BGE 118 II 243 | |||
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49. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. Juni 1992 i.S. Ehegatten Fry-Schmucki gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 301 Abs. 4 ZGB und Art. 69 Abs. 2 ZStV. Eintragung eines Familiennamens als zweiter Vorname im Geburtsregister. |
2. Ernsthafte Gründe, welche objektiv achtenswert sind und deshalb die Wahl eines Familiennamens als zweiten Vornamen rechtfertigen. Rein gefühlsmässige Motive allein vermögen die einschränkenden Kriterien für eine solche Vornamensgebung nicht zu erfüllen (E. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Peter und Silvia Fry-Schmucki beantragten beim Zivilstandsamt Luzern, ihre am 6. September 1991 geborene Tochter mit den beiden Vornamen Carla Schmuki im Geburtsregister einzutragen. Mit Entscheid vom 24. Oktober 1991 lehnte das Zivilstandsamt die Eintragung des Vornamens Schmuki mit der Begründung ab, dieser Name sei in der Schweiz als Familienname und nicht als Vorname bekannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Luzern mit Urteil vom 10. Dezember 1991 ab.
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B.- Am 15. Januar 1992 haben Peter und Silvia Fry-Schmucki gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie verlangen, in Aufhebung der angefochtenen Entscheide sei ihre Tochter mit den beiden Vornamen Carla Schmuki im Geburtsregister einzutragen.
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Das Justizdepartement des Kantons Luzern beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Den gleichen Antrag stellt das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, Bundesamt für Justiz. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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Nach unangefochtener Feststellung der Vorinstanz existiert der Name Schmucki in der Schweiz als Familienname, ist hingegen als Vorname nicht bekannt (vgl. auch das Vornamensverzeichnis des Schweizerischen Verbands der Zivilstandsbeamten, Ausgabe 1986). Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Namen, die seit jeher als Familien- wie auch als Vornamen im Gebrauche sind (so beispielsweise Arnold, Ernst, Peter; BGE 116 II 507 f. E. 3c; BGE 107 II 27 E. 1a; BGE 71 I 367). Wie der Regierungsrat mit Recht ausführt, können bei als Vornamen verwendeten Familiennamen, die lediglich als letztere gebräuchlich sind, Unklarheiten über die Personalien des Namensträgers entstehen. So kann dadurch bei Dritten der Eindruck erweckt werden, der Vorname sei in Wirklichkeit der Familienname der betreffenden Person. Diese Verwechslungsgefahr wird - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - nicht dadurch gebannt oder zumindest erheblich verringert, dass aus dem Namen Schmucki der Buchstabe c entfernt wird. Dem Interesse Dritter an einer klaren Namensgebung trägt auch die Möglichkeit der Identifikation aufgrund der AHV-Nummer, welcher im hier einzig massgebenden alltäglichen Verkehr mit den Mitmenschen (BGE 82 I 34) lediglich die Funktion einer internen administrativen Kennzeichnung zukommt (HEGNAUER, Berner Kommentar, Bd. 2/2/2/1, 4. A. Bern 1991, N 10 zu Art. 270 ZGB), keineswegs genügend Rechnung. Daran vermag nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführer ihrer Tochter Carla den Namen Schmuki lediglich als zweiten Vornamen geben möchten; denn einmal eingetragen, kann den Eltern wie auch dem Kind der Gebrauch dieses Vornamens als Rufname nicht verweigert werden (BGE 107 II 28 E. 1c). Davon, dass durch die lediglich in der Schreibweise auffallende Streichung eines Buchstabens ein neuer Vorname ("Schmuki") gebildet worden wäre, der von Dritten als solcher erkannt würde, kann keine Rede sein.
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3. Soweit die Beschwerdeführer vorbringen, das neue Eherecht ermögliche eine Öffnung der Namensgebung, übersehen sie, dass diese Öffnung lediglich die Wahl des Familiennamens betrifft und dass in diesem Zusammenhang weder Art. 301 ZGB noch Art. 69 Abs. 2 ZStV revidiert worden sind. So ist insbesondere, wie schon unter altem Recht, ausgeschlossen, dass das Kind - etwa in Anlehnung an die Regelung bezüglich des Doppelnamens der Ehefrau (Art. 160 Abs. 2 ZGB) - die Familiennamen beider Elternteile bekommt. Es erhält nach Art. 270 Abs. 1 ZGB einzig den Familiennamen der miteinander verheirateten Eltern, das heisst - unter Vorbehalt von Art. 30 Abs. 2 ZGB - den Namen des Vaters. Diese klare Bestimmung lässt ganz allgemein nicht zu, dass auf dem Umweg über das Vornamensrecht dem Kind der frühere Name der Mutter (beziehungsweise des Vaters) gegeben wird, es sei denn, besondere Umstände würden ausnahmsweise eine solche Vornamensgebung rechtfertigen. So wurde in BGE 116 II 504 ff. entschieden, dass ein Familienname, der nicht auch als Vorname gebräuchlich ist, einem Kind als zweiter Vorname gegeben werden kann, wenn die Eltern dafür ernsthafte Gründe angeben, die auch objektiv achtenswert sind. Dies trifft zu, wenn sie sich auf eine örtliche, religiöse oder familiäre Tradition berufen können. Hingegen genügt eine einfache Schwärmerei, die reiner Phantasie entspringt (wie die Bewunderung einer Persönlichkeit), nicht (BGE 116 II 510 E. 3e).
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a) Der Wunsch der Beschwerdeführer, dem Kind einen Vornamen zu geben, der an die Mutter - die das Kind "unter Schmerzen auf die Welt bringt" - erinnert, ist zwar verständlich. Indessen könnte das von allen Eltern geltend gemacht werden, weshalb dieser rein gefühlsmässige Grund - worauf das Bundesamt für Justiz mit Recht hinweist - die einschränkenden Kriterien zum vornherein nicht erfüllt. Dass die Eltern den gewünschten Vornamen Schmuki von "schmuck, hübsch" herleiten, kann als Grund für die Wahl eines missverständlichen Namens schon deshalb nicht in Betracht fallen, weil ein solcher Kosename, der durchaus auch andere als die von den Beschwerdeführern genannten Assoziationen wecken kann, das Kind der Gefahr aussetzt, wegen seines Namens durch Dritte (insbesondere Schulkameraden) ausgespottet zu werden (BGE 116 II 507 E. 3c; BGE 107 II 28 E. 1b).
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b) Die Beschwerdeführer begründen ferner die Wahl des Vornamens Schmuki für ihre Tochter Carla mit dem Wunsch, nachdem ihr Heimatkanton Graubünden (Disentis) sei, die in diesem Kanton herrschende Tradition fortzuführen, wonach dem Kind als zweiter Vorname der Name der Mutter beigegeben werde. Diesem alten Brauch möchten sie - wie in der Beschwerdeschrift behauptet - umso mehr nachkommen, als nicht auszuschliessen sei, dass sie in den nächsten Jahren wieder in den Kanton Graubünden ziehen werden. Dass die Beschwerdeführer einen solchen bündnerischen Brauch "fortführen" möchten, wird von ihnen zwar erstmals vorgetragen, doch ist das zulässig. Im Verwaltungsgerichtsverfahren vor Bundesgericht darf ein neuer Rechtsstandpunkt eingenommen und auch der Sachverhalt ergänzt werden, sofern der angefochtene Entscheid nicht von einer Rekurskommission oder einem kantonalen Gericht im Sinne von Art. 105 Abs. 2 aOG ausging (BGE 115 II 216 E. 2 mit Hinweisen), welche Bestimmung trotz der Gesetzesänderung vom 15. Februar 1992 gemäss Übergangsbestimmung hier noch gilt (vgl. Abs. 1). Im vorliegenden Fall, wo der Regierungsrat Vorinstanz war, ist somit auf die neuen Vorbringen der Beschwerdeführer einzutreten. Diese vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Zunächst fällt auf, dass die Beschwerdeführer den ersten Namensteil des Doppelnamens der Ehefrau nicht so, wie er geschrieben wird (Schmucki), als zweiten Vornamen der Tochter im Geburtsregister eintragen lassen wollen, sondern in - zwar nur leicht, aber dennoch - abgewandelter Form ("Schmuki").
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Obwohl sich im Kanton Graubünden der Brauch findet, dem Kind als zweiten Vornamen den Namen der Mutter zu geben, ist damit keineswegs gesagt, dass dieser Brauch ebenfalls in Disentis, dem Heimatort der Beschwerdeführer, bekannt ist. Dass letzteres der Fall wäre, wird von den Beschwerdeführern nicht näher dargetan; dafür liegen auch keine Anhaltspunkte vor. Das Bundesgericht hat nun aber eine solche Sitte nur dort vorbehalten, wo sie tatsächlich existiert, weil nur dann die Gefahr der Irreführung der Öffentlichkeit zurücktritt (BGE 116 II 509 E. 3e mit Hinweis). Abgesehen davon, dass ein solcher namensrechtlicher Brauch für Disentis nicht nachgewiesen ist, erfolgt hier die Eintragung der Vornamen im Kanton Luzern, wo die Beschwerdeführer ihren Wohnsitz haben. Wie sich der Stellungnahme der Vorinstanz entnehmen lässt, besteht in diesem Kanton kein derartiger Brauch, weshalb dort die Gefahr ernsthaft besteht, dass Dritte den missverständlichen Vornamen für den Familiennamen halten könnten. Die vorliegende Sachlage unterscheidet sich denn auch in grundsätzlicher Hinsicht von derjenigen, welche BGE 116 II 504 ff. zugrunde lag. Dort wollten ein amerikanischer Staatsangehöriger und seine schweizerische Ehefrau ihrer Tochter - nach alter Tradition der aus Holland eingewanderten Vorfahren des Ehemanns - den Mittelnamen (middle name) Van Vleck als Vornamen geben, was ihnen gestattet wurde. Dass sie mit ihrer Vornamenswahl einer solchen Familientradition folgen, behaupten die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall indessen nicht; sie machen nur geltend, dass sie beabsichtigen, eine Tradition zu begründen, was ihnen erlaubt sein sollte. Dieses Argument ist unbehelflich, da eine solche Absicht von allen Eltern geltend gemacht werden könnte. Diese allein vermag deshalb die einschränkenden Kriterien für die ausnahmsweise Eintragung eines lediglich als Familienname gebräuchlichen Namens als Vorname unzweifelhaft nicht zu erfüllen.
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c) Der vorinstanzlichen Auffassung, dass die Beurkundung des Personenstandes einzig Sache der Zivilstandsämter ist und daher abweichende Eintragungen in kirchlichen Registern unbeachtlich sind, ist beizupflichten (HEGNAUER, Berner Kommentar, Bd. 2/2/1, Bern 1964, N 54 zu Art. 275 ZGB). Unter diesem Gesichtspunkt ist für den Eintrag im Geburtsregister belanglos, dass die Tochter der Beschwerdeführer auf den Namen Carla Schmuki getauft worden ist.
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