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52. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Mai 1990 i.S. X. gegen Y. (Berufung) | |
Regeste |
Invaliditätsschaden; Schadensberechnung; Genugtuung. |
a) massgebliches Jahreseinkommen (E. 3a); |
b) Kapitalisierung (E. 3c); |
c) Einbezug der Arbeitgeberbeiträge an AHV und Pensionskasse (E. 4). |
2. Bemessung der Genugtuung (E. 5). Ist von den am Verletzungstag oder von den am Urteilstag geltenden Ansätzen auszugehen? (E. 5b). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 6. März 1984 klagte X. beim Appellationshof des Kantons Bern gegen Dr. Y. auf Bezahlung eines gerichtlich zu bestimmenden Betrages von über Fr. 8'000.-- nebst Zins, welchen Antrag er in der Gerichtsverhandlung dahingehend präzisierte, dass der Beklagte zur Bezahlung von Fr. 650'000.-- zu verurteilen sei. Der Appellationshof schützte die Klage mit Urteil vom 29. Juni 1989 im Umfang von Fr. 300'000.-- und wies sie im Mehrbetrag ab.
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C.- Das Bundesgericht heisst die vom Kläger eingereichte Berufung teilweise gut und verurteilt den Beklagten, dem Kläger Fr. 365'000.-- zu bezahlen.
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Aus den Erwägungen: | |
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aa) Den künftigen Erwerbsausfall des Geschädigten hat der Richter aufgrund statistischer Werte zu schätzen. Dabei hat er nach schweizerischer Rechtsauffassung soweit möglich die konkreten Umstände des zu beurteilenden Falles zu berücksichtigen (BGE 113 II 347 E. a mit Hinweisen). Das gilt auch für das hypothetische Einkommen des Geschädigten, das der Schadensberechnung ![]() | 5 |
bb) Gegen diese Grundsätze verstösst der Appellationshof, wenn er statt vom aktuellen Jahresverdienst, von einem Mittelwert zwischen diesem und dem Verdienst des Klägers vor dem Schadenseintritt ausgeht. Die vorinstanzliche Schadensberechnung ist daher insofern zu berichtigen und der Schadensberechnung in Übereinstimmung mit der Auffassung beider Parteien statt ein Jahreseinkommen von Fr. 55'000.-- ein solches von Fr. 61'000.-- zugrunde zu legen; dass darüber hinaus noch zu erwartende künftige Reallohnsteigerungen zu berücksichtigen seien, macht der Kläger nicht geltend.
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(...)
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c) Für die Kapitalisierung des künftigen Erwerbsausfalls ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich die Tafel 20 von STAUFFER/SCHAETZLE massgebend, die auf der Annahme einer durchschnittlichen, über das 65. Altersjahr hinausgehenden Aktivität beruht. Der Appellationshof hat demgegenüber die Tafel 18 angewendet und den Ausfall ausgehend vom Alter des Klägers am Urteilstag - 47 Jahre und zwei Monate - und von einem Endalter von 65 Jahren mit einem Faktor von 12,21 kapitalisiert. Da der Kläger selbst den gleichen Ansatz in Anschlag bringt, hat - zufolge der Bindung an die Parteianträge (Art. 136 lit. b OG) - auch das Bundesgericht von diesem Kapitalisierungsfaktor auszugehen. Damit ergibt sich ein kapitalisierter Schadensbetrag von Fr. 372'405.-- (Fr. 30'500.-- x 12,21).
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4. a) In die Berechnung des Schadens sind nach der Rechtsprechung auch die die Höhe der künftigen Rentenansprüche mitbeeinflussenden, zufolge verminderter Erwerbstätigkeit aber ![]() | 9 |
Der Beklagte wendet gegen die Einbeziehung der Arbeitgeberbeiträge an AHV und Pensionskasse ein, der Kläger habe schon vor dem schädigenden Ereignis die Absicht geäussert, vorzeitig nach Spanien zurückzukehren, in welchem Fall er ohnehin nicht in den vollen Genuss der Altersvorsorge gekommen wäre. Dieser Einwand findet indessen in den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz keine Stütze, weshalb darauf nicht einzutreten ist (Art. 55 Abs. 1 lit. c und Art. 63 Abs. 2 OG).
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b) Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers allerdings nicht voll, sondern bloss insoweit in die Schadensberechnung einzubeziehen, als sie rentenbildende Funktion haben.
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aa) Im Bereich der 1. Säule sind daher nur die eigentlichen AHV-Beiträge zu berücksichtigen, nicht dagegen die Risikoprämien der IV und der AlV sowie die Beiträge nach Erwerbsersatzordnung. Die AHV-Beiträge des Arbeitgebers betragen 4,2% (Art. 13 AHVG, SR 831.10). Der massgebende Jahresbeitrag beläuft sich im vorliegenden Fall somit auf Fr. 1'281.-- (4,2% von Fr. 30'500.--), der kapitalisierte Schadensbetrag auf Fr. 15'641.-- (Fr. 1'281.-- x 12,21).
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bb) Im Bereich der 2. Säule verlangt der Kläger die Anrechnung der - minimalen - Altersgutschriften nach Art. 16 BVG (SR 831.40) von paritätisch 10% oder arbeitgeberseitig 5%. Freiwillige höhere Beiträge werden nicht geltend gemacht. Allerdings ist zu beachten, dass die rentenbildenden Beiträge nicht auf dem gesamten, sondern gemäss Art. 8 Abs. 1 BVG bloss auf dem sogenannten koordinierten Lohn berechnet werden. Dieser beläuft sich bei einem Jahreseinkommen von Fr. 61'000.-- auf Fr. 36'000.-- (Differenz zwischen Fr. 18'000.-- und Fr. 54'000.-- nach Art. 8 Abs. 1 BVG bzw. Art. 5 BVV 2, SR 831.441.1) und reduziert sich zufolge der halben IV-Rente des Klägers auf die Hälfte, d.h. auf ![]() | 13 |
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a) Die Festlegung der Höhe einer Genugtuung beruht auf richterlichem Ermessen. Ob der kantonale Richter sein Ermessen richtig gehandhabt hat, ist an sich eine im Berufungsverfahren überprüfbare Rechtsfrage. Das Bundesgericht beachtet jedoch praxisgemäss, dass dem Sachrichter ein eigener und breiter Ermessensspielraum zusteht (BGE 115 II 32 E. 1b mit Hinweisen). Davon, dass die Vorinstanz ihr Ermessen missbraucht oder überschritten hätte, kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Dass den Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur "sein Los besonders hart trifft" und dass er zeitlebens Schmerzen haben wird, ist dem Appellationshof nicht entgangen. Er hat für die Bemessung der Genugtuung überdies eine Reihe von Entscheiden in ähnlich gelagerten Fällen zum Vergleich herangezogen, vor deren Hintergrund der Betrag von Fr. 20'000.-- auch bei Berücksichtigung des geringen Alters des Klägers und des erheblichen Verschuldens des Beklagten durchaus im Rahmen des Angemessenen bleibt.
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b) Der Kläger macht weiter geltend, der Appellationshof sei zu Unrecht von den Ansätzen zur Verletzungszeit ausgegangen und habe nicht berücksichtigt, dass die Genugtuungssummen in den letzten zehn Jahren eine massive Entwicklung nach oben erfahren hätten.
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Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom 9. Mai 1972 i.S. Tonezzer (teilweise publiziert in BGE 98 II 129 ff.) für die Bemessung der Genugtuung die Ansätze angewendet, die zur Zeit der Verletzung galten (JT 1973 I 470 Nr. 72). In der Lehre ist kritisiert worden, dass damit den Geschädigten der Nachteil der inzwischen eingetretenen Teuerung treffe (SZÖELLÖESY, ZBJV 112/1976, S. 31; BREHM, Berner Kommentar, N. 92 zu Art. 47 OR). BREHM (a.a.O., N. 94 zu Art. 47 OR) schlägt daher vor, dem Geschädigten entweder zusätzlich zu der nach den Ansätzen am Verletzungstag bemessenen Summe einen Zinsanspruch zuzugestehen oder eine Genugtuung nach den Ansätzen am Urteilstag ohne Zins zuzusprechen.
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