BGE 117 II 513 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
94. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Dezember 1991 i.S. Verkehrsclub der Schweiz (VCS) gegen ASTAG, Schweizerischer Nutzfahrzeugverband (Berufung) | |
Regeste |
Namensschutz (Art. 28 und 29 ZGB). |
- Zeitliche Priorität für einen Namen, der vor der Gründung des entsprechenden Vereins gewählt wurde? (E. 2c). |
- Anforderungen an die Unterscheidbarkeit von Vereinsnamen; Bedeutung eines Hinweises auf die Rechtsform ("Association", "Associazione") (E. 3 und 5). | |
Sachverhalt | |
Der am 20. Januar 1979 unter dem Namen "ASTAG, Schweizerischer Nutzfahrzeugverband, Association suisse des transports routiers, Associazione svizzera dei trasportatori stradali" gegründete Verein bezweckt, die ideellen und wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern. Er setzt sich ein für die Lösung aller Probleme im Zusammenhang mit dem motorisierten Nutzfahrzeugverkehr (werk- und gewerbsmässiger Verkehr) auf der Basis der freien Marktwirtschaft (Art. 1 und 2 der Statuten).
| 1 |
Zweck des am 15. Mai 1979 unter dem Namen "VCS Verkehrsclub der Schweiz, AST Association Suisse des Transports, AST Associazione Svizzera del Traffico" gegründeten und im Handelsregister eingetragenen Vereins ist die Förderung eines menschen- und naturgerechten Verkehrswesens und die finanzielle Unterstützung der Schweizerischen Verkehrs-Stiftung. Der VCS Verkehrsclub der Schweiz organisiert für seine Mitglieder Dienstleistungen, die selbsttragend sein sollen (Art. 1 und 2 der Statuten).
| 2 |
Der ASTAG Schweizerische Nutzfahrzeugverband reichte mit Eingabe vom 13. Januar 1989 beim Appellationshof des Kantons Bern gegen den Verkehrsclub der Schweiz (VCS) Klage ein. Die in der Verhandlung vom 12. Juni 1989 teilweise modifizierten Klagebegehren lauten wie folgt:
| 3 |
"1. Es sei festzustellen, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger gegen
| 4 |
das UWG verstossen hat.
| 5 |
2. Es sei dem Beklagten unter Androhung der Strafen nach Art. 403 ZPO und
| 6 |
Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall zu verbieten, seinen französischen
| 7 |
resp. italienischen Namen, "Association Suisse des Transports" resp.
| 8 |
"Associazione Svizzera del Traffico" sowie die entsprechende Abkürzung
| 9 |
"AST" zu verwenden oder verwenden zu lassen.
| 10 |
..."
| 11 |
Der Beklagte widersetzte sich der Klage.
| 12 |
Der Appellationshof (III. Zivilkammer) des Kantons Bern erkannte in seinem Urteil vom 19. März 1990:
| 13 |
"1. Es wird dem Beklagten unter Androhung der Strafen nach Art. 403 ZPO
| 14 |
und Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall verboten, seinen französischen
| 15 |
resp. italienischen Namensbestandteil "Association" resp. "Associazione"
| 16 |
sowie die entsprechende Abkürzung "A..." zu verwenden oder verwenden zu
| 17 |
lassen.
| 18 |
2. Der Kläger wird ermächtigt, dieses Urteil auf Kosten des Beklagten je
| 19 |
einmal in der auflagenstärksten Zeitung der französischen und
| 20 |
italienischen Schweiz auf einer Viertelseite zu publizieren.
| 21 |
3. Soweit weitergehend wird die Klage abgewiesen."
| 22 |
Der Beklagte hat Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Begehren, das Urteil des Appellationshofes aufzuheben und die Klage abzuweisen; allenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an die kantonale Instanz zurückzuweisen.
| 23 |
Der Kläger hat Anschlussberufung erhoben. Er erneuert damit im wesentlichen seine Klagebegehren.
| 24 |
25 | |
Aus den Erwägungen: | |
26 | |
b) Der Appellationshof hält dafür, dass durch den Gebrauch der französischen und der italienischen Fassung des Namens des Beklagten ("Association Suisse des Transports" und "Associazione Svizzera del Traffico") sowie der entsprechenden Abkürzung ("AST") das Recht des Klägers an seinem Namen in widerrechtlicher Weise beeinträchtigt werde.
| 27 |
28 | |
a) Ob die Gefahr einer Verwechslung der Namen der Parteien bestehe, ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage. Sie ist nicht nur dann zu bejahen, wenn tatsächliche Verwechslungen nachgewiesen sind; es genügt, dass solche angesichts der Gestaltung der zu vergleichenden Namen mit Rücksicht auf die besonderen Umstände im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegen (vgl. BGE 95 II 458 E. 1; BGE 82 II 154 mit Hinweisen).
| 29 |
aa) Der Appellationshof erachtet es aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens als erstellt, dass die Namen und Abkürzungen der Parteien - auf seiten des Beklagten diejenigen in französischer und italienischer Sprache - in der Öffentlichkeit verwechselt worden seien. Wohl hat er an anderer Stelle ausgeführt, es sei zumindest eine Gefahr der Verwechslung gegeben. Mit dieser Äusserung hat die Vorinstanz die erstgenannte Auffassung indessen nicht einschränken wollen. Im Zusammenhang mit der Frage der Urteilspublikation hat sie nämlich festgehalten, in der deutschen Schweiz hätten keine Verwechslungen stattgefunden, woraus zu schliessen ist, dass sie für den französisch- und italienischsprachigen Teil des Landes tatsächliche Verwechslungen für nachgewiesen hält.
| 30 |
bb) Der Beklagte räumt im übrigen selbst ein, dass es zu Verwechslungen gekommen sei. Dass es sich um Einzelfälle gehandelt habe, findet in den tatsächlichen Feststellungen des Appellationshofes keine Stütze, und der Beklagte macht nicht geltend, dass diese unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen wären oder auf einem offensichtlichen Versehen beruhen würden (vgl. Art. 63 Abs. 2 OG). Die Vorbringen des Beklagten sind zudem ohnehin unbehelflich: Nachdem - was der Beklagte selbst nicht bestreitet - Verwechslungen effektiv vorgekommen sind, braucht nicht mehr abstrakt geprüft zu werden, ob die Gefahr von Verwechslungen bestehe.
| 31 |
b) Der Beklagte wendet sodann ein, dass der Kläger sich während beinahe zehn Jahren an seinem, des Beklagten, ausgeschriebenen französischen und italienischen Namen nicht gestossen habe. Wenn er nun Unterlassungsansprüche geltend mache, sei dies rechtsmissbräuchlich; die Ansprüche seien verwirkt. Das vom Beklagten in diesem Punkt in tatsächlicher Hinsicht Vorgebrachte ist neu und daher unbeachtlich (vgl. Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Das angefochtene Urteil enthält denn auch keine entsprechenden Feststellungen. Der rechtliche Einwand entbehrt damit der tatsächlichen Grundlage und ist demzufolge nicht näher zu prüfen.
| 32 |
c) Der Appellationshof führt in tatsächlicher Hinsicht aus, Namen und Abkürzungen des (am 15. Mai 1979 gegründeten) Beklagten seien bereits im Herbst 1978 gewählt und einen Tag vor der Gründung des Klägers (die auf den 20. Januar 1979 fiel) bekanntgegeben worden. Der Beklagte glaubt, aufgrund dieser Feststellungen die zeitliche Priorität für sich beanspruchen zu können, da sein Name - durch den Vorverein - schon vor seiner Gründung gebraucht worden sei.
| 33 |
Ein sogenannter Vorverein ist einer einfachen Gesellschaft gleichgestellt (Art. 62 ZGB) und hat somit keine eigene Rechtspersönlichkeit. Ob und inwiefern dem von einem Vorverein verwendeten Namen dennoch Bedeutung zukommt, insbesondere ob sich ein Verein auf die zeitliche Priorität berufen kann, wenn schon seine Gründungsgesellschaft (Vorverein) den betreffenden Namen geführt hat (dazu RIEMER, Berner Kommentar, Syst. Teil N 410), braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Eine zeitliche Priorität fällt von vornherein nur für Namen in Betracht, die im Verkehr nach aussen gebraucht worden sind, mit andern Worten zumindest von einem bestimmten Kreis Dritter wahrgenommen werden konnten. Der Aussenstehende muss nämlich wissen, welchen Namen er nicht nachahmen darf. Hier steht aufgrund der Ausführungen im angefochtenen Urteil fest, dass die Bezeichnungen des Beklagten zwar schon einige Monate vor dessen Gründung gewählt und intern wohl auch verwendet worden waren. Die strittigen Bezeichnungen wurden aber erst am Tag vor der Gründung des Klägers der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Bei dieser Sachlage beruft sich der Beklagte zu Unrecht auf die zeitliche Priorität seines Namens.
| 34 |
35 | |
a) Im Unterschied zu den juristischen Personen des Obligationenrechts, für die in erster Linie die Sondervorschriften des Firmenrechts und erst in zweiter Linie die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über den Namen gelten, unterstehen die Vereine grundsätzlich nur dem Namensrecht, zumal sie keine Geschäftsfirma besitzen (BGE 102 II 165 E. 2 mit Hinweisen). Das Gesetz enthält keinerlei Vorschrift darüber, wie der Name eines Vereins zu bilden ist. Es sagt insbesondere auch nicht, ob darin die Rechtsform angegeben werden darf oder muss. Der Name kann mithin grundsätzlich frei gewählt werden, so dass dem Beklagten von daher nicht untersagt werden könnte, die Rechtsform in seinem Namen anzuführen.
| 36 |
b) Um niemanden in seinem durch Art. 29 ZGB geschützten Recht auf den Namen zu beeinträchtigen, muss indessen auch der Name eines Vereins sich von andern Namen klar unterscheiden. Wo - wie im Falle des Beklagten - die Rechtsform in den Namen aufgenommen wird, muss dieser - wie auch die entsprechende Abkürzung - in den übrigen Bestandteilen seinen Träger hinreichend individualisieren. Gerade dies traf hier jedoch nicht zu, wurden doch der französische und der italienische Name des Beklagten und die entsprechende Abkürzung nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Appellationshofes in der Öffentlichkeit mit dem Namen des Klägers verwechselt. Auch wenn einem Verein grundsätzlich nicht verwehrt werden kann, die Rechtsform in seinen Namen aufzunehmen, sind die Vorbringen des Beklagten nach dem Gesagten unbehelflich...
| 37 |
38 | |
Wie in Erwägung 3 dargelegt worden ist, vermag das den Wörtern "Association" bzw. "Associazione", d.h. den Hinweisen auf die Rechtsform des Beklagten, und dem Buchstaben "A" in den Abkürzungen Beigefügte Verwechslungen nicht auszuschliessen. Ist aber die Unterscheidbarkeit der Namen der Parteien durch die jetzigen Zusätze nicht hinreichend gewährleistet, genügt es in der Tat nicht, dem Beklagten die Verwendung der Wörter "Association" und "Associazione" sowie des Buchstabens "A" in der Abkürzung zu untersagen. Vielmehr ist dem Beklagten - in entsprechender Gutheissung der Anschlussberufung - die Führung des gesamten Namens und der gesamten Abkürzung in französischer und italienischer Sprache zu verbieten. Nur damit wird auch dem Grundsatz Rechnung getragen, dass der Name frei wählbar ist und einem Verein nicht verwehrt werden kann, die Rechtsform in seinen Namen aufzunehmen. Hingegen mag hier dahingestellt bleiben, ob und inwiefern Art. 39 HRegV (betreffend die inhaltliche Identität der in verschiedenen Sprachen gefassten Firma) auf den Namen des Beklagten überhaupt anwendbar ist. Der Hinweis des Klägers ist von vornherein nicht schlüssig, hat doch die Verletzung seines hier in Frage stehenden Rechts mit der inhaltlichen Identität der sprachlich verschiedenen Fassungen des Namens des Beklagten direkt nichts zu tun...
| 39 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |