der geschiedenen Ehe erreiche.
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Diese Präzisierung und der Hinweis auf Art. 159 Abs. 3 ZGB zeigen deutlich, dass es bei der neuen Gemeinschaft im Hinblick auf den Verlust eines scheidungsrechtlichen Unterhaltsbeitrages nicht allein auf grundsätzlich gleichwertige finanzielle Vorteile ankommt. Die Bereitschaft, einen Konkubinatspartner finanziell zu unterstützen, ist in aller Regel vielmehr Ausdruck der inneren Verbundenheit bzw. einer Schicksalsgemeinschaft, wie sie bei der Frage der Weitergeltung bzw. des Wegfalles der Scheidungsrente ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist (vgl. hierzu KEHL-ZELLER, Die analoge Anwendung von Art. 153/I ZGB auf Konkubinatsverhältnisse, SJZ 80/1984, S. 42 f.; HAUSHEER in ZBJV 1986, 66 f.).
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b) Art. 153 Abs. 1 ZGB knüpft den Verlust der Scheidungsrente an die Wiederverheiratung. Im Hinblick auf eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung ist möglichst umfassend zu prüfen, ob ein Konkubinatsverhältnis eine der Ehe vergleichbare Gemeinschaft bildet - soweit dies überhaupt möglich ist. Die Dauer des Konkubinatsverhältnisses bildet hierzu deswegen ein ganz wesentliches Beurteilungskriterium, weil sie nicht nur Rückschlüsse auf die Stabilität des Verhältnisses und die Bereitschaft zu gegenseitiger persönlicher und finanzieller Unterstützung zulässt, sondern auch solche auf die innere Verbundenheit der Konkubinatspartner.
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Die analoge Anwendung von Art. 153 Abs. 1 ZGB (vgl. hierzu KEHL-ZELLER, a.a.O., S. 40 ff.; ferner: SCHNYDER, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1983, ZBJV 121/1985, S. 85 f.) erfordert somit den Bestand einer solcherweise qualifizierten eheähnlichen Lebensgemeinschaft. In Übereinstimmung damit steht die vom Bundesgericht aufgestellte Tatsachenvermutung, wonach bei einem Konkubinat, das im Zeitpunkt der Einleitung der Abänderungsklage bereits fünf Jahre gedauert hat, grundsätzlich anzunehmen sei, die Beziehung zwischen den beiden Parteien sei so eng und stabil, dass der beklagte Konkubinatspartner von seinem neuen Lebensgefährten in einer allfälligen Notlage Unterstützung und Beistand wie von einem Ehegatten erwarten könne (vgl. BGE 109 II 191). Diese Tatsachenvermutung führt lediglich zu einer Umkehrung der Beweislast; der Verlust der Scheidungsrente als solcher beruht insoweit nach wie vor auf einer analogen Anwendung von Art. 153 Abs. 1 ZGB.
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c) Entgegen vereinzelten Stimmen in der Lehre (KEHL-ZELLER, a.a.O.) besteht nun aber kein Anlass, ganz von der Betrachtungsweise des Rechtsmissbrauchs abzurücken. Auch wenn ein qualifiziertes Konkubinat im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorliegt, soll der geschiedene Ehegatte seine Scheidungsrente nur dann verlieren, wenn sein Festhalten an der Rente als rechtsmissbräuchlich erscheint. Dies ist bei einem durch lange Dauer stabilisierten Konkubinat in der Regel zwar anzunehmen. Ein solches Konkubinat legt die Vermutung nahe, von einer neuen Ehe werde nur deshalb abgesehen, um den scheidungsrechtlichen Unterhaltsanspruch nicht untergehen zu lassen (vgl. BGE 109 II 191). Dem geschiedenen Ehegatten soll indes der Nachweis offenbleiben, dass besondere und ernsthafte Gründe vorliegen, die der begründeten Erwartung einer eheähnlichen Versorgung entgegenstehen.
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Bei diesem Nachweis geht es somit weniger um die Gründe, weshalb die Konkubinatspartner keine neue Ehe eingehen wollen oder können (so noch BGE 106 II 5 oben). Entscheidend ist vielmehr, ob trotz der qualifizierten eheähnlichen Lebensgemeinschaft aufgrund der gesamten Situation nicht erwartet werden kann, dass eine mit der Ehe vergleichbare gegenseitige Unterstützung des bedürftigen Partners sichergestellt ist.
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Den Interessen des unterhaltsverpflichteten geschiedenen Ehepartners, der sich daran stösst, für seine ehemalige Ehefrau noch Unterhaltsleistungen zu erbringen, wenn diese eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, wird mit dieser Rechtsprechung ebenfalls Rechnung getragen. Hat das Konkubinat bei Einleitung der Abänderungsklage bereits fünf Jahre gedauert, so obliegt dem unterhaltsverpflichteten Kläger nur der entsprechende Nachweis. Es ist dann Sache der beklagten Partei zu beweisen, das Konkubinat sei nicht so eng und stabil, dass sie Beistand und Unterstützung ähnlich wie in einer Ehe erwarten könne, oder dass sie trotz des qualifizierten Konkubinates aus besonderen und ernsthaften Gründen weiterhin Anspruch auf die Scheidungsrente erheben dürfe. Dieser Beweis wird in der Regel nicht einfach zu erbringen sein. Das Vorbringen beispielsweise, wegen der Enttäuschung in der vorherigen Ehe keine neue Ehe eingehen zu wollen, vermag nach dem Gesagten kaum je zu genügen.
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3. Im Zeitpunkt der Klageeinreichung hat die Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanz indessen erst rund vier Jahre im Konkubinat gelebt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommt demnach die Tatsachenvermutung, wonach bei einem im Zeitpunkt der Klageeinleitung fünfjährigen Konkubinat angenommen werden könne, der Rentenberechtigte ziehe aus der neuen Gemeinschaft eheähnliche Vorteile und gehe nur zur Vermeidung des Rentenverlustes keine neue Ehe ein, nicht zum Tragen. Es liegt somit am Kläger, das Vorliegen dieser Umstände positiv nachzuweisen.
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Diesen Nachweis hat der Kläger nicht geleistet. Dem erstinstanzlichen Urteil, auf das die Vorinstanz insoweit verwiesen hat, lässt sich vielmehr entnehmen, dass die Beklagte in einer eigenen Wohnung mit eigenem Mobiliar wohnt. Sie führt eine getrennte Kasse, und es bestehen keine finanziellen Verflechtungen. Den Akten - die vom Bundesgericht im Sinne von Art. 64 Abs. 2 OG zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz herangezogen werden dürfen - lässt sich ferner entnehmen, dass die Beklagte einer eigenen Erwerbstätigkeit nachgeht.
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Wohl sind anderseits gewisse Anhaltspunkte nicht zu übersehen, die für das Vorliegen eines qualifizierten Konkubinates im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sprechen. Dass die Wohnung der Beklagten durch eine Wendeltreppe mit derjenigen ihres Freundes verbunden ist und dieser in der persönlichen Befragung ausgesagt hat, sich gegenüber der Beklagten in einer Notsituation "schon zu Beistand verpflichtet zu fühlen", lassen angesichts der übrigen Umstände jedoch nicht zwingend den Schluss zu, die neue Gemeinschaft der Beklagten sei bereits so stabil und eng, dass diese in einer allfälligen Notlage von ihrem Partner eine ähnliche Unterstützung und Beistand erwarten könne, wie es Art. 159 Abs. 2 und 3 ZGB für Ehegatten vorsieht.
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