BGE 117 II 151 | |||
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32. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1991 i.S. Meier (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Einsicht in das Grundbuch (Art. 970 ZGB). | |
Sachverhalt | |
1 | |
Mit Schreiben vom 18. Juli 1987 gelangte Victor G. Meier an das Grundbuchamt Baden mit dem Ersuchen, ihm Einsicht zu gewähren in die Grundbucheinträge betreffend die Liegenschaft Oberdorfstrasse 15a und 15b in Unterehrendingen ("Wiederkehr-Haus"), in der einst seine Gross- und seine Urgrosseltern gelebt hätten. Er erneuerte das Gesuch mit Schreiben vom 15. Februar 1988, wobei er es auf die Liegenschaft seiner Eltern an der Bäckerstrasse 3 in Wettingen ausdehnte. Beide Male wies Victor G. Meier darauf hin, dass er sich im Rahmen seiner Familienforschung für die Grundbucheinträge interessiere.
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In einer an Victor G. Meier gerichteten Verfügung vom 18. Februar 1988 hielt der Grundbuchverwalter des Bezirks Baden fest, dass er die Einsicht in das Grundbuch insoweit gewährt habe, als es um Einträge und Handänderungsverträge gegangen sei, die Verwandte betroffen hätten; Kopien von Verträgen, an denen Dritte beteiligt gewesen seien, würden jedoch nur ausgehändigt, wenn deren Einwilligung beigebracht werde. Der Grundbuchverwalter wies darauf hin, dass gegen seine Verfügung innert 30 Tagen beim Departement des Innern des Kantons Aargau Beschwerde geführt werden könne.
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Am 14. Juli 1988 wies das Departement des Innern des Kantons Aargau eine von Victor G. Meier gegen die Verfügung des Grundbuchamtes Baden eingereichte Beschwerde ab, und das kantonale Verwaltungsgericht (1. Kammer) wies am 2. April 1990 die gegen die Verfügung des Departements gerichtete Beschwerde ebenfalls ab.
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Gegen den zweitinstanzlichen Entscheid hat Victor G. Meier Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es seien ihm sämtliche Belege, die zu den Grundbuchblättern Wettingen Nr. 2424 sowie Unterehrendingen Nrn. 125 und 371 gehörten, in fotokopierter Form zur Verfügung zu stellen; neun Belege führt er unter Angabe von Nummer und Datum einzeln an.
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Das Departement des Innern und das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau haben auf Vernehmlassung verzichtet, und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (Bundesamt für Justiz) beantragt Gutheissung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Das Grundbuch ist öffentlich (Art. 970 Abs. 1 ZGB). Gemäss Art. 970 Abs. 2 ZGB kann allerdings nur derjenige, der ein Interesse glaubhaft macht, verlangen, dass ihm näher zu bezeichnende Blätter samt den zugehörigen Belegen in Gegenwart eines Grundbuchbeamten vorgewiesen, oder dass ihm Auszüge aus solchen ausgefertigt werden. Das im Gesetz erwähnte Interesse braucht nicht rechtlicher Natur zu sein; ein tatsächliches, beispielsweise wirtschaftliches oder wissenschaftliches, Interesse reicht aus; blosse Neugierde genügt dagegen nicht. Es muss sich sodann um ein einschlägiges Interesse handeln, d.h. es muss mit der Zweckbestimmung des Grundbuchs als Mittel zur Bekanntmachung der dinglichen Rechte an Grundstücken in Zusammenhang stehen (BGE 112 II 426 E. b; BGE 111 II 50 E. 2; BGE 109 II 209 E. 3, mit Hinweisen). Die Einsicht ist schliesslich nur in dem Umfang zu gewähren, als es zur Befriedigung des geltend gemachten Interesses notwendig ist (DESCHENAUX, Das Grundbuch, in: Schweizerisches Privatrecht, Band V/3/1, S. 169).
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b) Im Verfahren vor dem kantonalen Verwaltungsgericht hatte der Beschwerdeführer unter anderem vorgebracht, es gehe ihm bei der verlangten Einsichtnahme in das Grundbuch auch um die Erforschung der Geschichte der Häuser und damit um Details (Steuerschatzungen, besondere Dienstbarkeiten), die in einer Familie über Generationen hinweg Gesprächsthema hätten sein können und familiengeschichtlich deshalb hoch interessant seien. Diesen und weiteren ähnlichen Vorbringen hat die Vorinstanz entgegengehalten, sie vermöchten kein hinreichendes Interesse darzutun, liessen sie doch keinen fassbaren Zusammenhang mit Genealogie oder Familienforschung erkennen; würde man anders entscheiden, könnte der Beschwerdeführer als nächstes auch die Einsicht in die Grundbuchblätter der Nachbarliegenschaften und in alle entsprechenden Belege verlangen, zumal sich wohl auch dort Hinweise auf die Nachbarschaftsverhältnisse oder auf Themen fänden, die am Familientisch diskutiert worden seien. Das Verwaltungsgericht hat zudem dafür gehalten, dass die vom Beschwerdeführer gesuchten Informationen mit der Publizitätsfunktion des Grundbuchs nichts zu tun hätten; es sei nicht Zweck des Grundbuchs, späteren Eigentümern die Erforschung zusätzlicher persönlicher Daten ihrer Rechtsvorgänger zu ermöglichen.
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c) Aufgrund ihrer Betrachtungsweise hatte die Vorinstanz keinen Anlass zu erörtern, ob und inwiefern Interessen Dritter einer Einsichtnahme in gewisse Belege entgegenstehen könnten.
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b) Wie aus der im angefochtenen Entscheid wiedergegebenen Definition geschlossen werden muss, ist das Verwaltungsgericht von einem zu engen Begriff der Genealogie ausgegangen. Die kantonale Instanz hat nicht berücksichtigt, dass diese Wissenschaft nach den angeführten Wörterbüchern nicht nur die Familienforschung im Sinne einer Erkundung der Abstammung zum Gegenstand hat, sondern auch in gewissen sozialhistorischen Untersuchungen bestehen kann. Bei der Beurteilung des Gesuchs hat die Vorinstanz dem Umstand, dass der Beschwerdeführer wissenschaftliche Interessen geltend macht, ohnehin kaum Rechnung getragen. Sie hat insbesondere verkannt, dass Interessen dieser Art die Gewährung der Einsicht in das Grundbuch grundsätzlich auch dann zu rechtfertigen vermögen, wenn sie sich nicht auf die eigene Familie beschränken.
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Dass das Grundbuch und die dazugehörenden Belege von vornherein nicht geeignet wären, dem Beschwerdeführer die ihn interessierenden Angaben zu vermitteln, sagt die kantonale Instanz mit Recht nicht. Es ist in der Tat davon auszugehen, dass Handänderungs- oder Dienstbarkeitsverträge durchaus Aufschluss geben können etwa über soziale oder wirtschaftliche Verhältnisse eines Bevölkerungskreises oder einer Landesgegend. Dem vorinstanzlichen Entscheid lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer - allenfalls mit einem zumutbaren Mehraufwand - anderweitig zu den einschlägigen Informationen gelangen könnte (vgl. HAUSHEER, Öffentlichkeit des Grundbuches, in: ZBGR 69/1988, S. 11) oder dass an der Ernsthaftigkeit seiner Forschungsarbeiten zu zweifeln wäre. Unter den genannten Umständen geht es jedoch nicht an, dem Beschwerdeführer die Einsicht mangels hinreichenden Interesses zu verweigern mit der Begründung, er würde Einblick erhalten in Verhältnisse von Personen, die nicht seiner Familie angehörten. Dass der gewünschten Einsichtnahme tatsächlich die Intimsphäre Dritter entgegenstehen könnte, ist ein Umstand, der im Sinne einer Abwägung den Interessen des Beschwerdeführers gegenüberzustellen ist.
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1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts (1. Kammer) des Kantons Aargau vom 2. April 1990 aufgehoben; das Grundbuchamt des Bezirks Baden wird angewiesen, dem Beschwerdeführer Einsicht zu gewähren in sämtliche Belege, die zu den Grundbuch-Blättern Wettingen Nr. 2424 sowie Unterehrendingen Nrn. 125 und 371 gehören, bzw. ihm diese Belege zur Verfügung zu halten.
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