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43. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. August 1990 i.S. Jakob H. gegen Departement des Innern des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 316 ZGB: Pflegekinderaufsicht. |
Tragweite der den Kantonen in der bundesrätlichen Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern (SR 211.222.338) eingeräumten Rechtsetzungsbefugnis (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Nach Art. 97 Abs. 1 OG beurteilt das Bundesgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG). Als Verfügung ![]() | 2 |
a) Die vorliegende Streitsache beschlägt den Bereich der Pflegekinderaufsicht gemäss Art. 316 ZGB. Nach dieser Bestimmung bedarf, wer Pflegekinder aufnimmt, einer Bewilligung der Vormundschaftsbehörde oder einer anderen vom kantonalen Recht bezeichneten Stelle seines Wohnsitzes; dieselbe Behörde übt zugleich die Aufsicht über das Pflegekindschaftswesen aus. Nach Art. 316 Abs. 2 ZGB hat der Bundesrat Ausführungsvorschriften zu erlassen. Dieser Aufgabe ist er mit der Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern (PAVO) vom 19. Oktober 1977, revidiert am 21. Dezember 1988, nachgekommen (vgl. SR 211.222.338). Darin wird den Kantonen die Befugnis erteilt, zum Schutze von Unmündigen, die ausserhalb des Elternhauses aufwachsen, Bestimmungen zu erlassen, die über die bundesrätliche Verordnung hinausgehen (Art. 3 PAVO); im Rahmen der allgemeinen Voraussetzungen einer Pflegekinderbewilligung schreibt sodann Art. 8 Abs. 3 PAVO selber vor, dass das Kind gegen die Folgen von Krankheit, Unfall und Haftpflicht angemessen versichert werden müsse.
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Der Kanton Solothurn hat von seiner Verordnungsbefugnis mit dem Erlass der Pflegekinderverordnung (PKV) vom 2. Juni 1987 Gebrauch gemacht (BGS 212.239). Darin wird in § 10 Abs. 1 die in Art. 8 Abs. 3 der bundesrätlichen Verordnung begründete Versicherungspflicht wortgetreu wiederholt; § 10 Abs. 2 PKV sieht daneben vor, dass der Staat eine Kollektivversicherung abschliesse, an die sich diejenigen Pflegeeltern anzuschliessen hätten, die den Nachweis einer genügenden Versicherung nicht erbrächten.
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b) Obwohl die Pflegekinderaufsicht ihre grundsätzliche Regelung im Rahmen des Bundeszivilrechts erfahren hat, handelt es sich bei den einschlägigen Bestimmungen und den gestützt darauf ergangenen Ausführungsvorschriften in materieller Hinsicht um öffentliches Recht. Die Rechtsprechung hat überdies erkannt, dass ![]() | 5 |
Trotz der im Schrifttum vereinzelt geäusserten Kritik besteht keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzuweichen (vgl. HANS BÄTTIG, Die Pflegekinderaufsicht im Bund und in den Kantonen, Freiburger Diss., Verlag Pro Juventute, Zürich 1984, S. 52 ff., insbesondere S. 54; billigend jedoch GYGI, ZBJV 119/1983, S. 290). Wie in der Vernehmlassung der letzten kantonalen Instanz zutreffend ausgeführt wird, betrifft auch die vorliegend streitige Frage zumindest mittelbar die Voraussetzungen der Erteilung oder des Entzugs der behördlichen Bewilligung gemäss Art. 316 Abs. 1 ZGB. Es rechtfertigt sich daher, die bestehende Rechtsprechung insofern zu erweitern, als auch gegen solche in Ausübung der Pflegekinderaufsicht ergehenden Verfügungen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich zuzulassen ist.
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c) Die angefochtene Verfügung stützt sich jedoch zumindest teilweise auch auf kantonales Recht, namentlich auf § 10 der erwähnten solothurnischen Pflegekinderverordnung. Trotz dieses Umstandes steht indessen einem Eintreten auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts entgegen, da diese kantonale Bestimmung mit Bezug auf die Pflicht zur angemessenen Versicherung keinen eigenständigen Gehalt aufweist, sondern lediglich wiederholt, was bereits Art. 8 Abs. 3 der bundesrätlichen Ausführungsbestimmung enthält (BGE 112 Ib 44 E. 1d, 166 E. 1). Ob hingegen die ausschliesslich im kantonalen Recht verankerte (§ 10 Abs. 2 PKV) und im angefochtenen Entscheid verfügte Anschlusspflicht zum Tragen kommen kann und darf, hängt davon ab, ob der Nachweis angemessener Versicherung erbracht worden ist. Dabei geht es indessen in erster Linie um die richtige Anwendung von Art. 8 Abs. 3 PAVO, mithin um eine Frage des Bundesrechts (vgl. BGE 105 Ib 108 E. 1c).
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Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach einzutreten.
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2. Es ist unbestritten und überdies aus den Akten ersehbar, dass das Pflegekind des Beschwerdeführers bei der Solothurner-Kantonalen-Krankenkasse versichert worden ist. Die abgeschlossene Versicherung gewährt im Falle von Krankheit, Haftpflicht sowie Invalidität nach Unfall Leistungen bis zu Fr. 150'000.--. Daneben besteht auch Versicherungsschutz für den unfallbedingten ![]() | 9 |
Wie bereits erwähnt, erteilt Art. 3 Abs. 1 PAVO den Kantonen die Befugnis, Bestimmungen zu erlassen, die über die bundesrätliche Verordnung hinausgehen. Nach dem klaren Wortlaut der Verordnung beschränkt sich indessen diese Ermächtigung auf den Erlass solcher Bestimmungen, die dem Schutze des Unmündigen dienen. Im Hinblick auf den Versicherungsschutz schreibt Art. 8 Abs. 3 PAVO vor, dass das Kind gegen die Folgen von Krankheit, Unfall und Haftpflicht angemessen versichert werden müsse. Diese Bestimmung, die in unveränderter Form bereits vor der Revision in der bundesrätlichen Verordnung enthalten war (vgl. Art. 5 Abs. 2 altPAVO), darf nicht als eine der Konkretisierung bedürftige Rahmenbestimmung verstanden werden; vielmehr regelt sie den für das Pflegekind erforderlichen Versicherungsschutz umfassend (vgl. BÄTTIG, a.a.O., S. 49, sowie ROBERT M. ZUEGG, Die Vermittlung ausländischer Adoptivkinder als Problem des präventiven Kindesschutzes, Freiburger Diss. 1986, S. 49). Den Kantonen obliegt es dagegen bloss, den Umfang dieser Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung zu konkretisieren, wobei sie sich von den besonderen lokalen Verhältnissen leiten lassen dürfen. Die Verpflichtung zum Abschluss von Zusatzversicherungen, die über diesen Rahmen hinausgehen und insbesondere nicht dem Schutze des Kindes selbst, sondern dem Interesse der Pflegeeltern dienen, findet ihre Grundlage weder in Art. 8 Abs. 3 PAVO, noch dürfte sie von den Kantonen mit der Ausübung der Rechtsetzungsbefugnis gemäss Art. 3 Abs. 1 PAVO begründet werden.
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Dem Beschwerdeführer ist somit beizupflichten, dass die von den kantonalen Behörden verlangte Todesfallversicherung vor Bundesrecht nicht standhält. Diese Versicherungspflicht steht - wie die Vorinstanz selber einräumt - in keinerlei Beziehung zu den Interessen des Kindes, sondern einzig zu denjenigen der Pflegeeltern. Diesen hat das von den Kantonen nach Art. 3 Abs. 1 PAVO ![]() | 11 |
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