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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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98. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1991 i.S. R. gegen M. und I. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 738 f. ZGB; Inhalt der Dienstbarkeit bei veränderten Bedürfnissen. | |
Sachverhalt | |
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Während der erstinstanzliche Richter die Baueinsprache abwies, verbot der zweitinstanzliche Richter die Ausführung des Bauvorhabens. Dieser Entscheid wurde vom Bundesgericht, welches die bei ihm erhobene Berufung des R. abwies, geschützt.
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Nach der gegenteiligen Auffassung des Obergerichts lässt sich das Fuss- und Fahrwegrecht - unter Beachtung auch des Zwecks, wozu diese Dienstbarkeit im Jahr 1880 begründet ist - nicht so verstehen, dass die Einsprecher als Eigentümer der belasteten Grundstücke die stärkere Belastung, welche der Einbau dreier Garagen nach sich zöge, zu dulden hätten; denn die belasteten Grundstücke würden nicht mehr der ursprünglich landwirtschaftlichen Nutzung des berechtigten Grundstücks dienen.
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a) Massgebend ist im vorliegenden Fall somit vorab der am 3. Januar 1967 bereinigte Grundbucheintrag, nachdem der ursprüngliche Eintrag offenbar - entgegen dem neuen Vorbringen des Berufungsklägers - im kantonalen Verfahren nicht beigebracht werden konnte. Er lautet, soweit für die Beurteilung der Streitsache von Bedeutung, wie folgt:
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Dieser Wortlaut ist bezüglich seines Inhalts klar: Es besteht ein sogenanntes ungemessenes, das heisst: weder räumlich noch funktionell begrenztes, Fuss- und Fahrwegrecht derart, dass der unmittelbare Zugang und die unmittelbare Zufahrt von der Dorfstrasse zum berechtigten Grundstück des Berufungsklägers gewährleistet werden. Dem Grundbucheintrag lässt sich somit - aufgrund des Wortlautes - nicht ohne weiteres eine Einschränkung in der Richtung entnehmen, dass das Fahrwegrecht nur gerade der ursprünglich landwirtschaftlichen Nutzung des Ökonomiegebäudes diene, wie das Obergericht anzunehmen scheint und was vom Berufungskläger in Frage gestellt wird. Auf dem herrschenden Grundstück befand sich nämlich seit jeher und befindet sich auch heute noch das landwirtschaftliche Wohnhaus, so dass davon auszugehen ist, dass das Fahr- und Fusswegrecht dem Zugang und der Zufahrt sowohl zur Arbeits- als auch zur Wohnstätte der bäuerlichen Familie zu dienen hat.
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b) Ungemessene Dienstbarkeiten bedürfen nun aber, selbst bei an sich klarem Wortlaut, der Auslegung, wenn ihr Umfang (Art. 737 ZGB) streitig ist. Dazu kommt es - wie hier - immer dann, wenn infolge veränderter Verhältnisse eine stärkere Beanspruchung des belasteten Grundstücks befürchtet wird; denn die Dienstbarkeit darf nur im Rahmen des ursprünglichen Zweckes, wozu sie begründet worden ist, ausgeübt werden (BGE 100 II 116 E. 3b mit Hinweisen). Eine Änderung der Ausübung wird dem Eigentümer des belasteten Grundstücks dabei wohl zugemutet (BGE 64 II 414 E. 2). Doch hat er grundsätzlich eine Mehrbelastung nur zu tragen, wenn diese auf eine objektive Veränderung der Verhältnisse, wie etwa die Entwicklung der Technik, zurückgeht und nicht auf willentlicher Änderung der bisherigen Zweckbestimmung beruht; auch darf die zweckentsprechende Benützung des belasteten Grundstücks durch die Ausübung der Dienstbarkeit nicht behindert oder wesentlich mehr als bisher eingeschränkt werden (BGE 91 II 342 f. E. 4b mit Hinweisen).
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c) Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid diente das Fuss- und Fahrwegrecht bis 1960 für Milch- und Futtertransporte mit Fuhrwerken und später mit Traktoren. Ferner diente es für den Viehtrieb (10-15 Stück Vieh) und als Zufahrt zum Wohnhaus und zum Ökonomiegebäude. Allerdings wurde der Landwirtschaftsbetrieb, nachdem schon vorher die Viehhaltung aufgegeben ![]() | 10 |
d) Entscheidend ist nun aber die Feststellung der Vorinstanz, dass der Berufungskläger den vollständigen Umbau des Ökonomiegebäudes in ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen und drei Garagen plane; damit falle der zuvor landwirtschaftliche Zweck des Ökonomiegebäudes vollständig dahin. Die Servitut würde dem jeweiligen Eigentümer für die Erzielung von Mietzinsen oder von Eigenmietwerten dienen, aber nicht mehr für die Gewinnung landwirtschaftlicher Produkte. Gestützt auf die Dienstbarkeit könnten drei verschiedene Mieter ohne jede Einschränkung ihre persönlichen Verkehrsbedürfnisse befriedigen.
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Die Vorinstanz hat sodann in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass selbst ein uneingeschränktes Fahrwegrecht nicht auf die Wegbenützung im Zusammenhang mit der Errichtung von nicht der Landwirtschaft dienenden Garagen auf dem berechtigten Grundstück erstreckt werden könnte. Andernfalls würde die Dienstbarkeit einen Umfang annehmen, an den bei der Errichtung, in Anbetracht des damaligen landwirtschaftlichen Charakters des herrschenden Grundstücks, vernünftigerweise nicht habe gedacht werden können. Der Bau von Garagen habe im Jahr 1880 nicht vorausgesehen werden können, und daher habe diese Nutzungsart ![]() | 12 |
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a) Mit den Verweisen im angefochtenen Entscheid auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung wollte die Vorinstanz klarerweise die Grundsätze unterstreichen, die massgebend sind für die Bestimmung von Inhalt und Umfang einer nicht ausschliesslich altrechtlichen, sondern 1967 im Bereinigungsverfahren in das eidgenössische Grundbuch aufgenommenen Dienstbarkeit. Zur Bestimmung der Identität dieser Dienstbarkeit ist nun aber auf den ursprünglichen Zweck zurückzugreifen, der sich hier, wo der Dienstbarkeitsvertrag nicht mehr aufzufinden war, vor allem aus der Art der jahrzehntelangen Nutzung und aus den Bedürfnissen des herrschenden Grundstücks ermitteln liess. Das auf einer Gewerbeservitut beruhende Beispiel, das der Berufungskläger zur Untermauerung seines Standpunktes anführt, geht daher an der Sache vorbei. Der Zweck des hier streitigen Fuss- und Fahrwegrechtes bleibt im übrigen nach wie vor aktuell, was denn auch von keiner Seite bezweifelt worden ist.
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b) Der Berufungskläger verkennt mit seinem auf Art. 739 ZGB gestützten Argument, sogar das Gesetz sehe eine Änderung der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks vor, dass er selber eine solche Änderung der Bedürfnisse mit seinem Bauvorhaben anstrebt. Das müssen die Eigentümer der belasteten Grundstücke - mit oder ohne Mehrbelastung, die im vorliegenden Fall tatsächlich ![]() | 15 |
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