![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
44. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Mai 1993 i.S. Renato Domedi Architekt HTL AG gegen Staat Aargau (Berufung) | |
Regeste |
Haftung aus Grundbuchführung (Art. 955 ZGB); Verjährung des Schadenersatzanspruchs (Art. 60 Abs. 1 OR). |
2. Absolute Verjährung nach Art. 60 Abs. 1 OR. Die Zehnjahresfrist läuft für den Schadenersatzanspruch aus Art. 955 ZGB unabhängig von der Kenntnis, die der Gläubiger von seinem Anspruch hat, ab der schädigenden Handlung. Die rechtswidrig erfolgende Eintragung im Grundbuch setzt mit ihrem Abschluss unweigerlich den Fristenlauf in Gang (E. 4). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Mit Kaufvertrag vom 9. September 1985 erwarb die Renato Domedi Architekt HTL AG das Grundstück Nr. 1279, Grundbuch Brittnau, zum Preise von Fr. 100.-- pro m2. Im Zuge einer Neuparzellierung stellte der Nachführungsgeometer des Bezirks Zofingen fest, dass der Flächeninhalt der Parz. 1930 des genannten Grundstücks im Jahre 1927 aufgrund eines Berechnungsfehlers des damaligen Nachführungsgeometers um 100 m2 zu gross angegeben war, und er nahm mit Mutationstabelle 2956 vom 25. Februar 1989 die entsprechende Flächenkorrektur vor. Mit Parzellierungsbegehren vom 1. März 1989 beantragte die Renato Domedi Architekt HTL AG dem Grundbuchamt Zofingen, im Grundbuch sei neu ein Flächeninhalt von 12,71 a einzutragen.
| 2 |
Die Renato Domedi Architekt HTL AG klagte am 1. Februar 1991 gegen den Staat Aargau auf Bezahlung eines Betrages von Fr. 10'000.-- nebst Zins zu 5% seit dem 5. Oktober 1989. Das Bezirksgericht Aarau bejahte mit Urteil vom 26. Februar 1992 eine Haftung des Staates Aargau aus Grundbuchführung und verpflichtete diesen, der Renato Domedi Architekt HTL AG den eingeklagten Betrag nebst entsprechendem Zins zu bezahlen. Mit Entscheid vom 16. Oktober 1992 hiess das Obergericht des Kantons Aargau die Appellation des Staates Aargau gut, hob das Urteil des Bezirksgerichts auf und wies die Klage ab.
| 3 |
Gegen diesen Entscheid ist die Renato Domedi Architekt HTL AG mit Berufung an das Bundesgericht gelangt. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und der Staat Aargau zu verpflichten, der Klägerin einen Betrag von Fr. 10'000.-- nebst Zins zu 5% seit dem 5. Oktober 1989 zu bezahlen.
| 4 |
Das Departement des Innern des Kantons Aargau schliesst auf Abweisung der Berufung.
| 5 |
Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
| 6 |
![]() | |
7 | |
Ob die Haftung des Beklagten zu verneinen oder gar zu bejahen wäre, kann indessen offenbleiben, wenn die Vorinstanz den Schadenersatzanspruch zu Recht als verjährt betrachtet hat. Im folgenden ist daher zunächst diese Frage zu prüfen.
| 8 |
4. Hinsichtlich der Verjährung des Schadenersatzanspruchs gestützt auf Art. 955 Abs. 1 ZGB ist nach ständiger Rechtsprechung und fast einhelliger Lehre Art. 60 OR entsprechend anwendbar (BGE 110 II 40 E. 4; BGE 51 II 394; HOMBERGER, N. 11 zu Art. 955 ZGB; DESCHENAUX, a.a.O., S. 236; STEINAUER, Les droits réels, Bd. I, 2. A., Bern 1990, S. 169, N. 618; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. A., Zürich 1986, S. 596; FRANZ JENNY, a.a.O., S. 75; BREHM, N. 7 zu Art. 60 OR; a.M. OSTERTAG, N. 14 zu Art. 955 ZGB, der die allgemeine Verjährungsfrist von Art. 127 OR für ![]() | 9 |
a) Dass vorliegend die Verjährungsregelung gemäss Art. 60 OR zur Anwendung kommt, wird von der Klägerin mit Recht nicht bestritten. Hingegen hält sie gleich wie HANS-PETER FRIEDRICH (a.a.O., S. 143 f.) dafür, dass ein Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 955 Abs. 1 ZGB nicht vor Kenntnis des Schadens verjähren könne.
| 10 |
aa) Nach Art. 60 Abs. 1 OR verjährt der Anspruch auf Schadenersatz in einem Jahre von dem Tage hinweg, wo der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit dem Ablauf von zehn Jahren, vom Tage der schädigenden Handlung an gerechnet. Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich klar entnehmen, dass die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren im Gegensatz zur Jahresfrist ab der schädigenden Handlung läuft, welche zugleich die Haftung begründet. Der Vorinstanz ist folglich beizupflichten, wenn sie das den Schaden verursachende Verhalten für massgeblich hält, und nicht den Schadenseintritt oder den Zeitpunkt, in dem der Geschädigte Kenntnis des Schadens erlangt (DESCHENAUX, a.a.O., S. 237, Anm. 86b; STARK, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 2. A., Zürich 1988, S. 233, N. 1092 und 1096; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Besonderer Teil, Bd. II/1, Zürich 1987, S. 111, N. 366; KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. II, Bern 1987, S. 246).
| 11 |
Das Bundesgericht hat denn auch wiederholt entschieden, dass die Zehnjahresfrist von Art. 60 wie auch von Art. 127 OR unabhängig von der Kenntnis läuft, die der Gläubiger von seinem Anspruch hat; die Klage könne daher verjährt sein, bevor der Gläubiger diesen Anspruch kenne (BGE 106 II 136 E. 2a mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung stiess in bezug auf vertragliche Ansprüche vereinzelt auf Vorbehalte (vgl. unter anderem die Kritik von MERZ, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1980, in ZBJV 118/1982, S. 137). Was die auf Art. 955 ZGB gestützten Ansprüche betrifft, hält die neuere Lehre eine absolute Verjährungsfrist ![]() | 12 |
bb) Zu beachten ist allerdings, dass die neuere Lehre die vorschriftswidrige Eintragung oder Löschung im Grundbuch - soweit sie an sich die Verantwortlichkeit des Staates nach sich zieht - als ununterbrochenen Eingriff in die Rechte des möglichen Geschädigten betrachtet, die fortdaure, bis der Schaden sich verwirkliche (DESCHENAUX, a.a.O., S. 238; HANS-PETER FRIEDRICH, a.a.O., S. 144). In die gleiche Richtung weist die Lösung von FRANZ JENNY (a.a.O., S. 75, Anm. 45a), der die Verjährungsfrist erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnen lassen will, in welchem die aus der schadensstiftenden Handlung des Grundbuchverwalters entstandene Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht mehr durch eine Richtigstellungsklage nach Art. 975 ZGB behoben werden könne.
| 13 |
Weder die eine noch die andere Argumentation vermag indessen zu überzeugen. Als Führung des Grundbuchs im Sinne von Art. 955 ![]() | 14 |
Wie zu entscheiden wäre, wenn der Grundbuchverwalter seinerzeit während noch laufender Verjährungsfrist von der Unrichtigkeit des Grundbucheintrags erfahren, pflichtwidrig jedoch nicht auf dessen Berichtigung hingewirkt hätte, kann offenbleiben, nachdem die Vorinstanz nirgends feststellt, es habe sich so verhalten.
| 15 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |