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17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Mai 1991 i.S. B. AG gegen Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA), Abteilung Arbeitslosenkasse (Berufung) | |
Regeste |
Art. 321a Abs. 1 OR. | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA), Abteilung Arbeitslosenkasse, auf das die Ansprüche von J. im Umfang der erbrachten Versicherungsleistungen übergegangen waren (Art. 29 Abs. 2 AVIG), klagte am 4. Juli 1989 beim Gerichtspräsidenten IV von Bern gegen die B. AG auf Zahlung von Fr. 12'838.20. Der Gerichtspräsident verneinte einen wichtigen Grund für die fristlose Entlassung von J. und hiess die Klage am 21. Juni 1990 gut. Der Appellationshof des Kantons Bern bestätigte das erstinstanzliche Urteil mit Entscheid vom 8. Oktober 1990. Die Beklagte ficht diesen Entschied erfolglos mit Berufung beim Bundesgericht an.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Aus wichtigen Gründen kann ein Arbeitsverhältnis jederzeit fristlos aufgelöst werden (Art. 337 Abs. 1 OR). Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2). Nach der ![]() | 3 |
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a) Nach Art. 321a Abs. 1 OR hat der Arbeitnehmer die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren. Er hat insbesondere alles zu unterlassen, was den Arbeitgeber wirtschaftlich schädigen könnte (REHBINDER, N. 3 zu Art. 321a OR; STAEHELIN, N. 14 zu Art. 321a OR). Die Treuepflicht des Arbeitnehmers ist jedoch nicht schrankenlos. Grenze der Treuepflicht sind die berechtigten eigenen Interessen des Arbeitnehmers an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit, zu denen insbesondere auch das Interesse an einer anderen Tätigkeit gehört (REHBINDER, N. 7, 9 zu Art. 321a OR; STAEHELIN, N. 8, 34 zu Art. 321a OR; BRÜHWILER, N. 2c zu Art. 321a OR). Deshalb darf ein Arbeitnehmer bei bestehendem Arbeitsvertrag eine spätere Tätigkeit vorbereiten. Jedoch verletzt er seine Treuepflicht, wenn diese Vorbereitungen gegen Treu und Glauben verstossen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer noch während der Kündigungsfrist mit der Konkurrenzierung beginnt oder seinem Arbeitgeber Angestellte oder Kunden abwirbt (BGE 104 II 28 Nr. 6; unveröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Mai 1988 i.S. L. S.A. gegen de M., E. 2); führen die Vorbereitungen zu einer Beeinträchtigung der Arbeitsleistung, verletzt der Arbeitnehmer nicht seine Treuepflicht im Sinne von Art. 321a OR, sondern seine Arbeitspflicht. Durch abweichende Parteivereinbarungen können die erwähnten Pflichten, die dem Arbeitnehmer nach dispositivem Gesetzesrecht obliegen, erweitert oder beschränkt werden (REHBINDER, N. 2 zu Art. 321a OR; STAEHELIN, N. 9 zu Art. 321a OR).
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Nach den verbindlichen Feststellungen des Appellationshofes war J. bis zu seiner fristlosen Entlassung am 25. November 1988 während der Arbeitsstunden voll für die Beklagte tätig. Im kantonalen Verfahren war unbestritten, dass die private Tätigkeit von J. nicht zu einer Beeinträchtigung seiner Arbeitsleistungen geführt hatte. Seiner Arbeitspflicht ist J. somit nachgekommen. Der von der Beklagten erhobene Vorwurf der Konkurrenzierung scheitert ![]() | 6 |
b) Zu prüfen bleibt der Einwand der Beklagten, es sei trotzdem eine Treuepflichtverletzung anzunehmen, weil J. seine Einzelfirma in ungekündigter Stellung gegründet habe. Zwar befassen sich Literatur und Judikatur mit den zulässigen Vorbereitungshandlungen während laufender Kündigungsfrist und räumen dem Arbeitnehmer in diesem Zeitraum weitgehende Befugnisse ein wie namentlich die Gründung und Eintragung einer Konkurrenzfirma, solange diese nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist ihre Tätigkeit aufnimmt (REHBINDER, N. 9 zu Art. 321a OR; STAEHELIN, N. 34 zu Art. 321a OR; BRÜHWILER, N. 2c zu Art. 321a OR; STREIFF, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 4. A. 1986, N. 5e zu Art. 337 OR; zitiertes Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Mai 1988). Auch gewährt Art. 329 Abs. 3 OR dem Arbeitnehmer erst nach erfolgter Kündigung die für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Freizeit.
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Daraus darf indessen nicht geschlossen werden, dass vor der Kündigung jede Vorbereitungshandlung des Arbeitnehmers im Hinblick auf seinen Austritt als Treuepflichtverletzung zu qualifizieren wäre mit der unhaltbaren Folge, dass der Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit erst vorbereiten dürfte, nachdem er gekündigt hat.
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c) Stellte die Firmengründung kein pflichtwidriges Verhalten dar, konnte die Beklagte daraus nicht einen wichtigen Grund für die fristlose Entlassung von J. ableiten. Da es bereits an der Voraussetzung der Verfehlung fehlt, braucht die Auswirkung der Firmengründung auf das Vertrauensverhältnis nicht geprüft zu werden.
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