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86. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. November 1991 i.S. SUISA gegen E. Räber-Müller's Erben (Berufung) | |
Regeste |
Art. 9 Abs. 1 URG; Übertragung von Werknutzungsrechten. | |
Sachverhalt | |
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E. Räber-Müller's Erben veranstalteten vom 21.-23. April 1989 im Kino Apollo in Chur vier Vorführungen des Stummfilms "Nosferatu" ![]() | 2 |
B.- Gestützt auf ihren Tarif für Konzerte und konzertähnliche Darbietungen machte die SUISA gegenüber den E. Räber-Müller's Erben eine Entschädigung von Fr. 826.90 geltend. Diese bestritten eine Schuld und erhoben gegen den ihnen zugestellten Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag, worauf die SUISA die Forderung einklagte. Das Kantonsgericht (Ausschuss) von Graubünden wies die Klage am 10. April 1991 ab. Es gelangte zum Schluss, die Beklagten hätten nach Treu und Glauben annehmen dürfen, die Aufführungserlaubnis direkt vom Urheber erworben und dessen Urheberrechte vereinbarungsgemäss entschädigt zu haben; die Beklagten seien daher nach Art. 167 OR gültig befreit worden.
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Das Bundesgericht heisst die Berufung der Klägerin gut.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Die Werknutzungsrechte des Urhebers, wie sie hier zur Beurteilung stehen, sind nach geltendem schweizerischen Recht (Art. 9 Abs. 1 URG) übertragbar. Daran soll nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion auch de lege ferenda festgehalten werden, nachdem vorübergehend erwogen worden ist, die Urheberrechte von einer Übertragung allgemein auszuschliessen und - nach deutschem und österreichischem Vorbild - lediglich die Einräumung von Nutzungsrechten zu gestatten (s. Botschaft des Bundesrates vom 19. Juni 1989 zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, BBl 1989 III 533f.). Zulässig ist dabei gemäss allgemeinen Grundsätzen auch eine bloss fiduziarische Rechtsübertragung. Sie führt zum vollen Rechtserwerb des Fiduziars, sofern sie ernsthaft gewollt und nicht bloss simuliert ist. Der Fiduziar wird dadurch gegenüber Dritten, die sich um die internen Rechtsbeziehungen zwischen Treugeber und Treuhänder nicht zu kümmern haben (BGE 115 II 471), als Rechtsträger legitimiert und zu Verfügungen berechtigt (BGE 85 II 99; JÄGGI/GAUCH, N. 188 ff. zu Art. 18 OR; KRAMER, N. 128 zu Art. 18 OR; WIEGAND, Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, ![]() | 5 |
Das Urheberrecht wirkt absolut, d.h. gegenüber jedermann. Wird es übertragen, geht die ausschliessliche Rechtsmacht auf den Erwerber über; im Treuhandverhältnis gilt dies jedenfalls für die Dauer der Fiduzia. Das bedeutet zum einen, dass der Erwerber das Recht ebenfalls gegenüber jedermann durchsetzen kann, zum andern aber auch, dass der Veräusserer mit der Begebung der Rechtszuständigkeit von weiteren Verfügungen über das Recht ausgeschlossen wird und namentlich nicht mehr berechtigt ist, weitere Nutzungsbefugnisse einzuräumen (ANGELA MAUHS, a.a.O., S. 107 ff.). Mangels eines durch Besitz (wie z.B. in Art. 714 Abs. 2 ZGB) oder Registereintrag (wie z.B. in Art. 973 ZGB oder Art. 33 Abs. 4 PatG) begründeten Rechtsscheins können auch gutgläubig keine Rechte vom nicht oder nicht mehr Berechtigten erworben werden (Erläuterungen zum Vorentwurf II für ein revidiertes Urheberrechtsgesetz vom 1. Mai 1974, S. 25; RIKLIN, Das Urheberrecht als individuelles Herrschaftsrecht und seine Stellung im Rahmen der zentralen Wahrnehmung urheberrechtlicher Befugnisse sowie der Kunstförderung, Freiburg 1978, S. 121; TROLLER, Der gute Glaube im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, SJZ 46/1950, S. 205). Insoweit unterscheidet sich das Urheberrecht nicht vom Obligationenrecht. Auch danach ist eine zweite Zession bei gültiger Erstabtretung unwirksam, selbst wenn der Zweitzessionar von der früheren Abtretung keine Kenntnis hat und daher das vermeintliche Recht gutgläubig erwirbt (VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, Band II, S. 338). An diesem Ergebnis vermag der vom Kantonsgericht angewandte Regelungsgedanke von Art. 167 OR nichts zu ändern. Diese Bestimmung ordnet weder die Aktivlegitimation an einer Forderung noch die Befugnis zur Begründung von Schuldverhältnissen, sondern ist ausschliesslich eine Schutzbestimmung zugunsten des in gutem Glauben an einen früheren Gläubiger zahlenden Schuldners (BGE 56 II 368).
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Im vorliegenden Fall hat Armin Brunner der Klägerin nicht eine Forderung gegen die Beklagten abgetreten, sondern ein absolutes Recht, aus welchem die Klägerin eine Forderung ableitet, die ihr selbst und unmittelbar aus der Verletzung dieses Rechts erwachsen ![]() | 7 |
Zur Rechtsnatur der von der Klägerin geforderten Entschädigung wie auch zur streitigen Höhe, insbesondere zum anwendbaren Tarif und den massgebenden Bemessungsgrundlagen, hat sich die Vorinstanz noch nicht geäussert. Es ist ihr Gelegenheit zu geben, dies nachzuholen. Die Streitsache ist daher zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen ans Kantonsgericht zurückzuweisen.
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