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36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. April 1991 i.S. X. gegen Bank Y. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 974 ff. OR. Rechtsnatur des Sparheftes. |
- Folgerungen aus der Wertpapiereigenschaft eines Sparheftes für die Beurteilung von Auszahlungen, welche die Bank leistet, ohne sich das Heft vorlegen zu lassen (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Mit Klage vom 5. April 1990 verlangte Ernst X. die Rückerstattung des seinem Kreditkonto belasteten Betrages nebst Zins. Das Handelsgericht des Kantons Bern wies die Klage am 17. August 1990 ab.
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C.- Das Bundesgericht weist die vom Kläger eingelegte Berufung ab und bestätigt das handelsgerichtliche Urteil.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Das Bundesgericht hat in einem Urteil aus dem Jahre 1941 Zweifel darüber geäussert, ob Sparhefte als Wertpapiere angesehen werden könnten. Es führte unter anderem aus, ein Sparheft sei lediglich ein Rechnungsbuch, in welchem fortlaufend die Einlagen und Rückzüge vorgemerkt würden, das aber nicht dazu bestimmt sei, wie ein Wertpapier als selbständiges Vermögensstück veräussert und verpfändet zu werden (BGE 67 II 32 f.; vgl. auch BGE 68 II 96 E. 2). Diese Auffassung ist in der Lehre auf Kritik gestossen (BOLLA, Repertorio di giurisprudenza 1943, S. 53; JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 290 f. zu Art. 965 OR; zustimmend dagegen BECKER, Berner Kommentar, 2. Auflage, N. 3 zu Art. 90 OR). In späteren Urteilen hat das Bundesgericht die Frage der Rechtsnatur des Sparhefts ausdrücklich offengelassen (BGE 89 II 95 E. 8; BGE 116 II 461 E. 1).
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Die neuere Literatur steht durchwegs auf dem Standpunkt, das Sparheft habe jedenfalls dann als Wertpapier zu gelten, wenn das ![]() | 6 |
b) Das vorliegende Sparheft enthält eine unzweideutige, auf der ersten Umschlagsseite abgedruckte Präsentationsklausel, deren Tragweite durch keinerlei Zusätze oder Vorbehalte in Frage gestellt wird. Die Vorinstanz ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass es als Wertpapier zu betrachten ist.
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Die Ehefrau des Klägers hat das Sparheft nach den verbindlichen Feststellungen des Handelsgerichts, bereits bevor sie den gemeinsamen Haushalt verliess, "in Sicherheit gebracht". Daraus musste der Kläger schliessen, dass sie ihm die Verfügung über das Sparguthaben entziehen wollte. Im internen Verhältnis ist daher die Vollmacht durch konkludente Willenserklärung der Sparheftberechtigten ![]() | 9 |
Bei der Bezahlung von Wertpapierschulden ohne Vorweisung der Urkunde schlägt Art. 34 Abs. 3 OR indessen entgegen der Meinung des Klägers nicht durch. Die Wertpapiereigenschaft einer Urkunde kommt gerade dann zum Tragen, wenn sich die Berechtigung an der darin verbrieften Forderung ohne Wissen des Schuldners verändert hat. Diesfalls führt die dem Wertpapier eigene Verknüpfung des Rechts mit der Urkunde dazu, dass der wirkliche, durch den Besitz der Urkunde ausgewiesene Gläubiger vom Schuldner weiterhin Zahlung verlangen kann, auch wenn dieser bereits an eine andere Person, die er irrtümlicherweise für berechtigt hielt, geleistet hat (JÄGGI, a.a.O., N. 105 und 108 zu Art. 966 OR; vgl. auch GLÜCKSMANN, S. 104 f.). Der Besitzer eines Wertpapiers darf, solange er die Urkunde nicht aus den Händen gibt, darauf vertrauen, dass die Schuld nur durch Leistung an ihn erfüllt werden kann. Der Schuldner muss demgegenüber, sobald er zahlt, ohne die Vorlegung des Wertpapiers zu verlangen, damit rechnen, dass er nochmals leisten muss, falls sich der Zahlungsempfänger im nachhinein als nicht oder nicht mehr berechtigt erweisen sollte. Der Gutglaubensschutz nach Art. 34 Abs. 3 OR hat deshalb hinter den Schutz des Vertrauens des Gläubigers in die wertpapiermässige Verbriefung seines Forderungsrechts zurückzutreten.
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Damit erweist sich die Auffassung des Handelsgerichts, dass sich die Beklagte durch die Auszahlung an den Kläger gegenüber der Sparheftberechtigten nicht befreit habe und sich deshalb deren Begehren, ihr die Fr. 10'000.-- wieder gutzuschreiben, nicht habe widersetzen können, im Ergebnis als zutreffend.
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