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Informationen zum Dokument  BGE 116 II 167  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Als Eigentümer und Verkäufer des umstrittenen Grunds ...
2. In erster Linie stellt sich die Frage, ob der Verkauf des Grun ...
3. Es ist allgemein anerkannt, dass die Zuweisung, die ein Grunds ...
4. Nach dem Ausgeführten hat das Bundesgericht nach allgemei ...
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31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. April 1990 i.S. Z. gegen Staat Zürich und Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Einspruchsverfahren nach Art. 19 Abs. 1 EGG.  
 
Sachverhalt
 
BGE 116 II, 167 (168)A.- E. Z. ist Eigentümer eines in der Gemeinde Dietikon gelegenen Grundstücks von 14,07 a Wiesland. Er beabsichtigt, dieses Land an die Firma X. zum Preise von Fr. 300.-- pro m2 zu veräussern. Die Parzelle befindet sich im sog. Niderfeld, welches gemäss Zonenplan vom 11. September 1969 zum übrigen Gemeindegebiet gehörte. Nachdem das Niderfeld im kantonalen Gesamtplan als Baugebiet bezeichnet worden war, wurde es im Rahmen des regionalen Siedlungsplanes zum Industriegebiet bestimmt. Der Gemeinderat Dietikon erklärte mit Beschluss vom 22. Oktober 1987 das ganze Niderfeld zur Reservezone. Auf Rekurs mehrerer Betroffener hin hob die Baurekurskommission I des Kantons Zürich mit Entscheid vom 16. Dezember 1988 die Zuweisung zur Reservezone auf und lud den Gemeinderat der Stadt Dietikon ein, über die Zonierung des Niderfeldes neu zu beschliessen. Der Gemeinderat hat aber bisher keinen entsprechenden Beschluss gefasst.
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B.- Das kantonale Landwirtschaftsamt erhob gegen den geplanten Landverkauf Einspruch wegen Spekulation im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG; SR 211.412.11). Z. widersetzte sich diesem Einspruch. Da eine Einigung nicht zustandekam, erhob das kantonale Landwirtschaftsamt am 2. Februar 1989 Klage beim Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich. Dieses bestätigte mit Urteil vom 16. März 1989 den Einspruch gegen den Verkauf des fraglichen Grundstücks.
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C.- E. Z. legt beim Bundesgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein mit dem Antrag, das Urteil des Landwirtschaftsgerichts BGE 116 II, 167 (169)sei aufzuheben und das Landwirtschaftsamt sei anzuweisen, seinen Einspruch gegen das geplante Rechtsgeschäft zurückzuziehen.
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Das kantonale Landwirtschaftsamt schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement deren Gutheissung beantragt. Das Landwirtschaftsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut, hebt das Urteil des Landwirtschaftsgerichts auf und weist den Einspruch des Staates Zürich gegen den geplanten Landverkauf ab.
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Aus den Erwägungen:
 
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a) In Art. 18 EGG werden die Kantone ermächtigt, gegen Liegenschaftsverkäufe auf ihrem Gebiet ein Einspruchsverfahren nach Massgabe der bundesrechtlichen Bestimmungen (Art. 19 ff. EGG) einzuführen. Von dieser Befugnis hat der Kanton Zürich im Einführungsgesetz zum EGG vom 23. September 1984 (EGzEGG) Gebrauch gemacht. Nach Art. 2 EGG findet das Gesetz Anwendung auf Liegenschaften, die ausschliesslich oder vorwiegend landwirtschaftlich genutzt werden. Die Kantone können aber die Geltung des Gesetzes für Bauzonen, die für die Entwicklung einer Ortschaft unentbehrlich sind, ausschliessen (Art. 3 Abs. 1 EGG). Gestützt auf diese Bestimmung hat der Kanton Zürich in § 2 EGzEGG festgelegt, dass das kantonale Landwirtschaftsamt gegen Kaufverträge über landwirtschaftliche Gewerbe und Liegenschaften, soweit sie nicht in einer Bauzone liegen, Einspruch erheben kann.
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BGE 116 II, 167 (170)b) Das Landwirtschaftsgericht ist im angefochtenen Entscheid davon ausgegangen, dass das Niderfeld, zu dessen Gebiet der Landstreifen des Beschwerdeführers gehört, noch altrechtliches "übriges Gemeindegebiet" darstelle, nachdem seine Zuteilung zur Reservezone von der Baurekurskommission aufgehoben worden war. Nach dem Entscheid dieser Kommission sei ein Teil des Niderfeldes in eine Bauzone zu überführen, während es als statthaft erachtet werde, den Rest des Areals in einer Reservezone zu belassen. Ob das fragliche Grundstück direkt der nun auszuscheidenden Industriezone zugeteilt werde oder ob es vorerst noch in eine Reservezone gelange, sei völlig offen. Es könnte allenfalls mit einer baldigen Einzonung der Parzelle in die Industriezone gerechnet werden. Gewissheit darüber bestehe aber nicht. Das Grundstück müsse daher einstweilen als "übriges Gemeindegebiet" betrachtet werden. Dieses sei aber keine Bauzone. Das Kaufgeschäft unterliege somit gemäss § 2 EGzEGG dem Einspruchsverfahren. Zu keinem andern Ergebnis gelange man, wenn das Niderfeld als sog. "Bauerwartungsland" einer Reservezone gleichgestellt würde. Auch diese enthalte kein Bauland.
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Der Beschwerdeführer wendet demgegenüber ein, dass für die Stadt Dietikon ein rechtskräftiger kantonaler Richtplan bestehe, in welchem das Niderfeld als Baugebiet verzeichnet sei. Dieser Richtplan dürfe weder vom kantonalen Landwirtschaftsamt bzw. vom Landwirtschaftsgericht noch von der Gemeinde bei der Zonenplanung missachtet werden.
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3. Es ist allgemein anerkannt, dass die Zuweisung, die ein Grundstück in der Zonenordnung erfährt, ein wesentliches Kriterium darstellt für seinen landwirtschaftlichen oder nichtlandwirtschaftlichen Charakter im Sinne des EGG (BGE 113 II 136 und BGE 111 II 326). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kommt es nicht in erster Linie auf den kantonalen Richtplan an. Es ist den Gemeinden nämlich nicht verwehrt, Land, das im Rahmen des Gesamtplanes grundsätzlich als Baugebiet bezeichnet wird, vorerst als Reserve auszuscheiden, wenn es weder weitgehend überbaut ist, noch voraussichtlich innert 15 Jahren für eine Überbauung benötigt wird (vgl. § 47 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975). Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch dem Zonenplan der Stadt Dietikon über den Charakter des umstrittenen Grundstücks nichts entnehmen, nachdem die kantonale Baurekurskommission dessen Zuweisung zur Reservezone aufgehoben und der Gemeinderat von Dietikon bisher diesbezüglich keinen BGE 116 II, 167 (171)neuen Beschluss gefasst hat. Das Landwirtschaftsgericht hat daher die Meinung vertreten, das Niderfeld stelle mangels anderweitiger Zuweisung immer noch "übriges Gemeindegebiet" und somit keine Bauzone dar. Diesem Standpunkt kann indessen nicht gefolgt werden. Das zürcherische Planungs- und Baugesetz kennt kein "übriges Gemeindegebiet", sondern nur Landwirtschaftszonen, Bauzonen (Wohn- und Industriezonen), Freihaltezonen und Reservezonen. Die Parzelle des Beschwerdeführers befindet sich jedoch in keiner dieser Zonen. Über ihren planungsrechtlichen Charakter besteht somit im heutigen Zeitpunkt Ungewissheit. Doch kann das mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angerufene Gericht, das darüber zu befinden hat, ob es sich bei einem bestimmten Grundstück um eine landwirtschaftliche Liegenschaft im Sinne des EGG handelt oder nicht, mit seinem Entscheid nicht zuwarten, bis die kantonale Behörde über die Zoneneinteilung im fraglichen Gebiet beschlossen hat. Das Gericht muss unter diesen Umständen selber nach bundesrechtlichen Gesichtspunkten über den Charakter der Liegenschaft urteilen, woraus sich dann die allfällige Anwendung des EGG und die Unterstellung des geplanten Rechtsgeschäfts unter das Einspruchsverfahren ergibt. Dabei ist zu beachten, dass auch eine bereits stattgefundene Ausscheidung eines Grundstücks im Zonenplan für den Richter nicht absolut verbindlich wäre. Dieser hat vielmehr anhand der konkreten Gegebenheiten für jedes einzelne Grundstück zu prüfen, ob sich nicht eine vom Plan abweichende Prognose aufdränge (BGE 113 II 138 E. b).
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Dem angefochtenen Urteil lässt sich entnehmen, dass das Niderfeld, in welchem die Parzelle des Beschwerdeführers liegt, im Nordosten durch das SBB-Areal, im Süden durch die Überlandstrasse und im Nordwesten durch die Mutschellenstrasse begrenzt wird. Im kantonalen Gesamtplan wurde das Niderfeld als Baugebiet BGE 116 II, 167 (172)bezeichnet und im Rahmen des regionalen Siedlungsplanes zum Industriegebiet erklärt. Nach den Angaben in der Beschwerdeschrift hat das Niderfeld bereits in den Jahren 1931 bis 1957 zur Industriezone gehört. Die Baurekurskommission hat in ihrem Entscheid, in welchem sie die Zuteilung dieses Gebiets zur Reservezone aufhob, bestimmt, dass wenigstens ein Teil des Niderfeldes sofort der Bauzone zuzuweisen sei. Diese Angaben können aufgrund der bei den Akten liegenden Pläne ergänzt werden. Diese zeigen, dass sich das umstrittene Grundstück am Rande des Niderfeldes befindet, in unmittelbarer Nähe von bebautem Gebiet einerseits und der Bahnlinie sowie des Rangierbahnhofs Limmattal anderseits. Zudem ist es strassenmässig erschlossen. Das Argument, dieses Stück Land sei bisher immer landwirtschaftlich genutzt worden, verliert angesichts seiner Lage und seiner Erschliessung an Bedeutung. In diesem Zusammenhang darf auch der Preis berücksichtigt werden, den die Vertragsparteien vereinbart haben. Zwar kann dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartment, welches in seiner Vernehmlassung dem Preis eine entscheidende Rolle zuspricht, nicht gefolgt werden. Es übersieht nämlich, dass das EGG eben gerade verhindern will, dass für Grundstücke, die nicht in einer Bauzone liegen, Preise bezahlt werden, die sich am Baulandmarkt orientieren. Bei der Entscheidung, ob einer Liegenschaft landwirtschaftlicher Charakter zukomme oder nicht, darf daher nicht allein auf den Preis abgestellt werden. Zudem steht hier nicht eine Zonenplanänderung in Frage - wie das Departement annimmt -, sondern eine Neueinteilung des betreffenden Gebietes. Hingegen darf der vereinbarte Preis selbstverständlich im Zusammenhang mit andern Indizien ebenfalls gewürdigt werden. Im vorliegenden Fall haben die Vertragsparteien den Preis auf Fr. 300.-- pro m2 festgesetzt. Dabei handelt es sich nicht um einen Preis für Landwirtschaftsland. Er drückt vielmehr die Erwartung aus, dass das fragliche Grundstück innert kurzer Zeit in eine Bauzone aufgenommen werde. Interessant wäre in diesem Zusammenhang zu wissen, zu welchen Preisen umliegende Grundstücke in letzter Zeit gehandelt worden sind. Die Vorinstanz hat jedoch hierüber keine Feststellungen getroffen, und auf die diesbezüglichen Angaben in der Beschwerdeschrift darf nicht abgestellt werden. Sollten indessen die vorhandenen Angaben genügen, um den Charakter des Grundstücks des Beschwerdeführers beurteilen zu können, so kann auf entsprechende tatbeständliche Ergänzung verzichtet werden. Zu beachten ist auch, dass der BGE 116 II, 167 (173)Landstreifen an einen Gewerbebetrieb verkauft werden soll, welcher das Gelände als Lager- und Abstellplatz für seine Verkaufsprodukte verwenden will. Die Parzelle soll somit nicht überbaut, sondern als Depotanlage benützt werden.
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Werden alle angeführten Umstände in Betracht gezogen und gewürdigt, wozu insbesondere die Lage der Parzelle, ihre strassenmässige Erschliessung und ihre voraussichtliche zukünftige Verwendung zu zählen sind, so drängt sich der Schluss auf, dass es sich allem Anschein nach beim Grundstück des Beschwerdeführers nicht mehr um landwirtschaftliches Land im Sinne von Art. 19 EGG handelt. Es ist vielmehr damit zu rechnen, dass diese Parzelle in absehbarer Zeit zu Bauland (Industriegebiet) erklärt werden wird. Wenn das Landwirtschaftsgericht entschieden hat, dass die Parzelle des Beschwerdeführers zum "übrigen Gemeindegebiet" und damit nicht zu einer Bauzone gehöre, weshalb der Verkauf dem Einspruchsverfahren zu unterstellen sei, so hat es den bundesrechtlichen Kriterien, nach denen sich eine landwirtschaftliche Liegenschaft im Sinne von Art. 19 EGG bestimmt, nicht genügend Rechnung getragen. Es ist ihm daher eine Verletzung von Bundesrecht vorzuwerfen, was zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt. Eine Rückweisung der Sache an das Landwirtschaftsgericht erübrigt sich indessen, nachdem genügend Angaben vorhanden sind, um dem Bundesgericht die Fällung eines materiellen Entscheids zu erlauben. Dieser hat dahin zu lauten, dass der geplante Verkauf des Grundstücks des Beschwerdeführers dem Einspruchsverfahren nach Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG nicht zu unterstellen ist. Der Einspruch des kantonalen Landwirtschaftsamts ist daher abzuweisen.
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