BGE 117 II 327 | |||
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59. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Juni 1991 i.S. S.T. Dupont SA gegen Bundesamt für geistiges Eigentum (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Markenschutz für ausländische geographische Bezeichnungen; Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 und 3 PVÜ und Art. 14 Abs. 1 Ziff 2 MSchG. | |
Sachverhalt | |
A.- Die S.T. Dupont SA, die ihren Sitz im Pariser Stadtteil Montparnasse hat, ist Inhaberin der am 29. Oktober 1987 im französischen Register eingetragenen Wortmarke "MONTPARNASSE". Die Marke ist für den Gebrauch auf Waren der internationalen Klassen 14, 16 und 34 bestimmt. Dazu gehören Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, Juwelier- und Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren, Zeitmessinstrumente; Schreibwaren, Teile davon und Nachfüllteile; roher und verarbeiteter Tabak, Raucherartikel, insbesondere Feuerzeuge und Streichhölzer.
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Am 17. November 1987 stellte die S.T. Dupont SA unter Beanspruchung der französischen Priorität Antrag auf internationale Registrierung der Marke in verschiedenen europäischen Ländern, darunter der Schweiz. Am 25. Januar 1988 wurde die Marke unter der Nummer 517939 ins internationale Register eingetragen.
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B.- Mit Verfügung vom 30. Dezember 1988 verweigerte das Bundesamt für geistiges Eigentum (BAGE) der Marke "MONTPARNASSE" vorläufig den Schutz in der Schweiz mit der Begründung, das Zeichen weise auf die Herkunft der Waren hin und habe deshalb keine Kennzeichnungskraft; für Waren anderer Herkunft sei die Marke zudem täuschend. An dieser Beurteilung hielt das BAGE in der Folge fest, obschon sich die S.T. Dupont SA bereit erklärte, die Warenliste auf in Frankreich hergestellte Waren einzuschränken. Mit Verfügung vom 8. November 1990 sprach das Amt die endgültige Schutzverweigerung für die Schweiz aus.
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Erwägungen: | |
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Diese zwischenstaatliche Regelung entspricht den in Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG vorgesehenen Ablehnungsgründen, wonach einer Marke der gesetzliche Schutz insbesondere zu verweigern ist, wenn sie als wesentlichen Bestandteil ein als Gemeingut anzusehendes Zeichen enthält oder wenn sie gegen die guten Sitten verstösst. Sittenwidrig sind unter anderem Zeichen, die geeignet sind, den Durchschnittskäufer über die Herkunft der damit versehenen Waren irrezuführen. Die Möglichkeit einer Täuschung ist namentlich dann zu bejahen, wenn das Zeichen eine offene oder unschwer erkennbare geographische Angabe enthält, welche den Käufer zur Annahme verleiten kann, die Ware stamme aus dem Land oder von dem Ort, auf den die Angabe hinweist, obschon das in Wirklichkeit nicht zutrifft. Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts indessen namentlich dann, wenn die geographische Angabe blossen Phantasiecharakter hat oder aus anderen Gründen nicht als Herkunftsangabe aufgefasst werden kann (Urteil vom 19. Februar 1980 in PMMBl 1980 I 52; BGE 97 I 80 E. 1, BGE 96 I 254, BGE 95 I 474, BGE 93 I 571, BGE 91 I 52 E. 2, BGE 89 I 51, 293 und 301, BGE 79 II 101, BGE 76 I 170). Als Herkunftsangaben gelten sodann nicht nur die Namen von Staaten, Städten und Bergen (BGE 91 I 52 E. 3: "Monte Bianco"; SMI 1964 S. 122 f.: "Matterhorn"), sondern auch jene von Strassen oder Gebäuden und Gebäudekomplexen, die vom Publikum einer bestimmten Stadt zugeordnet werden (BGE 89 I 290 ff.: "La Guardia"; BGE 76 I 170f. E. 2 und 3: "Big Ben"; BGE 72 I 238ff.: "5th Avenue"; BGE 56 I 472ff. E. 2: "Kremlin").
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Der Vertrag zwischen der Schweiz und Frankreich über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen (SR 0.232.111.193.49) ändert im vorliegenden Fall - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nichts an dieser Rechtslage. Es trifft zwar zu, dass die gemäss Vertrag geschützten geographischen Bezeichnungen in den Anlagen A und B aufgezählt werden. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, für andere geographische Namen bestehe von vornherein kein Freihaltebedürfnis. Zudem verbietet Art. 5 ganz allgemein die Verwendung falscher oder irreführender Herkunftsangaben (vgl. dazu BBl 1974 II 1181). Unter diesen Umständen erübrigt es sich, zu der von der Beschwerdeführerin allgemein aufgeworfenen Frage des Verhältnisses von Art. 3 Abs. 2 sowie Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG zu den Vorschriften dieses Staatsvertrages grundsätzlich Stellung zu nehmen.
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b) Das BAGE geht übereinstimmend mit der Beschwerdeführerin und zu Recht davon aus, dass "Montparnasse" beim schweizerischen Publikum als Name für ein Pariser Künstlerquartier bekannt ist. Das BAGE macht allerdings geltend, das Quartier habe seinen ursprünglichen Charakter infolge des touristischen Zustroms wesentlich verändert; Montparnasse sei heute zu einem Zentrum geworden, wo der Handel blühe; insbesondere Kunstgewerbeläden und kleine Manufakturen seien im Quartier Montparnasse nicht selten. Das Amt hält deshalb die Behauptung der Beschwerdeführerin für falsch, das Zeichen "MONTPARNASSE" habe für den beanspruchten Warenbereich nur symbolische Bedeutung und sei als Phantasiebezeichnung zu betrachten. Wie es sich damit verhält, muss indessen nicht entschieden werden, da die Frage für den Verfahrensausgang unerheblich ist, wie sich im folgenden ergeben wird. Unzutreffend ist jedoch der von der Beschwerdeführerin ebenfalls vertretene Standpunkt, das schweizerische Publikum verstehe das Zeichen "MONTPARNASSE" als Hinweis auf einen Berg oberhalb von Delphi, der gemäss der griechischen Mythologie der Sitz des Gottes Apollon sei. Obschon eine solche Verbindung vereinzelt vorgenommen werden mag, steht doch - insbesondere auch aufgrund der gewählten Schreibweise - für die Mehrheit des schweizerischen Publikums die Anspielung auf den Namen des Pariser Stadtteils im Vordergrund.
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a) Nachdem sich die Beschwerdeführerin dem BAGE gegenüber bereit erklärt hat, den Markenschutz nur für in Frankreich hergestellte Waren zu beanspruchen, und sie dies im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht bestätigt hat, ist eine Täuschung oder Irreführung des Publikums über die Herkunft der Waren ausgeschlossen. Dass die Waren allenfalls nicht in Paris und insbesondere nicht im Stadtteil Montparnasse, sondern andernorts in Frankreich hergestellt werden, ändert nichts daran. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt es im Fall von geographischen Bezeichnungen, die auf eine bestimmte Stadt oder Gegend hinweisen, dass die Waren im entsprechenden Land hergestellt werden (BGE 100 Ib 356 E. 4b: "Haacht", BGE 95 I 474 ff. E. 3: "Herzegowina"; BGE 89 I 295 E. 5: "Dorset", "La Guardia"; BGE 76 I 171 E. 3: "Big Ben"; BGE 56 I 472 E. 2: "Kremlin"). Eine Sittenwidrigkeit der Marke "MONTPARNASSE" im Sinne von Art. 14 Art. 1 Ziff. 2 MSchG und Art. 6quinquies lit. B Ziff. 3 PVÜ wegen Täuschungsgefahr scheidet demnach aus.
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b) Bezüglich geographischer Namen besteht in der Regel auch dann ein Freihaltebedürfnis, wenn es sich nicht um Herkunftsbezeichnungen im Sinne von Art. 18 MSchG handelt. Diese Betrachtungsweise liegt im wesentlichen der Rechtsprechung des Bundesgerichts zugrunde und wird auch in der Lehre teilweise vertreten (MARBACH, Die eintragungsfähige Marke, Diss. Bern 1984, S. 69 f.; TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl., S. 321 f. und S. 334 f.; vgl. dagegen COLELOUGH, La protection des indications de provenance et des appellations d'origine, Diss. Lausanne 1988, S. 149 f. und S. 225: de lege ferenda; ALFRED JUNG, Der Schutz von geographischen Herkunftsangaben im multi- und bilateralen europäischen Vertragsrecht sowie im EG-Recht, Diss. St. Gallen 1988, S. 52 f.). Auch nach der Praxis des Bundesgerichts gilt dieser Grundsatz indessen nicht uneingeschränkt. Zuzulassen sind neben den bereits erwähnten Phantasiebezeichnungen auch solche ausländischen Marken, die im Ursprungsland oder in der Schweiz Verkehrsgeltung erlangt haben. Ob es genügt, dass sich die Marke im Ursprungsland durchgesetzt hat (so BGE 55 I 270 E. 4 gestützt auf Art. 6 Abs. 2 Ziff. 2 PVÜ in der damaligen Fassung; ebenso BGE 81 I 301), ist in BGE 99 Ib 25 E. 4 in Anwendung von Art. 6quinquies lit. C Abs. 1 PVÜ verneint worden. Später hat das Bundesgericht jedoch wieder ausschliesslich auf die Durchsetzung im Ursprungsland abgestellt, Weil der Gebrauch des Zeichens durch ein Konkurrenzunternehmen täuschend wirken könne, und zwar unabhängig davon, ob das Konkurrenzunternehmen im Ursprungsland oder in der Schweiz tätig werde (BGE 100 Ib 356 E. 4b). Die entsprechende Überlegung führt auch im vorliegenden Fall zur Verneinung eines Freihaltebedürfnisses. In Frankreich dürfen Konkurrenten der Beschwerdeführerin die Bezeichnung "MONTPARNASSE" wegen des französischen Markenschutzes nicht verwenden. In der Schweiz wirkt einerseits der Gebrauch des Zeichens für nicht aus Frankreich stammende Waren täuschend. Andererseits besteht aber auch bei der Verwendung des Zeichens auf französischen Waren eine Täuschungsgefahr, falls diese Waren nicht von der Beschwerdeführerin hergestellt worden sind.
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In die gleiche Richtung weist im übrigen der bereits erwähnte Staatsvertrag mit Frankreich. Nach dessen Art. 2 und 3 sind die vertraglich geschützten geographischen Bezeichnungen ausschliesslich den Erzeugnissen des Ursprungslandes vorbehalten und dürfen im anderen Vertragsstaat nur unter den gleichen Voraussetzungen benutzt werden, wie sie in der Gesetzgebung des Ursprungslandes vorgesehen sind. Dabei entscheidet sich die Frage, ob eine geschützte Bezeichnung zu Recht verwendet wird, nach der Gesetzgebung des Staates, aus welchem die Ware herstammt und nach der Herkunft des Erzeugnisses, für welches die geschützte Bezeichnung gebraucht wird (BBl 1974 II 1180). Die gleiche Regel gilt auch gemäss dem Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland über den Schutz von Herkunftsangaben und anderen geographischen Bezeichnungen (SR 0.232.111.191.36), an welchen sich der Vertrag mit Frankreich stark anlehnt (BBl 1968 I 218 f.; vgl. dazu auch DESSEMONTET, Der Schutz geographischer Herkunftsangaben nach schweizerischem Recht, GRUR Int. 1979, S. 245 ff., S. 258). Das Prinzip, welches dieser Regelung zugrunde liegt, nämlich die Erzielung eines gleichmässigen Rechtsschutzes in den Vertragsstaaten, muss auch im vorliegenden Fall wegleitend sein. Für dieses Ergebnis spricht schliesslich auch, dass jedes Land die Freihaltebedürftigkeit seiner geographischen Namen am besten in eigener Verantwortung beurteilt (MARBACH, a.a.O., S. 70 Fn. 143).
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