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1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Januar 1990 i.S. Schmid gegen Tages-Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich AG (Berufung) | |
Regeste |
Gegendarstellung: Zeitpunkt der Anrufung des Richters (Art. 28l ZGB). | |
Sachverhalt | |
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Mit Schreiben vom 8. Juli 1988 liess Ralph Schmid durch seinen Anwalt einen Gegendarstellungstext vorlegen und der Redaktion der Zeitung unter Androhung rechtlicher Schritte im Weigerungsfall das Gesuch stellen, diesen zu veröffentlichen.
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Die Zeitung lehnte dieses Gesuch mit Schreiben vom 12. Juli 1988 unter Hinweis auf Art. 28i Abs. 1 ZGB als verspätet ab. Am 15. Juli 1988 liess Ralph Schmid sein Begehren erneuern, wobei er bestritt, dass es verspätet gestellt worden sei. In seiner Antwort vom 22. Juli 1988 hielt der Chefredaktor der Zeitung daran fest, dass das Gesuch um Gegendarstellung verspätet sei; er legte überdies dar, dass die Zeitung die Veröffentlichung der gewünschten Gegendarstellung auch aus materiellen Gründen ablehne.
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Mit Eingabe vom 24. August 1988 erhob Ralph Schmid beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirks Zürich gegen die Tages-Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich AG Klage mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte sei unter Androhung von Bestrafung wegen Ungehorsams gemäss Art. 292 StGB zu verpflichten, in einer ihrer nächsten Ausgaben des "Tages-Anzeigers" die von ihm verlangte Gegendarstellung zu veröffentlichen. Nachdem das Verfahren auf Ersuchen der Parteien während rund zwei Monaten geruht hatte, wies der Einzelrichter das klägerische Begehren mit Verfügung vom 8. Februar 1989 ab.
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In Abweisung eines Rekurses des Klägers bestätigte das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich am 4. Juli 1989 den Entscheid der ersten Instanz.
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Das Bundesgericht weist die vom Kläger gegen den obergerichtlichen Beschluss erhobene Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
2. a) Das Obergericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger mit seinem an die Beklagte gerichteten Ersuchen vom 8. Juli 1988, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, die Frist nach Art. 28i Abs. 1 ZGB gewahrt habe. Indessen habe der Kläger mit ![]() | 8 |
b) In der Berufung wendet der Kläger im wesentlichen ein, er habe erst nach Erhalt des Schreibens der Beklagten vom 22. Juli 1988 die Gewissheit gehabt, dass diese die Veröffentlichung der verlangten Gegendarstellung endgültig ablehne; das Schreiben sei erst am Montag, dem 25. Juli 1988, in Empfang genommen worden. Vier Wochen später, nach dem Ende der allgemeinen Ferienzeit und nach weiteren Instruktionen, die sein Anwalt im Ausland - d.h. in Monte Carlo, seinem Wohnort - habe einholen müssen, sei die Klage am 24. August 1988 eingereicht worden. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die Post in Frankreich und Monaco während der Sommermonate nur sehr schleppend funktioniere.
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Der Kläger führt weiter aus, dass ausdrücklich verzichtet worden sei, im Schweizerischen Zivilgesetzbuch eine Frist zur Klageeinreichung festzulegen. Eine Fristversäumnis könne aber auch deshalb nicht angenommen werden, weil das Gesetz dem Betroffenen die Möglichkeit einräume, die gewünschte Gegendarstellung innerhalb von drei Monaten nach Verbreitung der beanstandeten Äusserung an das Massenmedium abzusenden. Diese Frist sei hier eingehalten, und es sei nicht einzusehen, weshalb die Frist zur Klageeinreichung knapper zu bemessen sei.
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"Der Entwurf nennt keine Frist für die Klageerhebung, weil es Sache des Klägers ist, dafür zu sorgen, dass die Gegendarstellung sobald als möglich veröffentlicht wird. Wer dabei offensichtlich zögert, zeigt, dass er auf die Ausübung seines Rechts verzichtet. Er kann vom Richter nur noch verlangen, dass dieser die Veröffentlichung einer Berichtigung - im Rahmen einer Unterlassungs- oder Feststellungsklage - anordnet (Art. 28a Abs. 2); damit aber muss er die Widerrechtlichkeit nachweisen."
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Unter Hinweis auf diese Stelle der bundesrätlichen Botschaft hat auch das Bundesamt für Justiz in seinem an die Kantone gerichteten Zirkularschreiben vom 16. April 1984 zur Gesetzesnovelle (abgedruckt bei KARL MATTHIAS HOTZ, Kommentar zum Recht auf Gegendarstellung (ZGB 28g-l), S. 126 ff.) festgehalten, das Gesetz habe bewusst keine bestimmte Klagefrist vorgesehen, und es wird im erwähnten Rundschreiben weiter davon ausgegangen, die Kantone könnten hierüber nicht ergänzend legiferieren (a.a.O., S. 130). PIERRE TERCIER (Le nouveau droit de la personnalité, S. 221, Randziffer 1669) erklärt, dass die Befristung von den konkreten Umständen abhänge: Da einerseits die Frage einer Gegendarstellung dem Grundsatz nach geprüft und der Text im Hinblick auf das an das Medienunternehmen gerichtete Gesuch um Veröffentlichung aufgesetzt sein werde und andererseits das Gesetz ein einfaches, schnelles Verfahren vorschreibe, könne von einer kurzen Frist ausgegangen werden. Der erwähnte Autor hält dafür, dass die Zeitspanne jedenfalls nicht länger sein könne als die in Art. 28i Abs. 1 ZGB für das Absenden des Gegendarstellungstextes an das Medienunternehmen vorgesehenen zwanzig Tage; in den häufigsten Fällen würden etwa zehn Tage ausreichen, und zwar von der endgültigen Weigerung des Medienunternehmens, im Falle von Stillschweigen vom Zeitpunkt an gerechnet, da eine Antwort vernünftigerweise hätte erwartet werden können. Nach ANDREAS BUCHER (Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, S. 190, Randziffer 701) hat der Richter das zu seiner Anrufung erforderliche Interesse des Klägers "nach den Umständen und in analoger Berücksichtigung der in Art. 28i Abs. 1 (ZGB) vorgesehenen Fristen" zu beurteilen, und KARL MATTHIAS HOTZ ![]() | 13 |
4. a) Nachdem bewusst davon abgesehen worden ist, eine starre Frist für die Einreichung der Klage auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung in das Schweizerische Zivilgesetzbuch aufzunehmen, darf eine solche auch nicht auf dem Wege der Lückenfüllung durch die Rechtsprechung eingeführt werden. In Übereinstimmung mit den angeführten Lehrmeinungen rechtfertigt es sich jedoch anzunehmen, wer mit der gerichtlichen Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs allzulange zögere, verzichte in aller Regel auf diesen Anspruch oder habe, anders ausgedrückt, ein schutzwürdiges Interesse an dessen Durchsetzung verloren (so auch die oben zitierte bundesrätliche Botschaft). Es besteht für den Betroffenen in der Tat kein vernünftiger Grund dafür, mit der Klageerhebung zuzuwarten. Aus dem Wesen des Gegendarstellungsrechts als solchem ergibt sich die Notwendigkeit zu raschem Handeln, soll die Gegendarstellung überhaupt noch eine Wirkung erzielen können. Dazu kommt, dass gestützt auf Art. 28i Abs. 1 ZGB der Text der Gegendarstellung zuhanden des Medienunternehmens bereits schriftlich hat formuliert werden müssen und dass die Anrufung des Richters auch sonst nicht mit grösseren Schwierigkeiten verbunden ist. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass die Klage beim Richter am eigenen Wohnsitz angehoben werden kann (Art. 28l Abs. 2 ZGB), was im vorliegenden Fall wegen des ausländischen Wohnsitzes des Klägers allerdings nicht zum Tragen kommen konnte. Aus den angeführten Gründen ist für die gerichtliche Geltendmachung des Gegendarstellungsrechts keine längere Frist erforderlich als jene, die für das direkt an das Medienunternehmen zu richtende Begehren um Veröffentlichung der Gegendarstellung vorgesehen ist und gemäss Art. 28i Abs. 1 ZGB zwanzig Tage beträgt. Es ist deshalb denjenigen Autoren zuzustimmen, die von einer höchstens ![]() | 14 |
b) Bei der in Analogie zu Art. 28i Abs. 1 ZGB auf zwanzig Tage zu bemessenden Frist für die Klageeinreichung kann es sich nicht um eine eigentliche Verwirkungsfrist handeln. Anders entscheiden würde auf eine unzulässige Lückenfüllung hinauslaufen. Hingegen erscheint es als gerechtfertigt, nach Ablauf einer zwanzigtägigen Frist von der Vermutung auszugehen, der Betroffene habe an der gerichtlichen Geltendmachung des Gegendarstellungsrechts kein schützenswertes Interesse mehr. Erhebt er in der Folge dennoch Klage, ist es an ihm nachzuweisen, dass er an der Veröffentlichung der Gegendarstellung entgegen dieser Vermutung ein ausreichendes Interesse bewahrt hat. Ein solches Interesse wäre beispielsweise zu bejahen, wenn sich die Verzögerung der Klageeinleitung auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Gegendarstellung von vornherein nicht auswirken kann, weil die nächste Ausgabe einer Zeitschrift ohnehin erst in mehreren Monaten erscheint. Ein schützenswertes Interesse an der Weiterverfolgung des Gegendarstellungsanspruchs ist ferner etwa dann gegeben, wenn der Betroffene nachzuweisen vermag, dass er trotz einstweiliger Ablehnung seines Gegendarstellungsbegehrens durch das Medienunternehmen ernsthafte Gründe zur Annahme hatte, dem Gesuch um Veröffentlichung werde in absehbarer Zeit doch noch entsprochen werden. In solchen Fällen ginge die Aufrechterhaltung der Vermutung, dass ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse dahingefallen sei, zu weit.
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c) Viele Ähnlichkeiten mit dem Gesagten weist übrigens die in der Bundesrepublik Deutschland geltende Regelung auf. Auch in den dortigen Landespressegesetzen ist zur Anrufung des Richters keine Frist vorgesehen für den Fall, dass das direkt an die Presse zu richtende Verlangen nach Abdruck der Gegendarstellung ![]() | 16 |
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