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46. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Juni 1990 i.S. Verein X. gegen Z. (Berufung) | |
Regeste |
Haftung des die Erbschaft ausschlagenden Erben; Klage gemäss Art. 579 ZGB. |
2. Zur Erhebung der Klage gemäss Art. 579 ZGB ist der einzelne Gläubiger des Erblassers auch dann legitimiert, wenn der Nachlass im Sinne der Art. 573 Abs. 1 ZGB und 193 Abs. 1 SchKG durch das Konkursamt liquidiert worden ist (Erw. 2-5). | |
Sachverhalt | |
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Mit Eingabe vom 9. August 1988 hatte der Verein X. beim kantonalen Verwaltungsgericht gegen B.Z. eine Forderungsklage ![]() | 2 |
B.Z. bestritt unter anderem die Aktivlegitimation des Vereins X. mit der Begründung, die ausgeschlagene Erbschaft sei durch das Konkursamt liquidiert worden, weshalb ein allfälliger Anspruch aus Art. 579 ZGB nicht einem einzelnen Gläubiger, sondern der Konkursmasse zustehe bzw. zugestanden hätte.
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In seinem auf die Frage der Aktivlegitimation beschränkten Urteil vom 25. September 1989 erkannte das Verwaltungsgericht, dass die Klage abgewiesen werde.
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Gegen diesen Entscheid hat der Verein X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erhoben.
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B.Z. und das Verwaltungsgericht haben auf Abweisung der Beschwerde geschlossen.
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In ihrer Sitzung vom 3. Mai 1990 hat die erkennende Abteilung beschlossen, dass die staatsrechtliche Beschwerde als Berufung behandelt werde, und am heutigen Tag ist die Berufungsverhandlung gemäss Art. 62 OG durchgeführt worden. Während der Kläger nunmehr beantragt, es sei in Gutheissung der Berufung festzustellen, dass er zu der beim kantonalen Verwaltungsgericht eingereichten Klage legitimiert sei, schliesst die Beklagte auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Gemäss Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder bei einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann. Hier drängt sich vor allem die Frage auf, ob entgegen der Annahme des Klägers der Weg der Berufung nicht doch offen ist.
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aa) Der Kläger verkennt nicht, dass die Frage der Legitimation zu der von ihm erhobenen Klage zivilrechtlicher Natur ist. Unter Berufung auf HABSCHEID (Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, § 62, Rz. 1083), GULDENER (Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A., S. 541) und BIRCHMEIER (Bundesrechtspflege, S. 123) bringt er indessen vor, der Umstand, dass in einer öffentlichrechtlichen Streitsache privatrechtliche Vorfragen zu beurteilen seien, reiche zur Annahme einer Zivilrechtsstreitigkeit nicht aus.
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bb) Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich etwa von dem von BIRCHMEIER (a.a.O.) angeführten Fall, wo in einer Steuerstreitigkeit vorfrageweise der Wohnsitz zu bestimmen ist. Wohl liegt der beim kantonalen Verwaltungsgericht eingereichten Klage eine Forderung öffentlichrechtlicher Natur zugrunde. Indessen wird die Beklagte gestützt auf Art. 579 Abs. 1 ZGB belangt. Darnach haften die Erben eines zahlungsunfähigen Erblassers, welche die Erbschaft ausgeschlagen haben, den Gläubigern des Erblassers gleichwohl insofern, als sie von diesem innerhalb der letzten fünf Jahre vor seinem Tod Vermögenswerte empfangen haben, die bei der Erbteilung der Ausgleichung unterworfen sein würden. Diese - auf der Erbenstellung beruhende und damit zivilrechtliche - Haftung hat selbständigen Charakter. Ob sie hier zum Tragen kommt, d.h. ob die Beklagte für die vom Kläger gegenüber ihrer verstorbenen Mutter geltend gemachte Kostgeldforderung einzustehen hat, ist in dem vom Kläger angehobenen Prozess die Hauptfrage und wird keineswegs nur im Sinne einer Vorfrage zu entscheiden sein. Die Auseinandersetzung, die der Kläger mit seiner Eingabe vor das Bundesgericht getragen hat, stellt nach dem Gesagten ausschliesslich eine Zivilrechtsstreitigkeit dar. Soweit es um die Rechtsanwendung geht, ist somit die Berufung zulässig und die staatsrechtliche Beschwerde ausgeschlossen.
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c) In seiner Eingabe beanstandet der Kläger, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts auf einer willkürlichen Auslegung der ![]() | 13 |
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b) In dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Urteil - wo eine Klage der Konkursverwaltung zur Beurteilung gestanden hatte - hat das Bundesgericht ohne nähere Begründung ausgeführt, dass dort, wo eine Erbschaft aufgrund von Art. 597 ZGB (d.h. im Verfahren der amtlichen Liquidation gemäss den Art. 593 ff. ZGB) als überschuldet zur Liquidation an das Konkursamt gelange, es - wie im Falle der Ausschlagung - der Konkursmasse zustehe, die Haftung nach Art. 579 ZGB in Anspruch zu nehmen; mit den Worten "dessen (d.h. des Erblassers) Gläubigern" gebe Art. 579 ZGB nicht etwa nur der Klage einzelner Gläubiger Raum; vielmehr sei im Erbschaftskonkurs ein Klagerecht der durch das Konkursamt vertretenen Konkursmasse anzuerkennen, gleich wie bei der Anfechtungsklage gemäss den Art. 285 ff. SchKG; nur wenn es nicht zum Erbschaftskonkurs komme, sondern die Erbschaft trotz Zahlungsunfähigkeit des Erblassers von den einen Erben angenommen und nur von einzelnen ausgeschlagen werde, sei es Sache des einzelnen Erbschaftsgläubigers, gegen den Erben, der ausgeschlagen habe, aus Art. 579 ZGB zu klagen (BGE 67 III 185).
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c) Für die Situation, wie sie hier gegeben ist, scheint das Bundesgericht im angeführten Entscheid tatsächlich davon ausgegangen zu sein, legitimiert, die Klage aus Art. 579 ZGB zu erheben, sei ausschliesslich die Konkursmasse. Unter Berufung auf eben ![]() | 16 |
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4. Dem Wortlaut von Art. 579 Abs. 1 ZGB ist nicht zu entnehmen, wer im Fall einer konkursamtlichen Liquidation des ![]() | 18 |
Sodann knüpft der Anspruch gemäss Art. 579 ZGB nicht an eine Vorkehr des Erblassers, namentlich nicht an die Zuwendung an den nachmaligen Erben, an; im Mittelpunkt der genannten Bestimmung steht vielmehr die vom Erben eingenommene Haltung. Der Sinn von Art. 579 ZGB besteht darin, die Unbilligkeit, welche die Ausschlagung der Erbschaft für die Gläubiger des Erblassers mit sich bringen kann, durch eine - freilich auf den Wert des Vorempfangs beschränkte - persönliche Haftung des Erben zu mildern (dazu PIOTET, a.a.O., S. 638; TUOR/PICENONI, N 20 zu Art. 579 ZGB). Anders als bei den Anfechtungstatbeständen der Art. 285 ff. SchKG geht es hier nicht darum, durch die Rückabwicklung eines Rechtsgeschäfts Vermögen des Gemeinschuldners in die Masse, d.h. in das Vollstreckungssubstrat, zurückzuführen (dazu AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. A., § 52, Rz. 39 ff.; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. A., S. 398). Während denn die Anfechtungsansprüche gemäss den Art. 285 ff. SchKG - neben demjenigen nach Art. 214 SchKG (Verrechnung) - in Art. 200 SchKG ausdrücklich als zur Konkursmasse gehörend erklärt werden, ist dies für den hier in Frage stehenden Haftungsanspruch richtigerweise nicht der Fall.
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5. In Anbetracht der dargelegten Grundlagen der Haftungsklage nach Art. 579 ZGB geht es entgegen der in BGE 67 III 185 vertretenen Ansicht nicht an, dem einzelnen Gläubiger des Erblassers die Aktivlegitimation abzusprechen. Der Hinweis der Beklagten ![]() | 20 |
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist somit aufzuheben, und die Sache ist an die kantonale Instanz zurückzuweisen, damit diese die Klage weiter behandle. Ob der Anspruch unter den hier gegebenen Umständen auch von der Konkursverwaltung geltend gemacht werden könnte bzw. hätte geltend gemacht werden können, braucht nicht näher erörtert zu werden. Unbegründet sind auf jeden Fall die Bedenken der Beklagten, sie würde Gefahr laufen, den Vorempfang mehr als ein Mal herausgeben zu müssen, wenn angenommen würde, die Aktivlegitimation sei nicht auf ein einziges Rechtssubjekt beschränkt. Der Erbe, der von einem Erbschaftsgläubiger (oder von der Konkursmasse) aufgrund von Art. 579 ZGB ins Recht gefasst würde, nachdem er unter dem gleichen Titel bereits Leistungen erbracht hat, könnte dem neuen Kläger ohne weiteres die entsprechende Verminderung des Vorempfangs entgegenhalten.
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