BGE 115 II 113 - Gegendarstellung | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
21. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Januar 1989 i.S. Z AG gegen C.J. Bucher AG (Luzerner Neuste Nachrichten) (Berufung) | |
Regeste |
Verweigerung einer offensichtlich unrichtigen Gegendarstellung (Art. 28h Abs. 2 ZGB). |
2. Müssen vom Richter bei Beurteilung des Wahrheitsgehalts der Gegendarstellung die rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Beziehungen zwischen Vertragspartnern untersucht und Verträge ausgelegt werden, so lassen sich die in der Gegendarstellung aufgestellten Behauptungen nicht als offensichtlich unrichtig bezeichnen (E. 5a und b). |
3. Präzisierung des Textes der Gegendarstellung durch den Richter (E. 5c). | |
Sachverhalt | |
A.- In den Luzerner Neusten Nachrichten (LNN) erschien am 14. Januar 1988 auf der "Letzten Seite" ein Beitrag unter dem Titel "Leiter der GEM Collection verurteilt". Darin wurde über die Verurteilung der beiden Hauptverantwortlichen der ehemaligen Gem Collection AG, Marcel Stutz und Dieter Hörner, wegen Verstosses gegen das Lotteriegesetz berichtet. Sodann wurde ausgeführt, dass die beiden Verurteilten auf ähnliche Weise im Rahmen ihrer neuen Organisation, der Z AG, weiterarbeiteten. Der letzte Absatz des Artikels lautet:
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"Nichts gelernt?
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Obwohl Gem Collection von der Bildfläche verschwunden ist, geht die Geschäftstätigkeit mit Franchiseverträgen unter der Firmenbezeichnung (Z AG) weiter. Dabei stehen der ehemalige Gem-Verwaltungsratspräsident Stutz sowie der ehemalige Gem-Organisationsdirektor Hörner der neuen Firma vor. Sie arbeitet nach ähnlichem Prinzip wie die Gem Collection. Bei Vertragsabschluss haben die Einsteiger indes (nur) 7'777 Franken zu bezahlen."
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B.- Am 6. Februar 1988 verlangte der Rechtsvertreter der "Z AG und Z Vertriebs AG Zürich" von der LNN die Veröffentlichung der folgenden Gegendarstellung:
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"In der Ausgabe der (Luzerner Neusten Nachrichten) vom 14. Januar 1988 erschien unter dem Titel (Leiter der GEM Collection verurteilt) ein Artikel, der unrichtige Angaben über die Z AG enthält:
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Die Z AG schliesst keine Franchise-Vertrüge ab. Sie bietet lediglich Schulungskurse an, die Fr. 4'500.-- und nicht, wie fälschlicherweise behauptet, Fr. 7'777.-- kosten."
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Da die LNN die Veröffentlichung der Gegendarstellung verweigerten, klagte die Z AG am 29. Februar 1988 beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich gegen die C.J. Bucher AG als Verleger der LNN. Sie stellte das Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, die Gegendarstellung unverzüglich in den LNN mit gleichwertiger Plazierung in bezug auf Rubrik und Seite sowie in gleich auffälliger Aufmachung zu publizieren wie den Artikel, auf den sich die Gegendarstellung beziehe.
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Der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich wies das Begehren mit Verfügung vom 17. März 1988 ab. Das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer), an welches die Z AG in der Folge rekurrierte, wies den Rekurs mit Beschluss vom 22. Juli 1988 ab und bestätigte die Verfügung des Einzelrichters.
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C.- Die Z AG erhob mit Eingabe vom 12. September 1988 Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragte die Aufhebung des Beschlusses des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. Juli 1988 und wollte die Berufungsbeklagte verpflichtet wissen, "die in der Beilage zum Brief der Berufungsklägerin vom 6. Februar 1988 enthaltene Gegendarstellung (Beilage 2 und 3) unverzüglich in den (Luzerner Neusten Nachrichten) mit gleichwertiger Plazierung in bezug auf Rubrik und Seite sowie in gleich auffälliger Aufmachung zu publizieren". Eventuell beantragte die Z AG, die Berufungsbeklagte sei zu verpflichten, "den Gegendarstellungstext mit den vom Richter vorgenommenen Streichungen und/oder Umformulierungen zu publizieren".
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Aus den Erwägungen: | |
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Dem Medienunternehmen ist vom Gesetzgeber die Befugnis eingeräumt worden, die Gegendarstellung zu verweigern, weil eine offensichtlich unrichtige Gegendarstellung ihre Aufgabe, einer Tatsachendarstellung eine andere gegenüberzustellen, nicht erfüllen kann. Es kann nicht der Sinn des Rechts auf Gegendarstellung sein, offensichtliche Unwahrheiten zu verbreiten (TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zürich 1984, N. 1481; HOTZ, Kommentar zum Recht auf Gegendarstellung, Bern 1987, S. 76). Indessen ist Art. 28h Abs. 2 ZGB in dem Sinne restriktiv auszulegen, dass das Medienunternehmen die offensichtliche Unrichtigkeit der geforderten Gegendarstellung sofort und auf unwiderlegbare Weise darzutun hat. Dazu ist es nur in der Lage, wenn die Unwahrheit der in der Gegendarstellung behaupteten Tatsachen allgemein bekannt ist. Das ist der Fall, wenn ein Gerichtsurteil die Unrichtigkeit feststellt oder sonst unwiderlegbare Beweise sie darzutun vermögen (TERCIER, a.a.O., N. 1482; HOTZ, a.a.O., S. 76). Da die Gegendarstellung - wie vor allem der erstinstanzliche Richter festgehalten hat - den Sachverhalt nur aus der Sicht des Betroffenen wiedergibt, führt sie nicht zu einer Verantwortung des Medienunternehmens; dessen Weigerung, die Gegendarstellung zu veröffentlichen, kann daher nur in ganz eindeutigen Fällen gerechtfertigt sein (PEDRAZZINI/ OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 2. Auflage Bern 1985, S. 153 f.).
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b) Der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich hat an sich zutreffend ausgeführt, dass es nach dem Konzept der Gegendarstellung bei der Anwendung von Art. 28h Abs. 2 ZGB nicht um die Abklärung von Richtigkeit oder Unrichtigkeit der einen oder der andern Tatsachendarstellung gehe, sondern darum, dem Betroffenen die Möglichkeit zu eröffnen, im Sinne einer Berichtigung unverzüglich eine Antwort vor die Öffentlichkeit zu tragen, um die Nachteile eines langdauernden ordentlichen Prozesses zu vermeiden (FRANK, Persönlichkeitsschutz heute, Zürich 1983, S. 142 f.; Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Persönlichkeitsschutz: Art. 28 ZGB und 49 OR], BBl 1982 II, S. 636 ff., 672). Im weiteren geht auch der Einzelrichter davon aus, dass der Grund, welcher zur Verweigerung der Gegendarstellung durch das Medienunternehmen führt, in klarer Weise vorliegen müsse, da nur dies dem Sinn und Zweck des Rechts auf Gegendarstellung entspreche.
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Die Frage, ob die in der Gegendarstellung der Z AG aufgestellte Behauptung, dass diese keine Franchise-Verträge abschliesse, offensichtlich unrichtig sei, hat der Einzelrichter bejaht. Er hat zunächst darauf abgestellt, dass die Z AG nach ihrem eigenen Zugeständnis bis 1. Juli 1986 Franchise-Verträge abgeschlossen habe; indessen behaupte sie, dass sie seit jenem Zeitpunkt nur noch Schulungskurse anbiete. Sodann hat der Einzelrichter die zwischen der Z AG und der Z Vertriebs AG bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Verbindungen untersucht, und er ist nach eingehender Auslegung der als "Agenturvertrag" bezeichneten Rechtsgeschäfte, welche die Z Vertriebs AG nun abschliesst, zum Ergebnis gelangt, dass es sich entgegen dem Wortlaut auch hier um Franchise-Verträge handle. Dass die Verträge nicht von der Z AG selber, sondern von ihrer Tochterfirma Z Vertriebs AG abgeschlossen würden, sei in Anbetracht der engen wirtschaftlichen und personellen Verflechtung eine für das angesprochene Publikum unerhebliche juristische Formalität. Wesentlich sei allein, dass die Verträge von einer der "Z-Firmen" abgeschlossen würden, was auch aus dem Ingress des beanstandeten Artikels hervorgehe, der von der "Organisation (Z AG") spreche.
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c) Das Obergericht des Kantons Zürich betrachtet diese Auffassung in allen Punkten als zutreffend. Demgegenüber hält es die Einwände der Klägerin für nicht stichhaltig. Insbesondere sei nicht einzusehen, weshalb ein Vertrag nicht mittels Auslegung einem Typus der Innominatverträge zugeordnet werden könne.
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Der juristischen Selbständigkeit der Z AG einerseits und der Z Vertriebs AG anderseits misst das Obergericht ebenfalls keine Bedeutung zu. Wegen der unbestrittenen Beherrschung der Z Vertriebs AG durch die Z AG sei für das von der Zeitung angesprochene Publikum kein Unterschied zwischen den beiden Firmen ersichtlich. Der Meinung der Vorinstanz, dass die Frage, ob die Verträge von der einen oder von der anderen Firma abgeschlossen würden, für das Publikum nur eine unbedeutende juristische Formalität bedeute, sei daher beizupflichten. Die Klägerin versuche mit ihrer Darstellung den Eindruck zu erwecken, die Z AG habe mit der Z Vertriebs AG überhaupt nichts zu tun, und diese Darstellung sei offensichtlich unrichtig. Die Berufung auf die juristische Selbständigkeit erscheine unter diesen Umständen geradezu rechtsmissbräuchlich und würde zu einem Ergebnis führen, das von der gesetzlichen Regelung nicht beabsichtigt war.
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a) Mit ihrer Gegendarstellung will die Klägerin im Hinblick auf den letzten Absatz eines Textes, worin die Weiterführung der Geschäftstätigkeit mit Franchise-Verträgen der Gem Collection durch die Z AG behauptet wird, die Gegenbehauptung aufstellen, dass die Z AG keine Franchise-Verträge abschliesse, sondern lediglich Schulungskurse anbiete. Es stellt sich im vorliegenden Verfahren daher allein die Frage, ob - im Sinne der oben genannten (E. 4) Grundsätze - das Medienunternehmen von der offensichtlichen Unrichtigkeit dieser Gegenbehauptung ausgehen und daher die Aufnahme der Gegendarstellung verweigern durfte.
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Nun sind aber die kantonalen Instanzen dem Einwand der Z AG, dass sie selbst seit 1. Juli 1986 keine Franchise-Verträge mehr abschliesse, nachgegangen. Dabei haben sie - wie dargelegt - die rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Beziehungen zwischen der Klägerin und der Z Vertriebs AG untersucht und in einlässlicher Auslegung der von der Z Vertriebs AG abgeschlossenen "Agenturverträge" die Unrichtigkeit des im Text der Gegendarstellung behaupteten Sachverhalts festgestellt.
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Angesichts der Mühe an rechtlichen Überlegungen, der sich beide kantonalen Instanzen unterzogen haben, kann nicht mehr mit Fug gesagt werden, die in der Gegendarstellung aufgestellte Behauptung, die Z AG schliesse keine Franchise-Verträge ab, sei offensichtlich unrichtig, wie es Art. 28h Abs. 2 ZGB zur Voraussetzung der Verweigerung einer Gegendarstellung macht. Der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich hat selber richtig erkannt, dass es im Rahmen des Gegendarstellungsrechts nicht darum gehen kann, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Tatsachendarstellung abzuklären. Wenn er aber in der Folge die von der Z Vertriebs AG abgeschlossenen "Agenturverträge" unter Anrufung der Lehre rechtlich qualifiziert hat, nur um den von der Klägerin behaupteten Sachverhalt zu überprüfen, so ist er damit über die Aufgabe hinausgegangen, die ihm der Gesetzgeber übertragen hat. Die Klägerin (welche die Richtigkeit der von den kantonalen Instanzen vorgenommenen Vertragsqualifikation aus naheliegenden Gründen bestreitet) wendet daher zu Recht ein, dass unterschiedliche Auslegungen nicht vorweg ausgeschlossen werden können; und sie führt weiter zutreffend aus, dass im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 28g ff. ZGB nicht darüber zu entscheiden sei, welche Vertragsauslegung die richtige sei, und dass von der Beantwortung dieser Frage nicht der Entscheid abhängig gemacht werden könne, ob die Gegendarstellung zu veröffentlichen sei oder nicht. In der Tat lässt sich nicht sagen, die LNN oder gar der durchschnittliche Zeitungsleser hätten mit der von der Z AG eingereichten Gegendarstellung einen Text vor sich gehabt, der - mit der darin enthaltenen Behauptung, die Z AG schliesse keine Franchise-Verträge, sondern nur Schulungsverträge ab - auf Anhieb als unrichtig zu erkennen war. Die Beklagte konnte sich deshalb nicht auf den Standpunkt stellen, die Z AG verwende die Gegendarstellung zweckwidrig, indem sie, statt das Publikum korrekt zu informieren, unrichtige Äusserungen verbreite (vgl. Botschaft, S. 675 f.).
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b) Ergibt sich schon unter diesem Gesichtspunkt, dass die kantonalen Instanzen zu Unrecht angenommen haben, die Klägerin habe eine offensichtlich unrichtige Tatsache behauptet, so kann an sich dahingestellt bleiben, ob das Obergericht des Kantons Zürich zu Recht der Auffassung gewesen ist, für das vom beanstandeten Beitrag angesprochene Publikum sei kein Unterschied zwischen der Z AG und der Z Vertriebs AG ersichtlich und deshalb sei die Frage, ob die Verträge von der einen oder von der andern Firma abgeschlossen würden, nur eine unerhebliche juristische Formalität. Dem könnte allenfalls beigepflichtet werden, wenn beide Firmen im beanstandeten Artikel genannt worden wären. Indessen ist darin - wie auch im Text der Gegendarstellung - nur von der Z AG die Rede sowie von "ihrer neuen Organisation (Z AG)". Entgegen den Ausführungen der kantonalen Instanzen schliesst der über keine besonderen Informationen verfügende Leser daraus nicht zwingend auf das Bestehen einer weiteren Unternehmung, die ihrerseits die Geschäftstätigkeit mit Franchise-Verträgen weiterführt, und zwar so, dass auch diese nach "ähnlichem Prinzip wie die Gem Collection" arbeitet. Wie die Klägerin mit Recht ausführt, erweckt ihre Gegendarstellung nicht den Eindruck, die Z AG habe nichts mit der Z Vertriebs AG zu tun. Sie behauptet nur, dass die Z AG keine Franchise-Verträge abschliesse; und diese Behauptung lässt sich, wie ausgeführt, nicht als offensichtlich unrichtig bezeichnen.
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c) Nun hat allerdings die Klägerin vor dem erstinstanzlichen Richter zugegeben, dass auch sie bis 1. Juli 1986 Franchise-Verträge einging. Diesem Umstand kommt insofern nur untergeordnete Bedeutung zu, als im Zeitpunkt, wo der beanstandete Artikel erschien und die Klägerin die LNN um die Gegendarstellung ersuchte - Anfang 1988 -, die Z AG offenbar keine Franchise- Verträge mehr abschloss.
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Nachdem aufgrund des Gesagten die Berufung gutzuheissen, der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Beklagte zur Veröffentlichung der Gegendarstellung zu verpflichten ist, rechtfertigt es sich aber, den Text der Gegendarstellung zu präzisieren, indem gesagt wird: "Die Z AG schliesst seit Juli 1986 keine Franchise- Verträge mehr ab."
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