![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
69. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Mai 1991 i.S. B. gegen E. und Obergericht des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 282 ZGB; Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen während der Dauer des Vaterschaftsprozesses. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B.- Am 4. April 1990 erhoben A. und C. B. beim Bezirksgericht X. Klage auf Feststellung des Kindesverhältnisses zwischen C. B. und D. E. Im Rahmen dieses Verfahrens ersuchten A. und C. B. den Gerichtspräsidenten von X. um Erlass vorsorglicher Massnahmen und beantragten, der angebliche Kindsvater sei ab März 1990 zu verhalten, für C. einstweilen einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 600.--, nebst allfälligen Kinderzulagen, zu bezahlen, eventuell sei dieser zu hinterlegen. Dieses Begehren wurde mit Verfügung vom 3. September 1990 abgewiesen.
| 2 |
Den gegen diese Verfügung eingereichten Rekurs wies die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau am 5. November 1990 ab.
| 3 |
C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht beantragen A. und C. B. die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts, soweit darin das Gesuch um Hinterlegung angemessener Unterhaltsbeiträge nach Art. 282 ZGB abgewiesen werde.
| 4 |
5 | |
Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
| 6 |
Aus den Erwägungen: | |
7 | |
a) Das Obergericht hat die Anwendung von Art. 282 ZGB, wie auch diejenige von Art. 283 ZGB, abgelehnt. Es ist davon ausgegangen, dass die Vaterschaft im Sinne von Art. 282 ZGB nicht schon dann glaubhaft sei, wenn die Beiwohnung glaubhaft gemacht worden sei; dem Vaterschaftsbeklagten stehe vielmehr im Rahmen der Glaubhaftmachung das Recht zu, sich auf Mehrverkehr der Kindsmutter zu berufen, und zwar letztlich in analoger Anwendung von Art. 262 Abs. 3 ZGB. Es sei nämlich nicht einzusehen, weshalb dem Beklagten nach Art. 282 ZGB weniger Rechte zustehen sollten als nach Art. 283 ZGB. Wenn er nach Art. 283 ZGB im Rahmen eines Beweises die Vaterschaftsvermutung zerstören könne, so müsse er auch im Rahmen der Glaubhaftmachung nach Art. 282 ZGB die Möglichkeit haben, die Glaubhaftigkeit der Vaterschaft zu widerlegen, indem u.a. durch Behauptung des Mehrverkehrs und Glaubhaftmachung desselben seine Vaterschaft weniger wahrscheinlich erscheine als die eines Dritten. Aufgrund der konkreten Sachlage im vorliegenden Fall gelangte die Rekurskommission des Obergerichts zum Schluss, die Vaterschaft des Beschwerdegegners sei nicht glaubhaft gemacht worden. Zwar sei es durchaus möglich, dass zwischen den Parteien während der massgebenden Zeit Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, doch erscheine die Behauptung des Beschwerdegegners, die Kindsmutter habe während der fraglichen Zeit noch mit andern Männern verkehrt, auf den ersten Blick und im Vergleich mit der Bestreitung der Gegenpartei als glaubhafter. Die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beschwerdegegners sei jedenfalls geringer als 50% und damit nicht mehr glaubhaft im Sinne von Art. 282 ZGB.
| 8 |
![]() | 9 |
4. Der Willkürvorwurf der Beschwerdeführerinnen ist begründet. In BGE 109 II 201 ist festgehalten worden, die Vaterschaft werde dann als glaubhaft gemacht betrachtet, wenn Anhaltspunkte für die Beiwohnung des Beklagten bestünden oder diese nach Ort, Zeit und weitern Umständen dargetan sei und ihr Zeitpunkt erlaube, mit der Möglichkeit einer Konzeption ernstlich zu rechnen (HEGNAUER/BREITSCHMID, Grundriss des Kindesrechts, 3. Aufl., N. 21.11 S. 142; HEGNAUER, N. 56a zu Art. 262 ZGB). Das Bundesgericht stellt aber darüber hinaus im angeführten Urteil auch noch fest, dass ungeachtet einer allfälligen Dirnentätigkeit der Mutter des Kindes die Vaterschaft des Beschwerdeführers als mindestens glaubhaft gemacht betrachtet werden dürfe, nachdem in jenem Fall die Tatsache der Beiwohnung in der kritischen Zeit feststand und die gesetzliche Vaterschaftsvermutung damit erstellt war. Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass anlässlich der Revision des Kindesrechts die Einrede des unzüchtigen ![]() | 10 |
Im vorliegenden Fall können sich die kantonalen Instanzen, vor allem der Massnahmerichter, der im zitierten Entscheid vom Bundesgericht geäusserten Auffassung nicht anschliessen. Sie versuchen daher, über die Analogie zu Art. 262 Abs. 3 ZGB eine Art Mehrverkehrseinrede gegenüber der im Sinne von Art. 282 ZGB erfolgten Glaubhaftmachung einzuführen, um schon die blosse Hinterlegung von Unterhaltsleistungen für das Kind zu verhindern. Es kann freilich dahingestellt bleiben, wie es sich verhielte, wenn tatsächlich Mehrverkehr nachgewiesen, zugestanden oder ein solcher ernsthaft zu vermuten wäre. Denn es geht jedenfalls nicht an - wie dies vorliegend geschieht -, dem Beschwerdegegner im Rahmen von Art. 282 ZGB zu gestatten, einfach durch blosse Behauptung die allfällige Glaubhaftigkeit seiner Vaterschaft zu widerlegen; zumindest wäre zu fordern, dass er seine Behauptung mit konkreten Anhaltspunkten oder mit Indizien zu untermauern sucht, die vom Massnahmerichter ernsthaft gegenüber jenen abzuwägen wären, die von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen werden. Die Hinterlegung im Sinne von Art. 282 ZGB dient lediglich als Sicherheit für das Kind, und ein Entscheid darüber hätte für den Beschwerdegegner, sollte er tatsächlich nicht der Vater des Kindes sein, keine schwerwiegenden Folgen; wird allzu leichthin die Zerstörung der Glaubhaftmachung angenommen, besteht tatsächlich die Gefahr, das Sicherungsinstitut des Art. 282 ZGB auszuhöhlen bzw. dessen Zweck zu vereiteln, wie die Beschwerdeführerinnen mit Recht darlegen.
| 11 |
Indessen genügt diese abweichende Auffassung wohl noch nicht, um mit den Beschwerdeführerinnen der Rekurskommission des Obergerichts Willkür anzulasten. Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Rekurskommission im angefochtenen Entscheid in Übereinstimmung mit BGE 109 II 201 festgehalten hat, dass in Fällen, in denen die Beiwohnung, aber auch der Mehrverkehr nachgewiesen ist, entgegen der Meinung der ersten Instanz nicht davon ausgegangen werden dürfe, die Vaterschaft sei nicht glaubhaft. Schwerer ins Gewicht fallen daher die Vorwürfe, welche die Beschwerdeführerinnen gegen die Beweiswürdigung der Rekurskommission ![]() | 12 |
Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde daher als begründet. Der Willkürvorwurf ist aber nicht nur hinsichtlich der Beweiswürdigung berechtigt, sondern der angefochtene Entscheid lässt sich auch im Ergebnis nicht halten; denn mehr den mutmasslichen Vater belastende Indizien vorzutragen, wird in solchen Fällen kaum je möglich sein. Mit der von den kantonalen Instanzen angestrebten einseitigen Praxis wird verhindert, dass die vor allem zugunsten des Kindes im Gesetz vorgesehene Sicherungsmassnahme überhaupt zum Zuge kommen kann.
| 13 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |