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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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32. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Mai 1990 i.S. Schumacher, Bosshardt-Müller und EJPD gegen Grundbuchamt Luzern-Stadt und Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Beginn der Sperrfrist für die Veräusserung nichtlandwirtschaftlicher Grundstücke (Art. 3 Abs. 3 BBSG). | |
Sachverhalt | |
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Die Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern und das Grundbuchamt Luzern-Stadt beantragen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerden abzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
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aus folgenden Erwägungen: | |
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Art. 3 Abs. 1 BBSG bestimmt, dass beim aussergrundbuchlichen Erwerb die Sperrfrist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem das Eigentum tatsächlich erworben worden ist, und in den übrigen Fällen mit dem Eintrag in das Grundbuch. Absatz 3 der gleichen Norm hält fest, dass die Sperrfrist mit jedem Eigentumserwerb neu zu laufen anfängt, und führt gleichzeitig einige Ausnahmen von diesem Grundsatz auf. Keine neue Frist beginnt insbesondere, wenn das Grundstück durch Erbgang, Ehevertrag oder güterrechtliche Auseinandersetzung erworben wird (Art. 3 Abs. 3 Buchst. a BBSG). Die Erbteilung wird indessen hier nicht als Ausnahme erwähnt.
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b) Das Grundbuchamt und die Justizkommission des Obergerichts sind in wörtlicher Auslegung des BBSG davon ausgegangen, dass die Erbteilung zwar innerhalb der Sperrfrist möglich ist, aber selber eine neue fünfjährige Sperrfrist beginnen lässt. Demgegenüber sehen die Beschwerdeführer in Art. 3 Abs. 3 BBSG eine Lücke. Es sei auf ein gesetzgeberisches Versehen zurückzuführen, ![]() | 7 |
Es ist unbestritten, dass die Erbteilung hier weniger als fünf Jahre zurückliegt. Im vorliegenden Verfahren ist somit nur streitig, ob nach dem BBSG mit der Erbteilung eine neue Sperrfrist zu laufen beginnt.
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Das EJPD will dem Zusammenhang zwischen der neuen Regelung im nichtlandwirtschaftlichen Bereich und der Sperrfrist für Veräusserungen landwirtschaftlicher Grundstücke keine grosse Bedeutung beimessen. Artikel 218bis OR sehe für die Übertragung landwirtschaftlicher Grundstücke Ausnahmen vor, die weit über das hinausgingen, was der BBSG kenne. Im neuen Bundesbeschluss könne deshalb auch der Begriff des fristbegründenden Erwerbs nicht gleich weit ausgelegt werden wie im OR. Zudem hätten die Ausführungen in der Botschaft durch die parlamentarische Beratung, in deren Verlauf die Ausnahmen teilweise erweitert worden seien, an Bedeutung verloren.
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b) Als Folge einer parlamentarischen Initiative von Nationalrat Moritz Leuenberger schlug 1989 eine nationalrätliche Kommission vor, im Obligationenrecht eine Sperrfrist für die Weiterveräusserung von nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken vorzusehen, die direkt an Art. 218 OR angeknüpft hätte (BBl 1989 I ![]() | 11 |
Bereits der im Juni vom Departement in die Vernehmlassung geschickte Vorentwurf hatte sich von der von dieser nationalrätlichen Kommission erarbeiteten Vorstellung gelöst, die Sperrfrist im Obligationenrecht zu regeln. Der als selbständiger Bundesbeschluss ausgestaltete Entwurf führte - wie schon der Vorschlag der parlamentarischen Kommission - jene Tatbestände ausdrücklich auf, die keine neue Sperrfrist auslösen sollten. Neu wurde nun auch ausdrücklich geregelt, dass die Sperrfrist unter anderem für den Erbgang und die Erbteilung gar nicht gelten soll. Dafür war die Erbteilung bei den Gründen nicht mehr zu finden, die eine Ausnahmebewilligung rechtfertigen sollten. Schon in diesem Entwurf wurde somit die Erbteilung im Gegensatz zum Erbgang und zur Begründung oder Auflösung einer ehelichen Gütergemeinschaft nur als Tatbestand aufgeführt, bei dem die Sperrfrist nicht gelte, nicht aber auch als Eigentumsübertragung, die keine Sperrfrist auslöse. Der bundesrätliche Entwurf entsprach in diesen Punkten wörtlich dem Vorentwurf (BBl 1989 III 222 f.).
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Im Parlament wurde das Konzept des bundesrätlichen Entwurfes nicht verändert. Hingegen wurden die Tatbestände erweitert, die Anspruch auf eine Ausnahmebewilligung geben (Art. 4 Abs. 1 Buchst. d bis h). Auch die Erwerbsgründe, die keine neue Sperrfrist auslösen, erschienen dem Gesetzgeber im Entwurf als zu eng. Neben dem Erbgang wird in der Gesetz gewordenen Fassung statt die "Begründung oder Auflösung einer ehelichen Gütergemeinschaft" ![]() | 13 |
Die Entstehungsgeschichte des BBSG zeigt somit, dass ein enger Zusammenhang zwischen der im OR verankerten Regelung bei landwirtschaftlichen Grundstücken und dem BBSG besteht. Auch der Umstand, dass die Tatbestände, welche zur Bewilligung einer vorzeitigen Veräusserung eines nichtlandwirtschaftlichen Grundstückes führen können (Art. 4 BBSG), strenger geregelt sind als jene bei landwirtschaftlichen Grundstücken, bedeutet entgegen der Ansicht des EJPD nicht, dass hier die fristbegründenden Veräusserungen enger auszulegen wären als dort. Die Tatsache, dass den Behörden für Ausnahmebewilligungen im Bereich des nichtlandwirtschaftlichen Bodenrechts ein kleineres Ermessen zusteht als nach den Regeln im OR, macht vielmehr deutlich, dass es dem Gesetzgeber um eine klare, leicht zu handhabende Lösung ging. Wo dem BBSG keine ausdrücklich unterschiedliche Regel entnommen werden kann, besteht somit kein Grund, von der für landwirtschaftliche Grundstücke entwickelten Praxis abzuweichen, solange diese nicht den mit dem Bundesbeschluss verfolgten Zwecken entgegenläuft.
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4. Das EJPD begründet seine Ansicht, die Erbteilung löse keine neue Sperrfrist aus, mit dem Zweck des BBSG, sogenannte Kaskadenverkäufe zu verhindern und damit einen Beitrag zur Beruhigung des Bodenmarktes zu leisten. Es führt aus, wenn eine Erbengemeinschaft verkaufe, sei sie an einem möglichst hohen Preis interessiert. Demgegenüber könne ein einzelner Erbe, der in der Erbteilung ein Grundstück übernommen habe, bei einem späteren Verkauf auch andere Überlegungen als die Höhe des Preises in seinen Verkaufsentscheid einbeziehen und das Grundstück einer Drittperson zu einem Freundschaftspreis veräussern, wenn mit der Erbteilung keine neue Sperrfrist zu laufen beginne. Das ist nicht schlüssig. Handelt es sich beim Dritten um den Ehegatten oder einen Nachkommen des Veräusserers - Veräusserungstatbestände, ![]() | 15 |
Wie das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Sperrfrist für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken festgehalten hat, besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich ein Erbe mit Blick auf eine spekulative Weiterveräusserung ein Grundstück in einer Erbteilung zuweisen lässt (BGE 95 II 432, E. 3a). Es widerspricht aber dem Zweck des BBSG, wenn ein Erbe bei der Erbteilung ein Grundstück zu einem günstigen Anrechnungswert übernimmt und es kurz danach mit Gewinn weiterveräussert. Dieses Vorgehen kommt einem "Kaskadenverkauf" im weiteren Sinne gleich, auch wenn es sich nicht um den typischen Fall handelt. Der Zweck des BBSG spricht somit eher dafür, mit der Erbteilung eine neue Sperrfrist beginnen zu lassen (so auch ZULLIGER/SCHMID, Erbteilung und Sperrfrist für die Veräusserung nichtlandwirtschaftlicher Grundstücke, ZBGR 70. Jahrg. 1989, S. 380 ff.).
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b) Wie die Erbteilung wird auch die Veräusserung an eine Person, die bereits Gesamteigentümer des Grundstücks ist, nur in ![]() | 18 |
Der Wechsel im Bestand einer Gemeinschaft führt zu einer Akkreszenz bzw. einer Dekreszenz bei den verbleibenden Gemeinschaftern (MEIER-HAYOZ, N. 69 zu Art. 652 ZGB). Der Eintritt eines neuen Gesamthänders stellt demgegenüber einen eigentlichen Rechtserwerb dar (MEIER-HAYOZ, N. 10 zu Art. 652 ZGB). Er führt aber nicht notwendigerweise zu einer Änderung im Grundbuch, und der Eintrag hat, wo er nötig ist, nur deklaratorischen, nicht rechtsbegründenden Charakter. Der Rechtserwerb vollzieht sich ausserbuchlich (DIETER ZOBL, Änderungen im Personenbestand von Gesamthandschaften, Diss. Zürich 1973, S. 77; MEIER-HAYOZ, N. 70 zu Art. 652 ZGB). Auch das Streichen ausscheidender Mitglieder im Grundbuch wirkt nur deklaratorisch (ZOBL, S. 110). Scheiden alle Gesamthänder bis auf einen aus, so ändert sich zwar die Form seines Eigentums, es handelt sich aber dennoch um eine Anwachsung, die sich ausserbuchlich vollzieht (ZOBL, S. 97).
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Art. 2 Abs. 1 Buchst. c BBSG nimmt jeden Erwerb durch eine Person, die bereits Gesamteigentümer eines Grundstückes ist, von der Anwendung der Sperrfrist aus. Besteht demgegenüber gemeinschaftliches Eigentum in Form von Miteigentum, ist die Sperrfrist nur dann nicht zu beachten, wenn die Veränderung der Wertquote weniger als 10% ausmacht (Art. 2 Abs. 1 Buchst. g BBSG). Eine entsprechende Veränderung in den Miteigentumsverhältnissen begründet auch keine neue Sperrfrist (Art. 3 Abs. 3 Buchst. c BBSG). Es mag zunächst erstaunen, dass demgegenüber eine Veränderung im Gesamteigentum eine neue Sperrfrist in Gang setzen soll. Dies lässt sich indessen damit erklären, dass die Veränderungen im Gesamteigentum generell von der Sperrfrist ausgenommen sind, wodurch die Auflösung eines Gesamthandverhältnisses jederzeit ermöglicht wird. Würde die Anwachsung keine neue Sperrfrist auslösen, wäre es wohl möglich, diese mit Gesamthandsverhältnissen und deren Umgestaltung ohne weiteres zu umgehen. Aus diesem Grund lässt sich der gesetzgeberische Entscheid rechtfertigen, Veränderungen im Gesamteigentum in Art. 2 und Art. 3 BBSG unterschiedlich zu behandeln.
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Die Regeln über das Gesamteigentum im BBSG erlauben es deshalb, mit der Erbteilung entsprechend dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 eine neue Sperrfrist beginnen zu lassen.
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In der vom Eidgenössischen Grundbuchamt herausgegebenen Wegleitung wird demgegenüber die Meinung vertreten, auch die Erbteilung, der Erbvorbezug und die Schenkung bzw. eine ![]() | 24 |
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9. Das EJPD verweist in seiner Beschwerde schliesslich darauf, dass in verschiedenen Kantonen aufgrund der Wegleitung des Eidgenössischen Grundbuchamtes die Veräusserung von Liegenschaften innert fünf Jahren nach einer Erbteilung zugelassen wurde. Die Bestätigung des angefochtenen Entscheides habe zur Folge, dass diese im Grundbuch vollzogenen Geschäfte nichtig seien und die Bewilligungsbehörde die Berichtigung des Grundbuchs anzuordnen habe (Art. 5 BBSG). Damit sei aber eine unerträgliche Gefährdung des Rechtsverkehrs verbunden. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, dass jede den Rechtsverkehr begünstigende Auslegung geschützt werden müsste, sofern sie der Praxis einzelner Kantone entspricht. Es widerspricht jedoch der Aufgabe des Bundesgerichts, eine bestimmte kantonale Praxis zu schützen, obwohl sie bundesrechtswidrig ist.
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