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11. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. März 1994 i.S. G. gegen S. AG (Berufung) | |
Regeste |
Differenzgeschäft; Spieleinrede (Art. 513 Abs. 2 OR). | |
Sachverhalt | |
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Am 12. Oktober 1989 verpfändete der Beklagte der Klägerin zwei Lebensversicherungspolicen zur Sicherstellung des Kredits.
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Mit Schreiben vom 8. Mai 1990 kündigte die Klägerin dem Beklagten den Kontokorrentkredit auf den 18. Mai 1990 und forderte ihn auf, seine Schuld zu tilgen. Da der Beklagte dieser Zahlungsaufforderung nicht nachkam, betrieb ihn die Klägerin auf Faustpfandverwertung.
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Auf Klage der S. AG verpflichtete das Amtsgericht Luzern-Stadt am 21. Januar 1992 den Beklagen zur Zahlung seiner Schuld. Gleich entschied auf Appellation des Beklagten das Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 15. September 1993. Eine vom Beklagten gegen dieses Urteil eingereichte Berufung weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Aus Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Behufe des Spiels und der Wette gemacht werden, sowie aus Differenzgeschäften und solchen Lieferungsgeschäften über Waren oder Börsenpapiere, die den Charakter eines Spiels oder einer Wette haben, entsteht keine Forderung (Art. 513 Abs. 2 OR).
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Im Interesse der Verkehrssicherheit ist bei Termingeschäften, die über eine Börse oder einen anderen organisierten Handel abgewickelt werden, der ![]() | 8 |
Es gilt die Vermutung, ein Termingeschäft sei nicht in Spielabsicht abgeschlossen worden. Die den Spieleinwand erhebende Partei hat demnach einerseits die eigene Spielabsicht sowie anderseits deren leichte Erkennbarkeit für die Gegenpartei zu beweisen (vgl. BGE 78 II 61, BGE 65 II 21; BK-GIOVANOLI, N. 34 zu Art. 513 OR; AMONN, SPR VII/2, S. 468; ERIC F. STAUBER, a.a.O., S. 32).
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b) Das Obergericht verneint aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Indizien den Spielcharakter der vom Beklagten getätigten Börsendifferenzgeschäfte. Der Beklagte habe während rund zehn Jahren solche Geschäfte ausgeführt, in den Jahren 1986 und 1987 auch für D., einen weiteren Kunden der Klägerin. Er gelte daher als erfahrener "Hobby-Börsianer". Aus den Kontoauszügen seines Wertschriftenkredits seit Anfang 1989 sei ersichtlich, dass er jeweils mit Devisenterminkontrakten einen Verkauf (oder mehrere Verkäufe) tätigte, in der Folge jeweils im Plus war, kurz darauf jedoch - ebenfalls mit Devisenterminkontrakten - einen Kauf tätigte und so in der Regel ins Minus geriet. Er habe um das Spekulationsrisiko gewusst und es in Kauf genommen. Von einem plan- und wahllosen Vorgehen könne nicht gesprochen werden. Die von Roll-Aktien habe der Beklagte gekauft, um frühere Verluste abzutragen. Auch wenn die Klägerin seine finanziellen Verhältnisse seit 25 Jahren gekannt und ihm in grossem Umfang Kredit gewährt habe, lasse dies nicht auf den Spielcharakter seiner Börsengeschäfte schliessen.
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Die Würdigung der gesamten Umstände durch die Vorinstanz und die darauf abgestützte Verneinung des Spielcharakters der beklagtischen Spekulationen sind bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Das Obergericht beurteilt die Spieleinrede nach den genannten Kriterien und geht zu Recht von einer einschränkenden Zulassung der Differenzeinrede aus. Die vom Beklagten zum ![]() | 11 |
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich aus dem behaupteten Missverhältnis zwischen seinem Vermögen und dem Umfang der getätigten Geschäfte nichts zu seinen Gunsten ableiten. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war der Beklagte seit 25 Jahren Kunde der Klägerin und waren dieser seine Vermögensverhältnisse aus den Geschäftsbeziehungen bekannt, auch wenn der Beklagte - wie sich später herausstellte - über kein nennenswertes Vermögen verfügte. Entscheidend für die Klägerin war nach Massgabe dieser Feststellungen seine Kreditwürdigkeit. Der Beklagte führte ein gutgehendes Geschäft und verlegte dieses später ins Stadtzentrum; er galt als erfolgreicher Geschäftsmann. Für die Klägerin bestand daher keine Veranlassung, weitere Abklärungen über die Vermögensverhältnisse des Beklagten vorzunehmen, zumal sich die Geschäfte zwischen den Parteien während vieler Jahre offensichtlich problemlos abgewickelt haben. Die Vorinstanz konnte für die Beurteilung der ökonomischen Lage des Beklagten demnach durchaus seine Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit berücksichtigen (THOMAS BAUER, a.a.O., S. 187 mit Nachweisen).
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bb) Das Fehlen von Beziehungen zu den Unternehmen, deren Aktien der Beklagte kaufte, ist nicht entscheidend. Im Gange der zunehmenden Organisierung und Anonymisierung des Wertpapierhandels und des Börsenwesens entspricht dies dem Regelfall, da es dem einzelnen Käufer regelmässig nicht mehr um die persönliche Beziehung zum Unternehmen geht, sondern einzig um die Geldanlage. Bezweckt wird damit, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen.
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cc) Die Spieleinrede ist insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der doch regelmässigen und systematischen Spekulation des Beklagten sowie seiner Spekulation für D. zu verwerfen. Offeriert jemand seine diesbezüglichen Kenntnisse einer Drittperson, kann kaum mehr von einem bloss plan- und wahllosen Spiel gesprochen werden; vielmehr weist ein solches Verhalten auf eine gute Kenntnis des Börsenwesens hin. Der Beklagte tätigte seine Geschäfte auch nicht zufällig, sondern stützte seine Kaufs- und Verkaufsentscheide auf Informationen aus Bankkreisen ab, namentlich seitens der Herren S. und K., ehemalige Direktor und Mitarbeiter der Klägerin. Diese Indizien sprechen klar gegen den Spielcharakter der fraglichen Geschäfte.
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