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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Februar 1992 i.S. K. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 58 OR. Haftung des Werkeigentümers. | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Bundesgericht heisst die Berufung des Klägers gut und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück.
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Aus den Erwägungen: | |
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Nach den Feststellungen des Bezirksgerichts steht das Trottoir, auf dem sich der Unfall ereignet hat, im Eigentum der Beklagten. Diese beruft sich indessen - unter Hinweis auf BGE 91 II 281 ff. und BGE 51 II 207 ff. - darauf, dass zulasten der Eigentümerin ein öffentliches Fusswegrecht eingetragen und dass nach Strassenreglement für die Reinigung des Trottoirs die Gemeinde als Dienstbarkeitsberechtigte zuständig sei. Eine allfällige Werkeigentümerhaftung träfe nach Ansicht der Beklagten daher nicht sie, sondern die Gemeinde.
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Diese Argumentation überzeugt nicht. Wer einer unbestimmten Vielzahl von Besuchern eines Lokals eine Ausgangstüre zur Verfügung stellt, hat die nach den Umständen zumutbaren Vorkehren für deren möglichst gefahrlose Benützung zu treffen. Dazu gehört auch, dass er unmittelbar jenseits der Türe lauernde Gefahren im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren beseitigt oder zumindest mit einem entsprechenden Warnschild auf sie aufmerksam macht (im einzelnen E. 4 hienach). Im vorliegenden Fall ist daher die Passivlegitimation der Beklagten aufgrund ihres Eigentums an der Ausgangstüre aus ihrem Laden unabhängig davon zu bejahen, ob sie auch hinsichtlich des Trottoirs als Werkeigentümerin im Sinne von Art. 58 OR zu betrachten ist, wie dies die kantonalen Instanzen zumindest für den Bereich des Zugangs zum Gebäude annehmen.
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4. Das Bezirksgericht stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, bei der Türe, durch welche der Kläger den Laden der Beklagten verlassen habe, habe es sich um einen Notausgang gehandelt, der zugleich ![]() | 6 |
Ausgehend von dieser Sachlage gelangen die kantonalen Instanzen zum Ergebnis, die Beklagte habe mit dem Wegpickeln des Eises und dem Streuen von Salz die zumutbaren Massnahmen ergriffen, um einen Schaden zu vermeiden. Der Kläger rügt, diese Auffassung verstosse gegen Art. 58 OR.
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a) Gemäss Art. 58 Abs. 1 OR haftet der Werkeigentümer für den Schaden, der durch fehlerhafte Anlage oder Herstellung oder durch mangelhaften Unterhalt des Werks verursacht wird. Ob ein Werk fehlerhaft angelegt oder mangelhaft unterhalten ist, ist im Hinblick auf den Zweck zu beurteilen, den es zu erfüllen hat. Der Werkeigentümer hat insbesondere dafür einzustehen, dass das Werk bei bestimmungsgemässem Gebrauch genügende Sicherheit bietet. Er hat allerdings nicht jeder denkbaren Gefahr vorzubeugen, sondern darf Risiken ausser acht lassen, welche von den Benützern des Werks mit einem Mindestmass an Vorsicht vermieden werden können. An die Sicherheit öffentlicher Gebäude oder privater Gebäude mit Publikumsverkehr sind dabei jedoch höhere Anforderungen zu stellen (BGE 117 II 399 E. 2; BGE 116 II 423 E. 1; BGE 88 II 420 E. 2, je mit Hinweisen). Bei Verkaufslokalen ist zudem zu berücksichtigen, dass das zur Schau gestellte Warenangebot nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet ist, beim Besucher zu einer gewissen Zerstreuung und damit zu einer verminderten Aufmerksamkeit zu führen. Der Eigentümer solcher Räumlichkeiten darf daher von vornherein nicht mit einer sehr grossen Vorsicht der Ladenbesucher rechnen. Vielmehr hat er im Rahmen des Zumutbaren (BGE 100 II 139 mit Hinweisen) entsprechend wirksame Vorkehren zu deren Schutz vor Unfallgefahren zu treffen. Das gilt umso mehr, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Gefährdung zutage tritt, für den Werkeigentümer mithin ohne weiteres erkennbar ist.
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Eine Türe dient dem Durchgang von einem baulich umgrenzten Raum in einen andern oder ins Freie. Der Gebäudeeigentümer hat ![]() | 9 |
b) Im Lichte dieser Kriterien kann sich die Beklagte entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen ihrer Haftung als Werkeigentümerin nicht entziehen. Das Eis auf dem Trottoir unmittelbar vor der Ausgangstüre stellte nach dem Gesagten eine Gefahr dar, vor welcher die Beklagte die Besucher ihres Ladens durch geeignete Sicherheitsmassnahmen zu beschützen hatte. Wohl ist die Beklagte diesbezüglich nicht untätig geblieben, sondern hat durch einen ihrer Angestellten das Eis vor Ladenöffnung wegpickeln und wiederholt Salz streuen lassen. Es war für sie aber ohne weiteres erkennbar, dass damit die Gefahr nicht behoben war, weil vom Dach tropfendes Wasser, das am Boden sogleich wieder gefror, innert kürzester Frist zur Bildung einer neuen Eisschicht führte. Der Umstand, dass sie in der Absicht, die Gefahr zu beseitigen, Massnahmen getroffen hat, reicht für sich allein nicht aus, die Beklagte von ihrer Haftpflicht zu befreien, zumal sie erkennen musste, dass die getroffenen Massnahmen ihren Zweck nicht erreichten. Zutreffend hält das Bezirksgericht zwar fest, dass eine Schliessung der Türe wegen deren Bedeutung als Notausgang nicht in Betracht fiel. Hingegen kann ihm nicht gefolgt werden, wenn es von vornherein ausschliesst, dass die vom Eis ausgehende Rutschgefahr mit anderen Massnahmen, wie dem Legen eines Teppichs, hätte beseitigt werden können; gerade Teppiche werden in Situationen wie der hier zu beurteilenden häufig mit Erfolg verwendet. Jedenfalls aber durfte die Beklagte die Besucher ihres Ladens nicht ohne Vorwarnung dem Risiko eines Sturzes aussetzen. War dem Eis weder mit Pickeln noch mit Salzen beizukommen und konnte die Türe auch nicht geschlossen werden, so musste es sich vielmehr geradezu aufdrängen, die Ladenbesucher mit einem ![]() | 10 |
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