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8. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Februar 1990 i.S. B. gegen Stockwerkeigentümergemeinschaft R. und Kons. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 712e ZGB; Festlegung und Abänderung der Wertquoten. |
2. Umschreibung und Bedeutung der Wertquoten (E. 5a). Ihre Festlegung muss sich nicht einzig nach wirtschaftlichen Kriterien richten (E. 5b). Es sind dabei nicht nur objektiv fassbare Kriterien ausschlaggebend, sondern regelmässig auch das Ermessen der Beteiligten (E. 5c). |
3. Merkmale des Irrtumstatbestandes im Sinne von Art. 712e Abs. 2 ZGB (E. 6). | |
Sachverhalt | |
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Das Bezirksgericht Kreuzlingen wies die Klage mit Urteil vom 2. Dezember 1988/27. Januar 1989 ab. Dieses Urteil wurde vom Obergericht des Kantons Thurgau am 6. Juni 1989 bestätigt.
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C.- Dagegen hat der Kläger Berufung an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Rückweisung zur Abnahme weitere Beweise und Neubeurteilung an das Obergericht des Kantons Thurgau.
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Die Beklagten schliessen auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Die Parteien streiten sich nach wie vor darum, ob dem Kläger ein Berichtigungsanspruch gemäss Art. 712e Abs. 2 ZGB zuzugestehen ist und dabei insbesondere um die Frage, ob die Festsetzung der auf seinen Anteil entfallenden Wertquote auf einem Irrtum beruht.
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b) Das Obergericht ist im angefochtenen Urteil den Erwägungen des Bezirksgerichts gefolgt, wonach es dem Kläger nicht ![]() | 8 |
c) In der Berufung wird die Verletzung der Art. 8 und 712e Abs. 2 ZGB geltend gemacht.
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Im einzelnen wird eingewendet, Art. 712e Abs. 2 ZGB verlange vom Abänderungskläger, dass er zwar die grundsätzliche Tatsache eines bei der Festsetzung der Wertquote unterlaufenen Irrtums, nicht aber dessen genaue Beschaffenheit darzutun habe; letzteres könne selbstredend auch vom kantonalen Recht nicht gefordert werden. Entscheidend bleibe nämlich - da die Annahme einer absichtlich falsch gestalteten Anteilsermittlung nicht gerechtfertigt sei -, dass jede objektiv unrichtige Quotenaufteilung auf einem ![]() | 10 |
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In der Berufungsantwort wird - wie bereits im kantonalen Verfahren - zu Recht darauf hingewiesen, dass die Stockwerkeigentümergemeinschaft bei der klageweisen Durchsetzung des in Art. 712e Abs. 2 verankerten Berichtigungsanspruches nicht passivlegitimiert sei. Im Schrifttum wird ausgeführt, dass bloss diejenigen Stockwerkeigentümer passivlegitimiert seien, deren Wertquoten aufgrund des geltend gemachten Berichtigungsanspruchs entsprechend geändert werden müssen. Die Gemeinschaft als solche findet in diesem Zusammenhang keine Erwähnung (MEIER-HAYOZ/REY, Berner Kommentar, 1988, N. 25 zu Art. 712e). Diese Auffassung hat ihren sachlichen Grund darin, dass die Änderung der einen Wertquote notgedrungen eine Verschiebung der Anteile einzelner oder aller anderen Stockwerke nach sich zieht und die Interessenlage der von der Quotenänderung betroffenen Eigentümer grundsätzlich nicht gleichgerichtet verlaufen muss. Da der Stockwerkeigentümergemeinschaft vorliegend keine eigenen Rechte an der Liegenschaft zustehen, ist nicht ersichtlich, ![]() | 12 |
5. a) Bei der Wertquote im Sinne von Art. 712e ZGB handelt es sich um eine abstrakte Verhältniszahl, die den Umfang der Berechtigung des einzelnen Stockwerkeigentümers im Vergleich zu den anderen am gemeinsamen Rechtsobjekt Beteiligten arithmetisch zum Ausdruck bringt. Als rechnerischer Behelf soll sie das Ausmass der Beteiligung des Stockwerkeigentümers am gesamten, sowohl Rechte als auch Pflichten umfassenden Rechtsinhalt des Miteigentums festhalten. Die praktische Bedeutung der Wertquoten liegt in ihrer Auswirkung auf die Bemessung der Stimmkraft des einzelnen Eigentümers (Art. 712g Abs. 3 ZGB), auf die Feststellung der Beschlussfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft (Art. 712p Abs. 1 ZGB) sowie auf die Verteilung der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten (Art. 712h Abs. 1 ZGB), einschliesslich der finanziellen Leistungen Dritter, unter die einzelnen Eigentümer (vgl. statt vieler MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 4-6, 9-11 zu Art. 712e ZGB, mit zahlreichen Hinweisen). Heute besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Wertquote mit dem Miteigentumsanteil nicht ohne weiteres gleichzusetzen ist (MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 6 zu Art. 712e ZGB; REY, Strukturen des ![]() | 13 |
b) Das Gesetz enthält keinerlei Bestimmungen darüber, wie die Wertquoten im einzelnen festzulegen sind und welche Faktoren dabei beachtet werden sollen. Angesichts der Bedeutung, die dieser Quote auch vom Gesetzgeber beigemessen wird, und der häufigen Hinweise auf die besondere Sorgfalt, die bei ihrer Festsetzung zu beachten sei, mag dieses Schweigen des Gesetzes erstaunen. Die Grösse der Miteigentumsanteile in ihrem gegenseitigen Verhältnis, und damit auch der Wertquoten als deren rechnerischer Ausdruck, bietet einen Anhaltspunkt bei der Ermittlung des Wertes der einzelnen Stockwerkeigentumsanteile. Dennoch wird in der Lehre vermerkt, dass die Wertquote der wirtschaftlichen Wertrelation der einzelnen Stockwerkseinheiten nicht entsprechen müsse. Dieselben Autoren halten freilich dafür, dass ein erhebliches Abweichen von der wirtschaftlichen Wertrelation weder üblich noch zu empfehlen sei und im Hinblick auf die Bedeutung der Wertquote überdacht werden müsste (MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 7 und 19 zu Art. 712e; WEBER, a.a.O., S. 146 ff., sowie S. 252, Fn. 3). Andere gehen mehr oder weniger stillschweigend von einer Wertverhältnismässigkeit aus und damit von einer Quotenfestlegung nach Massgabe der Wertrelation der einzelnen Sonderrechtsanteile, ohne aber zu verhehlen, dass den Beteiligten in dieser Frage ein sehr weites Ermessen zukomme (vgl. Liver, Das Eigentum, SPR V/1, S. 93; FRIEDRICH, Das Stockwerkeigentum, Reglement für die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer, 2. A. 1977, § 2, N. 20, S. 56, FRIEDRICH in SJK Nr. 1302, S. 4, sowie in ZBGR 54/1973, S. 143 f.). Es liegt auf der Hand, dass der Verkehrswert der einzelnen Stockwerkeigentumsanteile für die Bestimmung der Wertquoten im Sinne von Art. 712e ZGB nicht der entscheidende Faktor sein kann. Er richtet sich nach den Gesetzen des Marktes, ist von der aktuellen Nachfrage, mithin von den jeweiligen Bedürfnissen und Geschmacksrichtungen abhängig und damit dem steten Wandel ausgesetzt. Die Wertquote nach Art. 172e ZGB wird hingegen auf Dauer festgelegt. Sie muss als Verhältniszahl aller Anteile in der ![]() | 14 |
c) In der Praxis hat sich eine ganze Reihe verschiedener Vorgehensweisen zur Ermittlung der Wertquoten herausgebildet, ohne dass eine davon objektive Richtigkeit und ausschliessliche Geltung für sich beanspruchen könnte (vgl. etwa die Beispiele bei KURT MÜLLER, Der Verwalter von Liegenschaften mit Stockwerkeigentum, Zürcher Diss., 1965, S. 170 ff.; FRITZ SCHMID, Die Begründung von Stockwerkeigentum, Zürcher Diss., 1972, S. 94 ff.; WEBER, a.a.O., S. 148 f.; MAX MONTCHAL, La propriété par étages, undatiert, S. 25 ff.; WERNER ROMANG, Stockwerkeigentum in Recht und Praxis, Aktuelles Handbuch, Stand Dezember 1989, Teil 8, Kap. 4.4, S. 2). Das hat seinen Grund darin, dass mit Ausnahme einer Quotenermittlung einzig aufgrund von Flächen- oder Rauminhalten durchwegs auch Faktoren (z.B. Lage der einzelnen Räume, Zugänglichkeit, Aussicht, Immissionen) miteinbezogen werden, für deren Gewichtung es keine objektiven ![]() | 15 |
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Die Geltendmachung des in Art. 712e Abs. 2 ZGB dergestalt verankerten Irrtumstatbestandes setzt nun aber die Kenntnis der bei der ursprünglichen Quotenfestlegung verwendeten Kriterien zwingend voraus (vgl. MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 28/29 zu Art. 712e; REY, in ZBGR 60/1979, S. 131 f., beide im Zusammenhang mit der nachträglichen Veränderung der Verhältnisse). Nur so lässt sich beurteilen, ob die verschiedenen Anteile eine gleichmässige Behandlung erfahren haben, inwieweit einzelne davon versehentlich falsch bewertet worden sind, oder ob der Bewertungsmassstab als solcher auf irrtümlichen Grundlagen beruht. Ein Unterfangen, das angesichts des subjektiven Ermessens, welches bei der Quotenfestlegung in erheblichem Masse mitspielen kann, ohnehin schwierig genug bleibt.
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b) Die Ansicht des Klägers, wonach sich jede objektiv unrichtige Festlegung der Wertquoten als irrtümlich erweise, ist somit schon in ihrem Ansatz verfehlt. Dabei wird verkannt, dass das Ermessen der Beteiligten in aller Regel eine gewichtige Rolle spielt. Was als allfälliges Missverhältnis erscheinen könnte oder möchte, muss sich daher nicht notwendigerweise als Irrtum entpuppen. Daher muss auch die Vorstellung des Klägers, mittels Expertise nicht nur die Unrichtigkeit der angefochtenen Quote gemessen an ![]() | 18 |
Bedarf es somit aber bereits zur Erkennbarkeit des Irrtums oder der Unrichtigkeit im Sinne von Art. 712e Abs. 2 ZGB notwendigerweise der Kenntnis der den Wertquoten zugrundeliegenden Bewertungsfaktoren, ist vom Thurgauer Obergericht kein Bundesrecht verletzt worden, wenn es den Anspruch des Klägers als unzureichend substantiiert erachtet hat.
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