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91. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. September 1990 i.S. L. und R. gegen Justiz-, Polizei- und Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Verkündung des Eheversprechens; Zuständigkeit des Zivilstandsbeamten (Art. 106 ZGB, Art. 148 und Art. 149 ZStV). | |
Sachverhalt | |
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B.- Spätestens im Februar 1989 war L. zu seiner Verlobten nach X. gezogen. Am 3. Mai 1989 reichten die Brautleute, nach Erhalt neuer Papiere, in der im Kanton Basel-Landschaft gelegenen Gemeinde X. ein Gesuch um Verkündung ihrer Heirat ein, welches vom Zivilstandsbeamten entgegengenommen wurde. Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft als Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen stellte jedoch mit Verfügung vom 29. September 1989 fest, dass das Zivilstandsamt X. zu Unrecht das Verkündgesuch des Brautpaares L. und R. entgegengenommen habe. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, es könne nicht angehen, einen negativen Entscheid durch Einleitung eines neuen Verkündverfahrens bei einem andern Zivilstandsamt zu umgehen, nachdem weder neue Tatsachen vorlägen, die eine erneute Prüfung der Sache rechtfertigen könnten, noch ein Weiterzug des Entscheids des Kantons Jura erfolgt sei.
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C.- L. und R. erheben mit Eingabe vom 1. November 1989 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie stellen den Antrag, die Feststellungsverfügung der kantonalen Aufsichtsbehörde in Zivilsachen aufzuheben und das Zivilstandsamt X. anzuweisen, das von ihnen eingeleitete Verkündverfahren an die Hand zu nehmen.
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Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vertritt in seiner Vernehmlassung im wesentlichen die Auffassung, die Verneinung der Zuständigkeit der basellandschaftlichen Behörden aus rein formellen Gründen wäre mit Art. 54 BV und Art. 8 EMRK kaum vereinbar und die starre geltende Ordnung, die für das Verkündverfahren an den Wohnsitz des Bräutigams anknüpft, widerspreche dem Gleichheitsgebot von Art. 4 Abs. 2 BV, ohne indessen einen ausdrücklichen Antrag zu stellen.
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Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gut, hebt die angefochtene Verfügung auf und weist die Sache zur neuen Entscheidung an die kantonale Instanz zurück.
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Inzwischen war L., dem im Kanton Jura die Arbeitsbewilligung entzogen worden war, nach X. übergesiedelt. Er ersuchte dort um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, die ihm am 17. März 1989 von der Fremdenpolizei verweigert wurde. Ein Rekursverfahren beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft ist noch pendent. Zusammen mit dem neuen Verkündgesuch der Beschwerdeführer vom 3. Mai 1989 in X. reichte L. auch einen neuen Geburtsschein ein. Die Aufsichtsbehörde des Kantons Basel-Landschaft hatte Kenntnis von den Verfahren im Kanton Jura und übermittelte daher die Unterlagen an die jurassische Behörde, welche daraufhin den Entscheid vom 24. Juli 1989 erliess. In der Folge erging dann auch der in diesem Verfahren angefochtene Entscheid der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft vom 29. September 1989.
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3. Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft hat in ihrer Vernehmlassung den bereits im angefochtenen Entscheid angedeuteten Vorwurf in dem Sinne präzisiert, die Beschwerdeführer hätten mit ihrem Verzicht auf einen ![]() | 9 |
Das in Art. 2 Abs. 2 ZGB als Teil des Grundsatzes von Treu und Glauben enthaltene Rechtsmissbrauchsverbot gilt auch für das Verwaltungsverfahren (BGE 110 Ib 336 E. 3a und 115 Ia 18 E. 4a, je mit Hinweisen). Soweit die Beschwerdegegnerin im Verhalten und Vorgehen der Beschwerdeführer einen Verstoss gegen Art. 2 Abs. 2 ZGB zu erblicken meint, verkennt sie jedoch, dass es Brautleuten nicht verwehrt sein kann, nach einem Wechsel des Wohnsitzes ein Verkündverfahren selbst dann wieder in Gang zu setzen, wenn auf ein solches in einem andern Kanton aus formellen Gründen - wie hier wegen angeblich falscher Papiere - nicht eingetreten worden ist. Insbesondere im Falle der Auslandsberührung eines der Brautleute könnte die blosse Tatsache, dass die Beschaffung der erforderlichen Papiere auf grosse Schwierigkeiten stösst und zunächst zu einem negativen Entscheid führt, geradezu eine Verletzung des in Art. 54 BV und Art. 12 EMRK verfassungsmässig garantierten Rechts auf Ehe bewirken, liesse man nicht die erneute Prüfung derselben oder anderer Papiere - sei es von den bisherigen, sei es von den Behörden eines andern Kantons nach einem Wohnsitzwechsel - zu. Wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in seiner Vernehmlassung mit Recht dargelegt hat, geht es nicht an, einer aus formellen Gründen erfolgten Verweigerung der Verkündung eine Art Sperrwirkung zu verleihen, die eine erneute Anmeldung und allenfalls Verkündung des Eheversprechens zu verhindern vermöchte, selbst wenn das Gesuch beim örtlich zuständigen Zivilstandsamt gestellt wird. Bei der Annahme eines Rechtsmissbrauchs ist ohnehin Zurückhaltung geboten, muss ein solcher doch offensichtlich sein. Das kann aber im Blick auf die Bestrebungen der Beschwerdeführer, endlich heiraten zu können, wohl nicht gesagt werden.
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Dieses erste Verkündverfahren wurde - wie erwähnt - am 13. März 1989 beendigt, nachdem die Beschwerdeführer auf einen Weiterzug des Entscheids verzichtet bzw. ihre vorsorgliche Beschwerde vom 16. November 1988 zurückgezogen hatten. Daran ändert auch nichts, dass sie mit dieser Rückzugserklärung bei der Aufsichtsbehörde ein neues Gesuch einreichten und diesem eine eidesstattliche Erklärung von L. als neues Dokument beilegten. Mit Schreiben vom 13. Juli 1989 an die Beschwerdeführer stellte die Aufsichtsbehörde des Kantons Jura denn auch ausdrücklich fest, dass das Verkündverfahren mit dem Entscheid vom 13. März 1989 abgeschlossen sei. Zwar hat die Section de l'Etat civil am 24. Juli 1989 einen weiteren Entscheid gefällt. Dieser beruht jedoch nicht auf einem neuen Verkündgesuch der Beschwerdeführer, sondern - wie sich aus den Akten ergibt - auf der blossen Tatsache, dass die Aufsichtsbehörde im Kanton Basel-Landschaft ohne Rücksprache mit den Verlobten einen Geburtsschein von L. an die ![]() | 13 |
b) Unter diesen Umständen wäre die im angefochtenen Entscheid von der Aufsichtsbehörde im Kanton Basel-Landschaft vertretene Auffassung nur zutreffend, wenn L. seinen Wohnsitz in Pruntrut auch nach dem 13. März 1989 beibehalten und im Kanton Basel-Landschaft noch keinen neuen begründet hätte (Art. 24 ZGB). Art. 149 Abs. 2 ZStV, wonach die einmal begründete Zuständigkeit für die Leitung der Verkündung durch einen nachträglichen Wohnsitzwechsel nicht aufgehoben wird, gilt nämlich nicht für den Fall, dass der Bräutigam nach einem in negativer Weise abgeschlossenen Verkündverfahren von diesem Ort wegzieht, um anderswo Aufenthalt oder gar Wohnsitz zu nehmen. Es kann nicht der Sinn des Art. 149 ZStV sein, in jedem Fall die einmal vorhandene Zuständigkeit unbeschränkt weiter dauern zu lassen. Das könnte zur Folge haben, dass die Einreichung eines zweiten oder gar dritten Verkündgesuchs nicht mehr möglich wäre, z.B. mit verbesserten Papieren oder aufgrund einer neuen Rechtslage, wie sie hier durch die Aufhebung von Art. 7e NAG für Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz geschaffen worden ist (vgl. Art. 43 ff. IPRG und Art. 151 und 168 ZStV). Eine solche Auslegung von Art. 149 Abs. 2 ZStV würde wiederum auf eine Sperrwirkung hinauslaufen und wäre auf jeden Fall mit Art. 54 BV und Art. 12 EMRK nicht vereinbar. Dass die Prüfung der Dokumente in einem erneut eingeleiteten Verkündverfahren eine arbeitsaufwendige Doppelspurigkeit bedeuten kann, muss in Kauf genommen werden.
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c) Im vorliegenden Fall reichten die Beschwerdeführer das neue Verkündgesuch in X. am 3. Mai 1989 ein. Den Akten lässt sich entnehmen, dass L. damals bereits seit etlichen Wochen bei seiner Verlobten in X. lebte. Sein Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung wurde nämlich bereits am 17. März 1989 von der Fremdenpolizei abgewiesen, wogegen am 30. März 1989 Beschwerde erhoben wurde. Über diese ist noch nicht entschieden worden. Aus den Akten und der Beschwerdeschrift geht ferner hervor, dass sich L. seither offenbar ununterbrochen bei seiner Verlobten in X. aufgehalten hat. Mit der Einreichung des ![]() | 15 |
Die kantonale Behörde wird dabei zu prüfen haben, ob L. in X. Wohnsitz begründet habe. Sie wird in diesem Zusammenhang zu beachten haben, dass sich der Wohnsitzbegriff im Sinne des Art. 149 ZStV nach zivilrechtlichen Grundsätzen und damit nach Art. 23 ZGB (BGE 113 II 7 /8) beurteilt. Die Haltung der Verwaltungsbehörden wie der Fremdenpolizei, des Zivilstandsamtes, der Steuerbehörden etc. darf höchstens als Indiz dafür gewertet werden, ob subjektiv und aus objektiv erkennbaren Gegebenheiten der Wille zur Begründung des Lebensmittelpunktes am fraglichen Ort bejaht werden könne. Ebenso darf der Tatsache, dass die erstinstanzlichen Behörden im Kanton Basel-Landschaft L. die Erteilung der Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung verweigert haben und dass die Behörden des Kantons Jura sich für die Leitung des Verkündverfahrens nach wie vor als zuständig betrachten, keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass L. in Pruntrut lediglich einen ihm nach Art. 20 des Asylgesetzes zugewiesenen Aufenthalt hatte, dass ihm seit langem die Arbeitsbewilligung entzogen worden ist und dass er nur auf Zusehen hin im Kanton Jura verbleiben konnte. Anderseits wurde R. die Verpflichtung auferlegt, für den Lebensunterhalt von L. aufzukommen. Gerade im Blick auf die Heiratsabsicht lag es für diesen daher nahe, zu seiner Verlobten nach X. zu ziehen und an deren Wohn- und Arbeitsort selbst einen Wohnsitz im zivilrechtlichen Sinne zu begründen. Sollte die kantonale Aufsichtsbehörde nach Prüfung der Voraussetzungen die Wohnsitznahme von L. in X.
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