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62. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Juni 1992 i.S. A. gegen v. B. und Mitbeteiligte (Berufung) | |
Regeste |
Art. 396 Abs. 2, Art. 543 Abs. 3 OR. Vollmacht des Architekten, der zugleich Mitglied der Bauherrschaft (Konsortium) ist. | |
Sachverhalt | |
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B.- Als Abtretungsgläubiger der inzwischen in Konkurs gefallenen H. AG klagte u.a. Christoph v. B. beim Kantonsgericht Nidwalden gegen den Gesellschafter A. auf Zahlung dieses Betrags. Das Kantonsgericht schützte die Klage am 19. Dezember 1990 für Fr. 106'009.15, entsprechend der Werklohnrestanz gemäss Bauabrechnung abzüglich einer zur Verrechnung zugelassenen Konkursforderung des Beklagten von Fr. 180'000.--. Dessen Appellation wies das Nidwaldner Obergericht am 17. Oktober 1991 ab. Gegen den Appellationsentscheid führt der Beklagte eidgenössische Berufung mit der Begründung, entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ![]() | 2 |
Aus den Erwägungen: | |
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a) Wie das Bundesgericht in BGE 109 II 459 f. E. 5c ausgeführt hat, zieht der Bauherr den Architekten bei als Fachmann für die Planung und Projektierung sowie für die Leitung und Überwachung der Bauausführung. Demgegenüber behält sich der Bauherr den Entscheid über finanzielle Verpflichtungen im Normalfall selbst vor, braucht er doch dazu nicht das besondere Fachwissen des Architekten. Daher gilt nach der neueren Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre, dass der Architekt für im Namen des Bauherrn abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärungen, welche wie die Anerkennung einer Schlussrechnung den Bauherrn finanziell in erheblichem Mass verpflichten, einer ausdrücklichen Ermächtigung bedarf (BGE a.a.O. mit Hinweis auf SCHWAGER, Baurecht 1980 S. 36 f. und REBER, Rechtshandbuch, 4. A., S. 259 f. und 261).
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Dieser Grundsatz hat jedenfalls dann zu gelten, wenn der Architekt seine Vollmacht allein aus Art. 396 Abs. 2 OR herleiten kann (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. A., S. 246 Rz. 864; SCHWAGER, Die Vollmacht des Architekten, in: GAUCH/TERCIER, Das Architektenrecht, S. 237 f. Rz. 812-814, sowie BRUNO STIERLI, Die Architektenvollmacht, Diss. Freiburg 1988, S. 99 ff. Rz. 316-319, je mit Hinweisen). Aber auch unter der SIA-Ordnung 102, die dem Architekten in Art. 4.4.4. die Rechnungskontrolle überträgt, ist dieser nicht zur Anerkennung der kontrollierten Unternehmerrechnungen ermächtigt ![]() | 5 |
Weil der Unternehmer vielmehr davon auszugehen hat, der Bauherr habe sich diese Rechtshandlung mit erheblichen finanziellen Konsequenzen selbst vorbehalten, setzt eine verbindliche Schuldanerkennung durch den Architekten regelmässig eine Sondervollmacht des Bauherrn an den Architekten voraus. Eine - tatsächlich u. U. gar nie erteilte - Vollmacht kann aber auch dadurch begründet werden, dass der Bauherr sie dem gutgläubigen Unternehmer gegenüber kundgibt (Art. 33 Abs. 3 OR). Diese Kundgabe erlangt namentlich Bedeutung im Bereich der gültig zum Bestandteil von Werkverträgen erhobenen SIA-Norm 118 (vgl. das Urteil in Baurecht 1991 S. 41 f. Nr. 58 mit Anmerkung von GAUCH). Unter welchen besonderen Umständen der Unternehmer ausnahmsweise zur Annahme berechtigt ist, der Architekt sei trotz fehlender Sondervollmacht bzw. trotz unterbliebener Vollmachtskundgabe des Bauherrn zur Anerkennung von Rechnungen ermächtigt (zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht vgl. GAUCH/SCHLUEP, OR Allgemeiner Teil, Bd. I, 5. A., S. 264 Rz. 1411 ff.), kann im vorliegenden Fall offenbleiben (E. 2b hienach).
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b) Der zwischen dem Baukonsortium H. und den Architekten Bi. und Be. abgeschlossene Architekturvertrag übertrug den beiden Architekten auch die Bauleitung, so dass ein umfassender Architekturauftrag vorlag. Daraus schloss das Obergericht zu Recht, nach allgemeiner Usanz sei auch die Rechnungsprüfung ![]() | 7 |
Diese Annahme kann sich auch nicht auf eine Sondervollmacht, eine kundgegebene Vollmacht oder einen vertrauensbegründenden Tatbestand abstützen. Entscheidend für die Zusprechung der um Fr. 180'000.-- reduzierten Werklohnforderung von Fr. 286'009.15 war für beide kantonalen Instanzen die Qualifikation der von Bi. unterzeichneten Bauabrechnung als einer Werklohnanerkennung. Auch die Kläger stellen in ihrer Berufungsantwort entscheidend auf die Unterschrift von Bi. auf diesem Schriftstück ab, dem die Bedeutung einer vorbehaltlosen und damit auch die Bauherrschaft verpflichtenden Schuldanerkennung zukomme. Nach der im Berufungsverfahren zu prüfenden Auslegung dieses Schriftstücks nach dem Vertrauensgrundsatz (BGE 116 II 696 E. 2a mit Hinweis) kann es diese Bedeutung aber nicht haben. Gegen eine das Konsortium bindende Werklohnanerkennung spricht, dass die Bauabrechnung lediglich die Unterschriften von Bi. und eines Vertreters der H. AG trägt, während die für die Unterschrift der Bauherrschaft bestimmte Rubrik "Genehmigt - Die Bauherrschaft" leer blieb, obgleich auf der Bauabrechnung als Bauherr ausdrücklich das Baukonsortium H. aufgeführt ist. Damit brachte der Architekt gegenüber der Unternehmerin zum Ausdruck, dass die Anerkennung des von ihm geprüften Rechnungsbetrags dem Konsortium vorbehalten, seine Unterschrift also gerade nicht als solche zu verstehen sei. Eine verbindliche Werklohnanerkennung, die nach dem vorstehend Ausgeführten grundsätzlich eine ausdrückliche oder unmissverständlich bekundete Ermächtigung vorausgesetzt hätte, durfte die H. AG in der Bauabrechnung um so weniger erblicken, als die Mitglieder des Konsortiums über Bauerfahrung verfügten und ein erhebliches, für die Unternehmerin erkennbares Interesse daran hatten, sich die Genehmigung selbst vorzubehalten. Die Unternehmerin hatte nämlich nur für einen Teil der Schreinerarbeiten Preise offeriert, so dass die Höhe des Werklohns weitgehend nach Ergebnis (Art. 374 OR) festzusetzen und bereits vor Unterzeichnung der Abrechnung entsprechend umstritten war.
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a) Schliesst ein Gesellschafter mit einem Dritten Geschäfte ab, so werden die übrigen Gesellschafter dem Dritten gegenüber nur berechtigt und verpflichtet, wenn der Gesellschafter im Namen der Gesellschaft oder sämtlicher Gesellschafter handelt und ihm auch die entsprechende Vertretungsmacht zusteht (Art. 543 Abs. 2 OR). Im Namen des Konsortiums hatte Bi. die Bauabrechnung jedoch nicht unterzeichnet. Aufgrund des Schriftstücks musste der H. AG als Unternehmerin vielmehr klar sein, dass Bi. unterschieden hatte zwischen der zwar aufgeführten, jedoch nicht unterzeichnenden Bauherrschaft einerseits und dem unterzeichnenden Architekten anderseits. Die Situation war keine andere, als wenn statt eines Mitglieds des Konsortiums ein aussenstehender Architekt die Bauabrechnung unterzeichnet hätte.
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b) Zu einer Werklohnanerkennung im Namen der Gesellschaft wäre Bi. auch nicht ermächtigt gewesen. Wohl wird die Ermächtigung zur Vertretung der Gesellschaft vermutet, sobald dem Gesellschafter die Geschäftsführung der Gesellschaft überlassen ist (Art. 543 Abs. 3 OR). Gemäss Ziff. 11 des Gesellschaftsvertrags sollte die "Geschäftsführung" jedoch durch alle Gesellschafter gemeinsam erfolgen. Im dritten Absatz dieser Ziffer war sogar ausdrücklich vereinbart, dass für sämtliche Werkverträge und Anweisungen aus dem Baukredit die Unterschriften sowohl der Architekten als auch der Gesellschafter erforderlich seien. Dementsprechend hatte Bi. laut Ziff. 10 des Gesellschaftsvertrags den Architekturauftrag nur "in Arbeitsgemeinschaft" mit Be. erhalten, und zwar nicht als "Geschäftsführung", sondern bloss als "Dienstleistung". Bi. allein sollten nach der gleichen Ziffer einzig die Dienstleistungen der "Buchführung und Abschlüsse" obliegen. Sonst hatte dieser keinerlei Einzelkompetenzen und damit auch keine gesellschaftsvertragliche Befugnis zur Anerkennung von Werklöhnen.
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Fehlte es nach dem Gesellschaftsvertrag an der Geschäftsführungsbefugnis, kann auch die zu Verträgen und Gesellschaftsbeschlüssen subsidiäre gesetzliche Regelung nicht zum Tragen kommen, welche die Geschäftsführung allen Gesellschaftern zugesteht (Art. 535 Abs. 1 OR; SIEGWART, N. 24 zu Art. 535 OR, VON STEIGER, SPR VIII/1, S. 398). Damit entfällt aber die gegenüber gutgläubigen Dritten unwiderlegbare Vollmachtsvermutung des Art. 543 Abs. 3 OR (BGE 116 II 709 E. 1b). Unter welchen Voraussetzungen es die ![]() | 12 |
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