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96. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. November 1992 i.S. Y. Company gegen X. Limited und vertragliches Schiedsgericht (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 191 IPRG. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Intertemporales Recht. |
2. Jeder altrechtliche kantonale Rechtsmittelentscheid, der als nicht selbständig anfechtbarer Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG ergangen ist, lässt die frühere Rechtsmittelordnung fortdauern. Das heisst, dass auch der spätere Endentscheid (Schiedsspruch) weiterhin dem kantonalrechtlichen Anfechtungsverfahren untersteht und die Beschwerde gemäss Art. 191 IPRG ausgeschlossen ist (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Mit Entscheid vom 26. Mai 1992 urteilte das Schiedsgericht erneut über die Klage der X. Limited sowie über eine nach Erlass des ersten Schiedsspruchs erhobene Widerklage der Y. Company. Diese führt gegen den zweiten Schiedsspruch staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 85 lit. c OG und Art. 191 IPRG. Gleichzeitig hat sie kantonale Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt; sie beantragt dem Bundesgericht daher in prozessualer Hinsicht, vorerst über die Zuständigkeitsfrage zu entscheiden. Das bundesgerichtliche Verfahren wurde durch Präsidialverfügung vom 14. Juli 1992 entsprechend beschränkt. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein
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aus folgenden Erwägungen: | |
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In der Literatur wird offenbar einhellig die Meinung vertreten, eine blosse Niederlassung in der Schweiz begründe der ausländischen juristischen Person kein inländisches Domizil, so dass desungeachtet ein internationales Schiedsverfahren vorliege, wenn im übrigen dessen gesetzliche Voraussetzungen erfüllt seien (LALIVE/POUDRET/REYMOND, N 3 zu Art. 176 IPRG; WALTER/BOSCH/BRÖNNIMANN, ![]() | 4 |
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Die Rechtsprechung macht von diesem Grundsatz allerdings eine Ausnahme, wenn im Schiedsverfahren bereits ein auf die materielle Streitsache bezüglicher Zwischenentscheid einer kantonalen Rechtsmittelinstanz ergangen ist, der nach Massgabe von Art. 87 OG nicht selbständig mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden konnte. Denn diesfalls bliebe bei einem Wechsel des Rechtsmittelsystems mit dem Inkrafttreten des IPRG der Zwischenentscheid einer Kontrolle durch das Bundesgericht entzogen. Um dieser Unzulänglichkeit zu begegnen, entschied das Bundesgericht, dass auch ein dem kantonalen Zwischenentscheid nachgehender, zeitlich unter der Herrschaft des IPRG gefällter Endentscheid des Schiedsgerichts weiterhin der kantonalrechtlichen Anfechtung untersteht (BGE 115 II 106).
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a) In den Erwägungen des letztgenannten Urteils bezeichnete das Bundesgericht den vorgängig mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde angefochtenen Schiedsspruch bald als Teilurteil, bald als Zwischenentscheid. Nach VOGEL (ZBJV 127/1991 S. 279) lag ein blosser Vorentscheid vor, da lediglich über eine materielle Vorfrage entschieden worden sei. Tatsächlich hatte damals das Schiedsgericht die Ungültigkeit einer Vertragskündigung und damit in Form eines Vor- oder Zwischenentscheids eine Voraussetzung des Klageanspruchs bejaht, gleichzeitig aber mit derselben Begründung eine Widerklage abgewiesen und insoweit ein Teilurteil gefällt. Die Bezeichnung bleibt indessen für die hier zu beurteilende Frage ohne Bedeutung, ![]() | 7 |
b) Nach BGE 115 II 106 gilt die Ausnahme in jedem Fall, wenn sich der vor dem 1. Januar 1989 ergangene und kantonalrechtlich angefochtene Teilschiedsspruch (Zwischen- oder Teilentscheid) auf materielle Streitfragen bezog. Nicht zu entscheiden war damals, ob die Ausnahmeregelung auch Anwendung findet, wenn bloss Verfahrensfragen Gegenstand der Vorabentscheidung bildeten. In einem unveröffentlichten Urteil vom 15. Oktober 1991 hat das Bundesgericht die Frage ohne weitere Begründung bejaht.
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SCHNEIDER (Das Übergangsrecht in Rechtsprechung und Schiedspraxis, Bulletin ASA 1992 S. 97 f.) schliesst sich den der Ausnahmeregelung zugrunde liegenden Überlegungen zwar an, hält aber dafür, ihnen könnte zweckmässiger dadurch Rechnung getragen werden, dass der schiedsgerichtliche Endentscheid der Beschwerde gemäss Art. 85 lit. c OG und Art. 191 IPRG unterstellt, daneben aber auch die staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a (und allenfalls lit. b) OG zugelassen werde, soweit der altrechtliche kantonale Rechtsmittelentscheid mitangefochten werde. Damit könnte seiner Meinung nach eine Ungleichheit in der Anfechtbarkeit von Schiedssprüchen, die nach dem 1. Januar 1989 ergangen sind, vermieden werden.
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POUDRET (Remarques au sujet du droit transitoire, Bulletin ASA 1992 S. 113 f.) billigt demgegenüber die bundesgerichtliche Lösung, will sie aber entsprechend der ratio legis von Art. 87 OG eingeschränkt wissen. Er möchte sie dort ausschliessen, wo im altrechtlichen kantonalen Verfahren nicht Rügen aus dem Schutzbereich von Art. 4 BV vorgetragen worden waren, der Zwischenentscheid somit nicht Art. 87 OG unterstand, sondern selbständig anfechtbar war, ferner dort, wo ein mit einem Nachteil im Sinne von Art. 87 OG verbundener Zwischenentscheid selbständig angefochten wurde oder hätte angefochten werden können, mithin immer dann, wenn den Parteien aus dem Grundsatz der sofortigen Anwendbarkeit des neuen Rechts kein Rechtsnachteil erwächst. Seiner Ansicht nach hat das Bundesgericht diese Rechtslage im Urteil vom 15. Oktober 1991 verkannt.
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aa) Der Lösungsvorschlag von SCHNEIDER würde zum unbefriedigenden Ergebnis führen, dass ein auf einem altrechtlichen Zwischen- oder ![]() | 11 |
bb) Der Ansicht von POUDRET ist insoweit beizupflichten, als die Ausnahmeregelung nicht Platz greift, sofern der altrechtliche kantonale Rechtsmittelentscheid nicht das dem Schiedsgerichtsverfahren zugrunde liegende Streitverhältnis, sondern ausschliesslich die Zusammensetzung oder die Zuständigkeit des Schiedsgerichts beschlägt. Dies folgt im wesentlichen daraus, dass derartige Zuständigkeits- und Organisationsfragen ihrer Natur nach endgültig zu erledigen sind, bevor das Verfahren weitergeführt werden kann, was verbietet, mit entsprechenden Rügen zuzuwarten und sie erst mit der Anfechtung gegen den Endentscheid vorzutragen (BGE 116 Ia 183 mit Hinweisen; vgl. auch Art. 190 Abs. 3 IPRG).
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Weiter ist der Auffassung von POUDRET darin zu folgen, dass jeder altrechtliche kantonale Rechtsmittelentscheid, der als nicht unmittelbar anfechtbarer Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG erging, die frühere Rechtsmittelordnung fortdauern lässt, und zwar unabhängig davon, ob er Rügen formeller oder materieller Rechtsverweigerung zum Gegenstand hatte. Das rechtfertigt sich einerseits daraus, dass oftmals in einem einzigen Rechtsmittelverfahren diese beiden Seiten von Art. 4 BV angerufen werden und - wie bereits erwähnt - in bezug auf die Anfechtung des späteren Endentscheids eine Gabelung des Rechtswegs zu vermeiden ist. Anderseits gilt es zu berücksichtigen, dass das Schiedsgericht an die Erwägungen des kantonalen Rückweisungsurteils und in dem Umfang, in dem er nicht aufgehoben worden ist, auch an seinen eigenen Vor-, Zwischen- oder Teilentscheid gebunden ist (BGE 112 Ia 171 f.). Folglich erscheint einzig ![]() | 13 |
Dagegen liesse sich die Frage stellen, ob der Ansicht von POUDRET auch insoweit zu folgen ist, als er die Fortdauer der früheren Rechtsmittelordnung trotz eines altrechtlichen kantonalen Rechtsmittelentscheids ausschliesst, wenn dieser seinerzeit zulässigerweise mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten wurde oder selbständig hätte angefochten werden können. Zwar trifft zu, dass sich diesfalls die ratio legis von Art. 87 OG der Anwendung des neuen Verfahrensrechts nicht entgegenstellt. Es gilt jedoch auch hier zu bedenken, dass die Unterstellung des neurechtlichen Schiedsspruchs unter Art. 191 IPRG vielfach die Prüfung nicht mehr erlauben würde, ob Weisungen des ihm vorangegangenen kantonalen Rechtsmittelentscheids missachtet wurden, und dass der durch diesen im Ergebnis nicht beschwerten Partei die Möglichkeit genommen wäre, bei sie beschwerendem Endentscheid auch an den für sie ungünstigen Erwägungen des kantonalen Rechtsmittelentscheids Kritik zu üben. Die Frage kann im vorliegenden Fall indessen offenbleiben, da es sich beim Rückweisungsentscheid des Zürcher Obergerichts vom 7. Februar 1985 um einen nicht selbständig anfechtbaren Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG handelte (vgl. BGE 116 Ia 43, 445). Daran ändert nichts, dass das Bundesgericht auf eine gegen den obergerichtlichen Kostenspruch gerichtete staatsrechtliche Beschwerde eingetreten ist. Der Kostenentscheid als solcher stellte einen Endentscheid dar, der ungeachtet des Inzidenzcharakters des Hauptentscheids anfechtbar war, weil die Beschwerde nicht aus der materiellen Grundlage der Kostenliquidation begründet wurde (s. LUDWIG, Endentscheid, Zwischenentscheid und Letztinstanzlichkeit im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, ZBJV 110/1974 S. 180 f.).
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