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82. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Juni 1990 i.S. A. AG gegen B. AG (Berufung) | |
Regeste |
Kaufvertrag; Verzugsschaden (Art. 102 f. und Art. 107 ff. OR). |
2. Berechnung des Verspätungsschadens (E. 2c). Schadensbegriff. Wann stellt eine Konventionalstrafe einen Verspätungsschaden dar? | |
Sachverhalt | |
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Am 20. August 1986 verkaufte die Klägerin die Computeranlage einer Firma C. weiter. Die Lieferung hatte spätestens bis zum 1. September 1986 zu erfolgen. Im Falle der Nichteinhaltung dieses Termins sollte die Klägerin eine Konventionalstrafe in der Höhe von FF 300'000.-- bezahlen.
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Da die Beklagte bis zum 31. August 1986 nicht lieferte, verzichtete die Klägerin auf eine Nachlieferung und behielt sich Schadenersatzansprüche vor. Die Beklagte stellte eine Nachlieferung für den 16. September 1986 in Aussicht, was die Klägerin ablehnte. Im Oktober 1986 verkaufte die Beklagte die Anlage zum Preis von £ 101'000.-- an eine englische Firma.
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B.- Die Klägerin belangte die Beklagte auf Fr. 78'600.-- nebst Zins, welcher Betrag ihrer der Firma C. geschuldeten Konventionalstrafe entsprach. Mit Urteil vom 11. Januar 1989 hiess das Bezirksgericht Baden die Klage gut.
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In teilweiser Gutheissung einer Appellation der Beklagten wies das Obergericht des Kantons Aargau am 27. September 1989 die Klage zur Zeit ab.
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Die Klägerin hat beim Bundesgericht Berufung eingelegt. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.
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Daran ändert auch die in Art. 107 ff. OR enthaltene Sonderregelung für vollkommen zweiseitige Verträge nichts. Diese ergänzt lediglich die allgemeine Ordnung (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1987, Band II, S. 142 Rz. 1774). Zum Vorgehen nach Massgabe dieser Bestimmungen ist der Gläubiger bloss im Hinblick auf Rechtsfolgen gehalten, die über die allgemeinen Verzugsfolgen hinausgehen, namentlich wenn er der Realerfüllung Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach Art. 97 OR vorzieht oder vom Vertrag zurücktreten und das negative Interesse ersetzt haben will (WIEGAND, recht 1983, S. 124 ff.). Für den Verspätungsschaden dagegen hat der Schuldner mit Erfüllung des Verzugstatbestandes einzustehen, und zwar unabhängig von einer Nachfrist oder vom Vorliegen eines Fixgeschäfts.
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b) Befindet der Schuldner sich in Verzug, haftet er unter anderem für den Verspätungsschaden (Art. 103 Abs. 1 OR), allerdings nicht kausal, sondern aus Verschulden, wobei ihm der Exkulpationsbeweis obliegt (Art. 103 Abs. 2 OR). Das Obergericht hält diesen Beweis nicht für erbracht, ebensowenig einen vertraglichen Haftungsausschluss. Insoweit ist sein Urteil nicht angefochten und daher auch nicht zu überprüfen.
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c) Der Verspätungsschaden berechnet sich nach dem positiven Interesse des Gläubigers an der rechtzeitigen Erfüllung und umfasst sowohl entgangenen Gewinn (lucrum cessans) wie abgeschlossene Vermögensverminderungen (damnum emergens). Der letztgenannte positive Schaden umfasst nach Lehre und Rechtsprechung auch Vermögensverminderungen des Gläubigers, die ![]() | 10 |
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a) Die Bestimmung des Schadens ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich eine vom kantonalen Richter abschliessend zu beurteilende Tatfrage. Rechtsfrage und vom Bundesgericht im Berufungsverfahren zu prüfen ist einzig, ob der kantonale Richter den Rechtsbegriff des Schadens verkannt oder Rechtsgrundsätze der Schadensberechnung verletzt hat (BGE 113 II 346 E. 1 mit Hinweisen). Die Klägerin rügt eine Verkennung des Schadensbegriffs.
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aa) Schaden ist die ungewollte Verminderung des Reinvermögens. Er kann in einer Verminderung der Aktiven, einer Vermehrung der Passiven oder in entgangenem Gewinn bestehen und entspricht nach allgemeiner Auffassung der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte (BGE 104 II 199 mit Hinweisen). Der Differenzbestimmung unterworfen ist das vom schädigenden Ereignis betroffene Rechtsgut, als welches ausnahmsweise auch das Gesamtvermögen des Geschädigten erscheint, so wenn es mit einer Verbindlichkeit belastet wird (MERZ, SPR VI/1, S. 187).
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Der Schaden tritt ein mit der rechnerischen Vermögensverminderung und beläuft sich auf deren gegenwärtiges oder mit hinreichender Sicherheit voraussehbar künftiges Ausmass. Ob der Geschädigte gewillt und in der Lage ist, die Beeinträchtigung durch Wiederherstellung ![]() | 14 |
bb) Das Obergericht verkennt mithin den Rechtsbegriff des Schadens, wenn es dessen Eintritt mit der Begründung verneint, die Klägerin habe bis anhin der Firma C. noch nichts leisten müssen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Klägerin zur Leistung verpflichtet ist, die Forderung auf Bezahlung der vereinbarten Konventionalstrafe zu Recht besteht und damit als Verbindlichkeit das Vermögen der Klägerin gemindert hat. In diesem Fall ist der Schaden eingetreten und droht er nicht bloss, weshalb sich auch die Frage eines hinreichend sicheren künftigen Schadens gar nicht stellt. Insoweit ist die Berufung gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben.
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b) Die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil reichen nicht aus, die anstehenden Rechtsfragen im Berufungsverfahren zu beurteilen, was einen Sachentscheid des Bundesgerichts ausschliesst. Die Streitsache ist daher zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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In seinem neuen Entscheid wird das Obergericht auch die im angefochtenen Urteil offengelassenen Fragen zu prüfen haben, ob die Konventionalstrafe mit der Firma C. simuliert oder rechtsmissbräuchlich vereinbart worden ist, ob die Vertragskette mit der erheblichen Konventionalstrafe des Folgevertrages für die ![]() | 17 |
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